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Massiver StellenabbauWas die Pläne für Ford in Köln bedeuten

Lesezeit 7 Minuten
Ford Elektroautos vom Typ Explorer stehen auf Autotransportern auf dem Werksgelände von Ford in Köln.

Ford streicht 2900 Stellen in Köln.

In Köln soll nach Unternehmensplänen fast jeder vierte Arbeitsplatz wegfallen. Experten sehen den Autobauer in schwieriger Lage.

Noch läuft ein Sparprogramm bei Ford, da legt das Unternehmen schon das nächste auf. Kosten müssten gesenkt werden, „um ein nachhaltiges und langfristiges Wachstum in Europa sicherzustellen“, teilte das Management mit.

Welche Maßnahmen plant Ford?

Bis Ende 2027 sollen in Europa 4000 Jobs abgebaut werden, darunter 2900 in Köln. Außerdem will Ford seine Produktion weiter anpassen. Zu laufenden drei Wochen Kurzarbeit bis Jahresende kommen auch im nächsten Jahr weitere Kurzarbeitstage im ersten Quartal sowie möglicherweise auch im April.

Wie begründet Ford die Stellenstreichungen?

Ungleiche Wettbewerbsbedingungen und eine fehlende konsistente und klare politische Agenda zur Förderung der Elektromobilität wurden aus der Ford-Geschäftsführung als Gründe für die Notwendigkeit weiterer Einsparungen genannt. Die Pläne zur Restrukturierung und Kostenentlastung seien schmerzlich für die Beteiligten, aber notwendig. Der besondere Fokus gilt dem Pkw-Segment, in dem Ford in den vergangenen Jahren in Europa hohe Verluste verzeichnet hat. Das Segment, so die Geschäftsführung, stehe unter Druck durch die hohen Kosten der Umstellung auf Elektroautos, neue Konkurrenten und strenge CO2-Emissionsziele.

Wie reagieren die Arbeitnehmervertreter?

Der Ford-Gesamtbetriebsrat und der Standortbetriebsrat zeigten sich empört. „Wir lehnen diesen massiven Stellenabbau ab“, sagte Betriebsratschef Benjamin Gruschka. Er verwies auf Stellenabbau in den vorangegangenen Jahren, den noch laufenden Abbau bis Ende 2025 sowie auf den bestehenden Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis Ende 2032. „Immer weiterer Personalabbau ist keine nachhaltige Geschäftsstrategie“, so Gruschka. „Ford Europa hat heute den Abbauplan veröffentlicht, ohne den Gesamtbetriebsrat vorab zu informieren. Diese Missachtung der Sozialpartnerschaft haben wir so in Deutschland noch nicht erlebt“, so der Betriebsratschef weiter. Er geht davon aus, dass der Abbau in Köln alle Bereiche betrifft und sprach von einem „schwarzen Tag für Köln“.

Die Arbeitnehmer kündigten Widerstand gegen die Pläne an. „Was das europäische Management glauben lässt, der Betriebsrat würde einen solchen Abbau mittragen, erschließt sich uns nicht“, sagt David Lüdtke, Vertrauenskörperleiter der Ford Werke in Köln. Kölns IG Metall-Chefin Kerstin Klein sagte, es sei feige und unverschämt, dass das Management die Mitarbeitenden lediglich über eine Rundmail informierte. „Wir werden nicht hinnehmen, was heute angekündigt worden ist“, so Klein.

Wie ist Ford in diese Lage gekommen?

Ford schrumpft seit Jahren auf dem europäischen Markt. Rasant wurde die Talfahrt, als der Autobauer zunächst spät auf die E-Mobilität setzte und dann kurz vor der Serienfertigung des Explorers im August 2023 voll auf die Bremse trat. Das Auto sollte eine neue Batterie bekommen, musste umkonstruiert werden. Der Marktstart verzögerte sich fast um ein Jahr. Ford nutzt eine Plattform von VW. Die Wolfsburger konstruieren auf dieser Basis die Modelle iD 3, iD 4, iD 5 und iD 7. Die Fahrzeuge werden weiter gebaut und zugelassen, Ford baute dagegen in Köln ein Jahr lang kein Auto, nachdem der Fiesta eingestellt worden war. Unter Plattformen versteht man alles an einem Auto, was man nicht sieht. Außenteile, die das Design prägen, entwickelt dann jeder Autobauer selbst. Im engeren Sinne versteht man darunter Bodenplatte, Batterie und Antriebsstrang, aber auch Teile des Fahrwerks, wo allerdings noch individuelle Modifizierungen möglich sind. Dass die Elektromobilität in Deutschland nur langsam Fahrt aufnimmt, liefert so allenfalls einen Teil der Erklärung für die Lage von Ford.

Wie beurteilen Automobilexperten die Einschnitte bei Ford?

Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer ist der aktuelle Stellenabbau keine Überraschung. „Ich habe das so erwartet“, erklärte er der Rundschau. Und er befürchtet, dass das noch nicht das Ende sein könnte. „Sie werden nicht aufhören, kleiner zu werden.“ Permanente Restrukturierungen, die Ford seit 30 Jahren betreibe, hätten nicht geholfen. Dudenhöffer vergleicht die Entwicklung mit der „Reise nach Jerusalem“. Am Ende fehle immer ein Stuhl.

Warum kommt die E-Mobilität in Deutschland nicht wirklich voran?

Dudenhöffer sieht im Bereich der E-Mobilität bezogen auf Ford verschiedene Probleme: Man sei zu spät eingestiegen, das Geld reiche nicht aus, man sei nicht konkurrenzfähig. Ford habe außerdem mit den „amerikanischen“ Modellen wie dem „Mustang Mach-E“ auf die falsche Karte gesetzt.

Wie steht aus Investmentsicht die Automobilbranche in Deutschland da?

Moritz Kronenberger, Fondsmanager und Autoexperte bei Union Investment, sieht die Lage kritisch: „Wettbewerber aus China gewinnen sowohl in China als auch global Marktanteile.“ Zusätzlich verkauften sich Elektroautos schleppend und gar rückläufig zum vergangenen Jahr. Somit seien Unterauslastungen der Werke die Folge, die folglich ineffizient gesteuert werden und auf der Marge lasten. Mittelfristig ist für deutsche Automobilhersteller nicht mit Wachstum zu rechnen, so dass die aktuellen Kapazitäten, wie bei Ford gerade sichtbar, die Nachfrage übersteigen.

Welche Perspektive hat Ford am Standort Deutschland?

Für Dudenhöffer ist die einzige Lösung für Ford, das Pkw-Geschäft zu verkaufen oder mit anderen Autobauern zusammen zu gehen, wie es Peugeot und Citroen mit Opel und Fiat getan haben und zu Stellantis wurden. Das sei inzwischen ein wichtiger euopäischer Player im Kleinwagenbereich. Aus Dudenhöffers Sicht böte sich für ein solches Zusammenlegen die Marke Renault an.

Was muss geschehen, um die deutsche Automobilbranche zu retten?

Kronenberg er ist der Ansicht, dass die vorhandenen Produktionskapazitäten ans Nachfrageniveau angepasst werden müssten. Anschließend könne bei guter Auslastung der Werke Elektromobilität weitestgehend profitabel angeboten werden. „Hierzu wären steuerliche Förderungen sinnvoll, um die Nachfrage anzukurbeln.“ Auch müsste in die Produktsubstanz investiert werden. „Insbesondere die Abhängigkeit von China in Bezug auf die Lieferung von Batterien könnte noch zum Problem werden.“ Eine gewisse Eigenständigkeit von Seiten der EU würde hier Abhilfe schaffen. Und letztlich hake es bei der Software. Kronenberger: „Gegenüber dem Wettbewerb aus China wirken die deutschen Elektroautos oftmals alt, langsam und wenig modern. Das sollte sich zeitnah ändern.“ Dudenhöffer sieht den Standort Deutschland gefährdet. Der Industriesektor leide unter zu hohen Kostenstrukturen, Unternehmenssteuern und Energiekosten und unter einer maroden Verkehrsinfrastruktur.

Welche Probleme haben die deutschen Zulieferer in der Autokrise?

Der Rückgang der abgesetzten Volumen durch die deutschen Autobauer trifft die Zulieferer hart, analysiert Fondsmanager Kronenberger. Das Netzwerk mit chinesischen Autobauern werde gerade erst aufgebaut. Somit sei jeder Rückgang auch für die Zulieferer schmerzhaft. Etwaige Gewinne bei neuen chinesischen Modellen könnten hier zwar kurzfristig helfen, so Kronenberg, langfristig lebe die Branche aber ebenfalls von Wachstum. Eine Anpassung der Kapazitäten an die neue Realität könnte von Nöten sein und ist zum Teil bereits im Gange.

Wie kann sich der Autostandort Deutschland wappnen?

Die deutsche Automobilindustrie sollte sich auf ihre Stärken besinnen, empfiehlt Kronenberger. Vorteilhaft wären ein Plattformsharing im Massenmarkt bei guter Werksauslastung sowie die Produktion von Premiumfahrzeugen, die durch Premiumassistenzsysteme mit immer neuen Innovationen ausgestattet werden. BMW und Mercedes seien hier mit Level 3 autonomem Fahren in S-Klasse und 7er BMW bereits gut unterwegs und müssen es nun schaffen, die Technologie in günstigere und kleinere Modelle einzubauen.

Wie reagiert der 1. FC Kölnauf den Abbau der Stellen bei seinem Sponsor?

Der aktuelle Vertrag zwischen dem Exklusivpartner Ford und dem 1. FC Köln läuft nur noch bis 2025. Neben der Bereitstellung von Dienstwagen umfasst das Sponsoring eine jährliche finanzielle Förderung in Höhe von geschätzt rund einer Million Euro. Die beiden Kölner Institutionen feiern in diesem Jahr das 30-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft. Auf Anfrage der Rundschau wollte sich der FC am Mittwoch nicht zu der Frage äußern, ob bei Ford mit Folgen für die zukünftige Zusammenarbeit zu rechnen ist. Nach Informationen dieser Zeitung laufen im Hintergrund Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung. (mit tca)


Immer neue Sparrunden

Seit Jahren kürzt Ford Stellen in Europa. Das Werk im belgischen Genk mit 4700 Mitarbeitenden wurde 2012 geschlossen, das letzte britische Montagewerk in Southampton etwa 2013. Ford hatte 2018 in Europa noch 23 Werke. In den eigenen und voll konsolidierten Werken arbeiteten 51.000 Menschen. Geschlossen wurden dann sechs Werke in Russland, Großbritannien und Frankreich in einer Konsolidierungswelle ab 2019. 12.000 Stellen in Europa fielen weg, darunter gut 5400 in Deutschland. Im Februar 2019 arbeiteten für Ford noch 34.000 Mitarbeitende in Europa.

2023 gab es die nächsten Einschnitte. Jobs fielen etwa im englischen Entwicklungszentrum Dunton weg. 2300 Stellen sollen bis Ende 2025 in Köln entfallen: 1700 von damals 3900 im Entwicklungszentrum und 600 von 3400 in der Verwaltung. Der Abbau läuft noch. Er soll bis Ende 2025 abgeschlossen sein. Und im November des kommenden Jahres wird das Werk in Saarlouis geschlossen, in dem jetzt der Focus gebaut wird. (raz)