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„Wir fallen immer tiefer“Wie Mitarbeitende auf die Hiobsbotschaft bei Ford reagieren

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Betroffene Gesichter: David Lüttke, Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Ford in Köln, Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, und Markus Thal, Vorsitzender des Betriebsrates Ford Saarlouis (v.l.).

Betroffene Gesichter: David Lüttke, Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Ford in Köln, Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates, und Markus Thal, Vorsitzender des Betriebsrates Ford Saarlouis (v.l.).

Mitarbeitende bei Ford in Köln beklagen sich über fehlende Kommunikation und Rücksichtslosigkeit der Geschäftsführung bezüglich angedrohter umfangreicher Stellenstreichungen.

Hikmet Karacay fühlt sich hintergangen. „Ich habe aus der Presse erfahren, dass ich möglicherweise arbeitslos werde. Das ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten“, zürnt der 31-Jährige am Tag, an dem der Autobauer Ford mit der angekündigten Streichung von 2900 Stellen in seinem Kölner Werk für Schockstarre in der Belegschaft sorgt. Der Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement, seit 2013 im Unternehmen, schimpft über eine „Rücksichtslosigkeit, die uns angetan wurde“ und eine „Angriffserklärung der Geschäftsführung“, die er so nicht stehen lassen will: „Wir werden alles, was in unserer Hand liegt, dafür tun, um der Geschäftsführung die nötige Antwort zu geben.“

Die Ford-Mitarbeiter (v.l.) Atilla Ber, Desiree Merkens und Hikmet Karacay.

Blicken in eine ungewisse Zukunft: Die Ford-Mitarbeiter (v.l.) Atilla Ber, Desiree Merkens und Hikmet Karacay.

Der personelle Kahlschlag beim Kölner Ford-Werk macht Karacay „sprachlos“. Er blickt zurück: „Angefangen hat alles 2020 mit der Corona-Pandemie. Da gab es eine Zeit mit Lieferengpässen und Kurzarbeit. Man denkt, tiefer geht es nicht mehr. Aber wir fallen immer tiefer. Woche für Woche.“

Kahlschlag bei Ford: Nachricht verbreitet sich schnell

Kaum war die Hiobsbotschaft nach draußen gedrungen, hatte Atilla Ber (48) seine Frau am Telefon. „Die Nachricht hat sich so schnell verbreitet. Meine Frau hat mich direkt angerufen. Wir machen uns als Familie große Sorgen“, sagt der zweifache Vater, der bei Ford in der Produktionsabteilung sein Geld verdient. Den Wegfall mehrerer tausend Stellen bezeichnet Ber als „harten Schlag für uns alle“. Die Ungewissheit belaste ihn und seine Familie sehr. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt.“

Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Ford Werke GmbH / Köln, sitzt bei einer Pressekonferenz des Gesamtbetriebsrates und der IG Metall Köln-Leverkusen auf dem Werksgelände Ford-Werke in Köln-Niehl.

Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates Ford Werke GmbH / Köln, sitzt bei einer Pressekonferenz des Gesamtbetriebsrates und der IG Metall Köln-Leverkusen auf dem Werksgelände Ford-Werke in Köln-Niehl.

Auch Ber wurde von der Nachricht völlig kalt erwischt. „Damit haben wir nicht gerechnet – erst recht nicht, nachdem erst in der vergangenen Woche Kurzarbeit angekündigt worden ist. Wir haben uns bis zuletzt Hoffnung auf Besserung gemacht.“ Und nun auch noch das. Die Stimmung in der Belegschaft sei „sehr schlecht“, es gebe „viele Bedenken“. Wie es überhaupt dazu kommen konnte? Ber spricht von einer langen Liste an Faktoren: „Hohe Energiekosten, fehlende politische Förderung, Steuern.“

Auch Desiree Merkens macht der umfangreiche Stellenabbau „sprachlos“: „Ehrlicherweise weiß ich gerade nicht, wo unser Weg hinführen soll“, sagt die 29-Jährige, die ebenfalls nicht gut auf die Chefetage zu sprechen ist: „Ich finde, das ist nicht der richtige Weg, den die Geschäftsführung gewählt hat, allein schon, was den Informationsfluss zur Belegschaft betrifft.“

Krise bei Ford als Folge von Fehlplanung

Die immer tiefere Krise von Ford wertet die Produktionsmitarbeiterin als Folge einer „Fehlplanung“. Ausbaden müssten es wie so häufig die Mitarbeiter. „Wir haben so viel eingesteckt. Wir haben den Fiesta abgegeben, weil das E-Auto kommt. Wir haben Kurzarbeit gefahren. Wir sind bereit zu arbeiten und wollen produzieren – und haben es die ganze Zeit auch getan. Und jetzt wieder dieser Tiefschlag“, klagt Merkens, die das Unheil in diesem Ausmaß nicht hat kommen sehen: „Und dann wird so eine Nachricht rausgehauen.“

Die Stimmung unter den Mitarbeitern sei „super ins Negative“ abgerutscht. „Das wird sich auch nicht mehr zum Positiven hinwenden.“ Merkens hat „große Sorgen, die nehme ich mit nach Hause. Auch, weil mein Verlobter ebenfalls bei Ford ist. Wir haben nun doppelt große Sorgen zu Hause.“ Merkens' Blick geht ins Ungewisse: „Man macht sich Gedanken: Wie soll es weitergehen?“ Von Vorfreude auf die Weihnachtszeit könne nun keine Rede mehr sein. „Es gibt für so etwas nie den perfekten Zeitpunkt. Aber kurz vor dem Weihnachtsfest ist es nochmal schlimmer.“