Bei Ford in Köln droht der Verlust jeder vierten Stelle. Durch einen Sozialtarifvertrag wollen die Arbeitnehmervertreter Abfindungen für die absichern, die das Werk verlasen.
Kölner Ford-WerkeIG Metall verlangt bei Ford hohe Abfindungen bei Jobverlust

Die Kölner E-Autos Explorer und Capri stehen auf dem Werksgelände der Ford-Werke in Köln-Niehl. Die Modelle verkaufe sich nicht so wie erhofft.
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Die Forderung der IG Metall ist knackig. In Sozialtarifverhandlungen anlässlich des von Ford geplanten Abbau von 2900 Stellen bis Ende 2027 allein in Köln verlangt sie etwa bei Abfindungen für das Ausscheiden aus dem Unternehmen einen Sockel von 200.000 Euro. Weitere Komponenten können die Summe vervielfachen. Da sind etwa ein Drittel des Bruttojahresentgelts für jedes Beschäftigungsjahr, 10.000 Euro für jedes Kind oder Zahlungen entsprechend dem Grad der Behinderungen.
8000 Mitarbeitende bei Betriebsversammlungen
Am Montag hat die IG Metall die Forderung beschlossen, gestern wurden sie der Geschäftsleitung übermittelt. Und heute wurden die Mitarbeitenden in drei Betriebsversammlungen unter freiem Himmel am Kreisel mitten im Ford-Werk in Niehl informiert. Den Anfang machte eine Versammlung von etwa 5000 Mitarbeitenden in Niehl um 9.30 Uhr. Da sprachen IG Metall-Chefin Kerstin Klein, die auch die Sozialtarifverhandlungen führen wird, Betriebsratschef Benjamin Gruschka und Vertrauenskörperleiter David Lüdtke. Am Mittag wurden die Mitarbeitenden des Ersatzteilzentrums in Köln-Merkenich informiert, um 16 Uhr die Mitarbeitende der Spätschicht. Lüdtke rechnet insgesamt mit mehr als 8000 Teilnehmenden an den Versammlungen.
„Es geht um einen zweiten Verhandlungsweg, in dem wir mehr Druck ausüben können“, sagte Gruschka. Dafür hätten die Mitarbeitenden hohes Verständnis: „Die Kolleginnen und Kollegen stehen geschlossen hinter uns.“
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IG Metall kündigt Warnstreiks an
Verhandelt wird ab Donnerstag. „Am 18 März hat die betriebliche Tarifkommission die Forderung der durch die Kündigung der Patronatserklärung verschärften Situation angepasst und beschlossen“, sagte Klein. Die Patronatserklärung ist eine Garantie, mit der die US-Muttergesellschaft für die Verbindlichkeiten der deutschen Tochter einstand und damit Schutz vor Insolvenz bot. Termine für Sozialtarifverhandlungen für die nächsten drei Wochen sind bereits vereinbart. „Wir werden diese auch bald mit Warnstreiks begleiten. Das Unternehmen soll sehen, wie ernst wir in diese Auseinandersetzung gehen“, so Klein.
Es gibt drei Stränge bei der Forderung. Einer regelt die Abfindungen bei Ausscheiden aus dem Unternehmen, der zweite Abfindungen für die, die die Stelle wechseln. Der dritte Strang ist für die, die bleiben. Sie sollen einen Anspruch auf das Gesamtpaket bekommen – und zwar bis 2033. Betriebsrat und IG Metall geht es um ein Sicherheitsnetz für alle Mitarbeitenden. Sie sind eigentlich durch eine Betriebsvereinbarung bis Ende 2032 vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt. Dieser Schutz würde aber im Falle einer Insolvenz entfallen, so die Arbeitnehmervertreter.
Sicherheitsnetz für die Mitarbeitenden als Ziel
Das Sicherheitsnetz müsse auch für die gelten, die von der aktuellen Restrukturierung nicht betroffen sind. „Unsere Kolleginnen und Kollegen im Ersatzteilzentrum sind ebenso verunsichert, ob ihre Arbeitsplätze bis Ende 2032 vor dem Hintergrund einer möglichen Insolvenz noch vorhanden sein werden“, sagte Hans Koch, IG Metall-Vertrauenskörperleiter im Ersatzteilzentrum.
Die Forderung geht deutlich über das Volumen hinaus, das für die Mitarbeitenden in Saarlouis vereinbart worden war, wo im November die Focus-Fertigung endet. Im Schnitt bekamen die Mitarbeitenden laut Betriebsrat hier Abfindungen von etwa 220.000 Euro. In Saarlouis gab es allerdings auch keine vergleichbar lange Beschäftigungssicherung.
Ford soll in sichere Arbeitsplätze investieren und nicht in Abfindungen.
Klein selbst nannte die Forderung für Köln extrem hoch. Sie sei auch kaum erreichbar. „Da wir aber keine Mitbestimmung in den wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens haben und nun vor der Aufgabe stehen, ein komplexes Gesamtpaket für alle unsere Mitglieder zu erreichen, ist das unser einziges Mittel, hier in Verhandlungen auf Augenhöhe zu kommen“, so Klein.
Die Forderung sei taktisch, ergänzten Gruschka und Lüdtke. Ziel sei, dass die Arbeitgeberseite in sichere Arbeitsplätze investiere und nicht in Abfindungen. Man kämpfe weiter für ein solides Zukunftskonzept zur Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze.
Ford leidet unter der Flaute der E-Autos
Ford will nach einer Ankündigung vom November in Europa 4000 Stellen streichen. 2900 davon in Köln. Das wäre angesichts von rund 12.000 Mitarbeitenden etwa jede vierte Stelle.
Der Autobauer leidet massiv unter der Flaute der E-Mobilität und eigenen Fehlern. Ford will die Marke höher positionieren und setzt auf größere und teurere Autos, die auch noch amerikanischer in der Anmutung daherkommen sollen. Die neuen Kölner E-Autos Explorer und Capri auf Basis einer VW-Plattform verkaufen sich aber nicht so wie erhofft.
Explorer und Capri verkaufen sich schlechter als geplant
Bis Ende Dezember wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt 2426 Explorer, der seit Herbst verkauft wird, in Deutschland neu zugelassen. Und vom Capri kamen 440 Wagen als Eigenzulassungen auf die Straßen. Seit dem Verkaufsstart des Capri im Januar kamen weitere 279 Autos des Modells sowie 799 Explorer in den ersten beiden Monaten des Jahres neu auf die Straßen. Zahlen für Europa nennt Ford nicht. Die dürften ungefähr fünfmal so hoch sein, da eine Exportquote um die 80 Prozent für die Ford-Werke üblich ist. Gefertigt könnten aber weit mehr Autos. Auch noch nachdem die Tagesbaurate im laufenden Jahr von 630 auf 480 Autos gesenkt wurde.
Schon Mitte November schon hatte Ford Kurzarbeit angekündigt. Bis zu den Weihnachtsferien wurde nur jede zweite Woche gearbeitet. Im laufenden Jahr ruht bis Ende April an insgesamt 40 Tagen die Arbeit.