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Hohe VerschuldungFord USA bürgt nicht mehr für die Kölner Ford-Werke

Lesezeit 6 Minuten
Von Köln aus steuert Ford das Geschäft in Deutschland und Europa. Außerdem werden hier der Explorer und der Capri montiert.

Von Köln aus steuert Ford das Geschäft in Deutschland und Europa. Außerdem werden hier der Explorer und der Capri montiert.

Das Ford-Management in den USA erhöht den Druck auf die Kölner Werke. Es gibt Milliarden, aber der Konzern bürgt nicht mehr für die deutsche Tochter.  

Der Ford-Konzern entschuldet die Kölner Ford-Werke teilweise und stellt weiteres Geld für den Umbau des Europageschäfts zur Verfügung. Dafür entfällt aber eine sogenannte Patronatserklärung, wie Ford am Montagmorgen mitteilte. Mit dieser bürgt die Konzernmutter bislang für ihre Kölner Tochtergesellschaft. Gewerkschafter warnen, durch die Entscheidung werde der Schutz vor einer Insolvenz aufgegeben. Sie sehen jetzt den gesamten Kölner Standort in Gefahr. Dagegen betont die US-Mutter, der Schritt solle die Transformation des Europa-Geschäfts unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig steigern.

4,4 Milliarden für die Schuldenreduzierung

Die neue Finanzierung von bis zu 4,4 Milliarden Euro umfasst eine Kapitaleinlage, um die Schulden der Ford-Werke zu reduzieren. Zusätzlich werden Mittel für einen mehrjährigen Businessplan bereitgestellt, der darauf abzielt, die laufenden Restrukturierungsbemühungen zu unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Das sollen zum Start mehrere 100 Millionen Euro sein, die dann aber über drei bis vier Jahre abgesenkt werden, heißt es im Unternehmen. Dieser Schritt ersetze die 2006 ausgestellte Patronatserklärung der Ford Motor Company.

Eine solche Garantie habe „keine andere Ford-Tochterfirma“ gehabt, sagte Ford-Deutschlandchef Marcus Wassenberg. Er betonte: „Der Wegfall der Patronatserklärung ist ein Schritt zurück zur Normalität und keineswegs Ausdruck von mangelndem Ford-Engagement in Europa - ganz im Gegenteil: Die mehreren Hundert Millionen Euro für den neuen Businessplan zeigen, dass die US-Zentrale weiterhin an den Erfolg in Deutschland und Europa glaubt.“

Keine Patronatserklärung mehr als Sicherheit

Eine Patronatserklärung ist eine Garantie. Sie wird etwa von Unternehmen für Tochtergesellschaften abgegeben, um deren Kreditwürdigkeit zu erhöhen. Ohne diesen seit 19 Jahren bestehenden Schutzschirm könnten den Kölner Ford-Werken künftig schlechtere Konditionen für Darlehen drohen. „Mit diesem Schritt wird Ford Köln in Zukunft komplett auf eigenes Risiko wirtschaften“, sagte Erik Bethkenhagen, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), der Rundschau. „Ob das nun die Vorboten eines Rückzugs sind, ist spekulativ, auf jeden Fall segelt man fortan hart am Wind.“

Betriebsratschef Benjamin Gruschka nannte den Verzicht auf diese Garantie erschreckend. „Das ist die Atombombe für die Belegschaft, die Rücknahme des Insolvenzschutzes sorgt hier für große Verunsicherung“, so Gruschka weiter. Die IG Metall Köln-Leverkusen sprach von einem „ganz dreckigen Griff in die Trickkiste“. Ohne die Patronatserklärung sei eine Insolvenz der Ford-Werke möglich. So solle „auf mieseste Art und Weise Druck auf den Betriebsrat aufgebaut werden, um der geplanten Betriebsänderung zuzustimmen“.

Die Gewerkschafter argwöhnen: Ford wolle 2900 Stellen in Köln abbauen,  komme aber aus dem bis Ende 2032 vereinbarten Kündigungsschutz nicht heraus. Mit der Drohkulisse einer nun möglichen Insolvenz - bei der die Mitarbeitenden ohne Abfindung entlassen werden können - sei es für das Management einfacher, den Stellenabbau durchzusetzen.

Die IG Metall erklärte: „Betriebsrat und IG Metall haben klar signalisiert: Ohne ein Zukunftskonzept für den Standort lassen wir auch nicht über einen weiteren Personalabbau mit uns reden.“ Man werde „für ein faires Sicherheitsnetz für die gesamte Belegschaft kämpfen – denn spätestens jetzt ist klar, der gesamte Standort ist in akuter Gefahr!“

Ford-Werke haben hohe Verluste angehäuft

Ford nennt die Kölner Ford-Werke „technisch überschuldet“. Überschuldung ist etwa im Insolvenzrecht definiert. Sie liegt nach § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt“. Eine Überschuldung zeigt sich spätestens in der Bilanz des Unternehmens und ist ein möglicher Insolvenzgrund. Zwingend ist eine Insolvenz allerdings bei Überschuldung nicht, etwa wenn es eine positive Fortführungsperspektive gibt. Und bei Ford wurde die Überschuldung laut Unternehmensangaben durch eine Patronatserklärung der Ford Motor Company geheilt. So konnte das Unternehmen etwa weitere Kredite erhalten.

Die Ford-Werke haben über Jahre hohe Verluste angehäuft. Was das für die Bilanz bedeutet, ist nicht abzuschätzen. Die Ford Motor Company teilt noch nicht einmal mehr Werte für Ford in Europa mit, sondern berichtet nur noch über die Segmente Verbrenner und E-Autos. Das letzte im Bundesanzeiger veröffentlichte Zahlenwerk ist für 2023. Da ergab sich für die Ford-Werke ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 126,0 Millionen Euro. Die Verbindlichkeiten erhöhten sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 514 Millionen auf 7,58 Milliarden Euro. In der Bilanz stand ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 9,0 Milliarden Euro.

Ford will Kosten senken

„Um langfristig in Europa erfolgreich zu sein, müssen wir auch weiterhin unsere Strukturen vereinfachen, Kosten senken und die Effizienz steigern“, sagte John Lawler, stellvertretender Vorsitzender der Ford Motor Company.

Ford hat zuletzt erneut Sparpläne aufgelegt, trotz noch laufender Sparrunde bis Ende dieses Jahres. Im Kölner Werk sollen bis 2027 insgesamt 2900 Stellen wegfallen. Insgesamt arbeiten dort derzeit noch rund 11.500 Menschen. Einmal mehr will Ford tief in den Bereich Fahrzeugentwicklung in Köln-Merkenich einschneiden. Weitere 600 Stellen sind hier auf der Kippe. Dabei entfallen hier bereits in der laufenden Sparrunde 1700 von ursprünglich 4000 Stellen. Übrig bleiben würden demnach 2027 nur noch 1700 Entwickler.

Komplette Fahrzeuge für den europäischen Markt lassen sich mit diesem Personal nicht mehr entwickeln und designen. Und wohl auch keine E-Plattform etwa für kleine Autos, die Ford nach Experten-Meinung dringend braucht. Ford verlagert offenbar weitere Entwicklungskompetenz in die USA, wo Kleinwagen eher weniger gefragt sind.

E-Autos verkaufen sich schlechter als erwartet

Die Ford-Werke stellen in Köln die Pkw Explorer und Capri sowie in Saarlouis noch bis November 2025 den Focus her. Andere Modelle werden in europäischen Werken in Spanien (Kuga) und Rumänien (Puma und Courier) gefertigt, leichte Nutzfahrzeuge kommen aus der Türkei. Während das Geschäft mit Nutzfahrzeugen gut läuft, schwächelt das Pkw-Geschäft. Die Kölner E-Autos Explorer und Capri verkaufen sich deutlich schlechter als erhofft. Deshalb gibt es in Köln Kurzarbeit. In diesem Jahr wurde außerdem die Tagesbaurate von 630 auf 480 Fahrzeuge reduziert. Diese werden im Zwei-Schicht-Betrieb gefertigt. 

„Ford bekennt sich mit der Finanzierung klar zu seinem europäischen Geschäft. Gleichzeitig ist es unerlässlich, dass alle Beteiligten – Industrie, politische Entscheidungsträger, Gewerkschaften und Sozialpartner – zusammenarbeiten, um die Zukunft der europäischen Automobilindustrie zu sichern“, erklärte John Lawler, Vize-Chef der Ford Motor Company. „Insbesondere brauchen wir eine klare politische Agenda in Europa, die die Akzeptanz von Elektroautos fördert und die Verbrauchernachfrage mit den europäischen Emissionszielen in Einklang bringt.“

Reaktionen auf die Entscheidung aus den USA

Am Samstag, 15. März, plant die IG Metall ab 11.55 Uhr einen Aktionstag auf der Deutzer Werft. Wer sich mit der Kölner Ford-Belegschaft solidarisch zeigen möchte, ist herzlich eingeladen, mit Familie und Freunden teilzunehmen.

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte der Rundschau: „Ich hoffe, dass sich Betriebsrat und Betriebsleitung auf einen gemeinsamen Weg verständigen können, mit dem Ziel, eine langfristige Perspektive für den Standort Köln und damit für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erreichen.“ Kölns DGB-Chef Witich Roßmann sagte: „Das abrupte Aus für die Förderung der Elektro-Mobilität war ein Schlag, der Ford in Köln besonders getroffen hat, weil man dort voll auf E-Mobilität gesetzt hat. Es ist wichtig, dass die künftige Bundesregierung bald wieder E-Autos fördern wird. Davon hängt auch das Schicksal der Kölner Ford-Werke ab.“