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Erdöl-Zeitalter endetWas Shell in Wesseling nun plant

Lesezeit 5 Minuten
Das Shell-Werk Wesseling der Rheinland Raffinerie aus westlicher Sicht (Archivbild).

Das Shell-Werk Wesseling der Rheinland Raffinerie aus westlicher Sicht (Archivbild).

Beim Werksteil Wesseling von Shell endet demnächst das Erdölzeitalter. Wo heute noch Rohöl destilliert wird, wird in Zukunft Öl verarbeitet und dadurch deutlich weniger CO2 ausgestoßen sowie Wasserstoff hergestellt. 

Noch ist die Raffinerie von Shell an den Standorten Köln-Godorf und Wesseling die größte der Republik. 3000 Mitarbeitende, die Hälfte davon direkt bei Shell angestellt, sorgen für die Produktion von zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Diesel- und Ottokraftstoffs, rund 15 Prozent des benötigten Kerosins sowie für Produkte der chemischen Industrie. Die Raffinerie hat eine Kapazität von rund 17 Millionen Tonnen im Jahr, 7,5 Millionen davon entfallen auf den Werksteil Wesseling. Noch. Denn in wenigen Tagen wird hier die Destillation beendet – ein Meilenstein in dem bereits im Februar 2021 angekündigten Umbau des Standorts.

Was ist das Ziel von Shell?

Shell will bis 2050 klimaneutral sein. Netto-Null-CO2-Emissionen aus der Geschäftstätigkeit von Shell als Ziel gilt dabei auch für die von Shell verkauften Energieprodukte. Eingeschlossen sind auch die, die von Dritten hergestellt werden. Dieser Teil macht über 90 Prozent der von Shell gemeldeten Gesamt-CO2-Emissionen aus. Derzeit ist Shell für etwa ein Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich, Shell-Produkte bei Kunden wie etwa Treibstoff sorgen für weitere neun Prozent. Auf dem Weg zu dem Ziel will Shell den CO2- Ausstoß bis 2030 um 50 Prozent bis 2030 reduzieren im Vergleich zu 2016.

Einiges soll dabei auf das Konto von Prozessverbesserungen und der Nutzung von umweltschonenderen Technologien gehen. Die hat das Unternehmen auch in der Vergangenheit bereits genutzt und den CO2- Ausstoß von fünf Millionen Tonnen im Jahr 2005 um etwa 30 Prozent reduziert.

Gibt es in Zukunft noch Produkte aus Erdöl von Shell?

Das Ende des Erdölzeitalters kommt zumindest nicht so bald. Zum einen wird Rohöl im Betriebsteil Godorf weiter zu Treibstoffen verarbeitet. Das geschieht auch in anderen der ursprünglich weltweit 13 Raffinerien. Vier davon, darunter Wesseling, werden zu Chemieparks. Dabei hat die Stilllegung von Raffinerien nicht nur Umweltgründe. Der Kraftstoffverbrauch sinkt.

Für Deutschland rechnet der Energiehändler ED etwa mit einem Sinken des Inlandsverbrauchs von Mineralölprodukten bis 2030 um rund 20 Prozent. Da müssen auch Raffineriekapazitäten aus dem Markt genommen werden. Wie das gehen kann, will Shell in Wesseling als Vorreiter demonstrieren. Dabei ist der neue Name für das Werksgelände in Wesseling und Godorf Programm: Energy and Chemicals Park Rheinland.

Was soll aus dem Werksteil Wesseling werden?

Wesseling soll Plattform für nachhaltige Wertschöpfungsketten werden basierend vor allem auf regenerativem Strom, Biomasse und zirkulären Rohstoffen. Rohöl soll dort immer weniger verarbeitet werden, vor allem für Produkte, die nicht verbrannt werden. Stattdessen soll Wasserstoff eine immer größere Rolle spielen.

Welche Projekte sind bereits auf die Schiene gesetzt?

Im Bau ist ein 100-Megawatt-Elektrolyseur, der 2027 fertig sein soll. Er arbeitet wie eine Zehn-Megawatt-Anlage, die 2021 in Betrieb gegangen ist. In beiden Anlagen wird Wasserstoff mit erneuerbarer Energie aus Wasser statt aus Erdgas hergestellt. Gebraucht wird er etwa zur Entschwefelung von Rohöl oder Erdgas. Die beiden Anlagen können rund zehn Prozent des Wasserstoffbedarfs des Standorts produzieren.

„Einen hohen dreistelligen Millionenbetrag“ investiert Shell in einen sogenannten Hydrocracker in der Mitte des Werksteils. Die Anlage ist im Bau, Mitte Februar wurden Transformatoren und sogenannte Kolonnen angeliefert – hohle Stahlsäulen von 37 und 54 Metern Höhe, die die Silhouette des Werksteils prägen werden. Ab 2028 sollen hier hochwertige Grundöle hergestellt werden. Die Grundöle können als Schmierstoffe, als Kühlflüssigkeit, sowie in der Pharma- und Kosmetikindustrie zum Einsatz kommen. Angestrebt von Shell ist eine Jahreskapazität von 300.000 Tonnen. Dies entspricht etwa neun Prozent des EU- oder 40 Prozent des deutschen Bedarfs. Die Anlage bekommt einen innovativen Elektroheizer, der mit Strom aus erneuerbarer Energie betrieben wird statt mit Erdgas wie bisher.

Unter anderem dank dieses E-Heaters, aber auch durch die Einstellung der Rohölverarbeitung zu Kraftstoffen sowie durch Stilllegung bestehender und Nutzung neu gebauter und umgebauter Anlagen sinken dank dieses Projekts die CO2-Emissionen am Standort Rheinland um prognostiziert jährlich rund 620 .000 Tonnen, hatte Shell im August auf Anfrage mitgeteilt.

Was passiert mit dem Werksteil Godorf?

Die Rohöldestillationen in Godorf bleiben in Betrieb, werden aber wohl nicht mehr ausgebaut. Der Shell-Verbund in Nord-West-Europa mit dem Zwillingsstandort zum Rheinland in den Niederlanden soll für die sichere Versorgung mit Kraftstoffen und anderen Mineralölprodukten in den kommenden Jahren sorgen. Weniger CO2 soll freigesetzt werden durch Optimierung der Anlagen, etwa durch zunehmende Elektrifizierung und durch den Einsatz von biogenen und zirkulären Rohstoffen, so das Unternehmen. Auch hier geht es also weg vom Rohöl. Neu in dem Werksteil ist eine im April eingeweihte Verflüssigungsanlage für sogenanntes Bio-LNG. Sie kann pro Jahr 100.000 Tonnen Flüssiggas herstellen, das durch Kühlen auf minus 162 Grad entsteht. Für den Grundstoff Bio-Methan sorgen Gülle und Mais, den eine Shell-Tochter in Dänemark herstellt und ins Gasnetz einspeist.

In Köln entnimmt Shell Gas aus dem Netz, verflüssigt es, bereitet es auf und befüllt damit drei 50 Meter lange Tanks mit einem Durchmesser von sechs Metern. Damit können 4000 bis 5000 Langstrecken-Lkw versorgt werden und jährlich eine Million Tonnen CO2 eingespart werden.

Welche Folgen hat der Umbau für die Mitarbeitende?

Zu konkreten Auswirkungen des Umbaus auf die Mitarbeitenden machte Shell zuletzt keine Angaben mehr. Die Transformation solle dazu beitragen, dass Shell bis 2050 zu einem Netto-Null-Emissionen-Unternehmen wird, das wirtschaftlich arbeitet. Würden Veränderungen für die Mitarbeitenden notwendig, würden diese sehr eng mit den zuständigen Gremien abgestimmt. Bei der Ankündigung des Umbaus vor gut drei Jahren hatte Shell den Verlust von „einigen Stellen“ beim Unternehmen nicht ausgeschlossen. Andererseits würden neue Stellen im Campus entstehen, bei Partnern von Shell oder Unternehmen, die sich hier ansiedeln könnten. Betriebsbedingte Kündigungen sollten jedenfalls vermieden werden, so der damalige Standort-Chef.