AboAbonnieren

Werk in WesselingWie Raffinerie-Riese Shell seine Zukunft ohne Erdöl plant

Lesezeit 4 Minuten
Symbol des Umbaus. 50 Meter lang und sechs Meter dick ist der Bio-LNG-Tank, den Kräne ins Werk heben.

Symbol des Umbaus. 50 Meter lang und sechs Meter dick ist der Bio-LNG-Tank, den Kräne ins Werk heben.

Die Raffinerie Shell plant im Rheinland, ihre Mineralölproduktion in Richtung umweltfreundlicher Energien umzustellen und ihre CO2-Emissionen massiv zu reduzieren.

Im Rheinland betreibt Shell die größte Raffinerie Deutschlands. 3000 Menschen arbeiten hier, die Hälfte davon sind bei Shell angestellt. In den Werksteilen in Köln-Godorf und Wesseling werden rund zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Diesel- und Ottokraftstoffes produziert, rund 15 Prozent des hier verbrauchten Kerosins sowie Produkte für die Chemie-Industrie. Noch: Denn der Standort, der jetzt „Energy and Chemicals Park Rheinland“ heißt, wird umgebaut. In Wesseling endet die Rohölverarbeitung im Laufe des Jahres 2025, wie Shell jetzt bestätigte. Doch auch bei der Verarbeitungskapazität von Godorf dürfte es nicht bleiben. Die Nachfrage nach Mineralölprodukten sinkt laut dem aktuellen Energy Outlook des britischen Energiekonzerns BP – zwar nicht so schnell wie nach früheren Prognosen erwartet. Aber sie sinkt.

Die Ausgangslage

In Wesseling hat Shell noch eine Rohölverarbeitungskapazität von acht Millionen Tonnen pro Jahr, in Godorf sind es neun Millionen Tonnen. In beiden Werksteilen summieren sich die CO2-Emissionen noch auf 3,4 Millionen Tonnen. Das sind laut aktuellen Zahlen von Shell immerhin 34 Prozent weniger als die fünf Millionen Tonnen 2005. Einiges geht dabei auf das Konto von Prozessverbesserungen und der Nutzung von umweltschonenderen Technologien.

Die Pläne

Das Unternehmen will CO2-arme und -freie Energieprodukte und Energiedienstleistungen anbieten. In Wesseling reduziert der Umbau den CO2-Ausstoß massiv. Darüber hinaus sollen auch die Emissionen in Godorf sinken, wo Shell bis auf Weiteres jene Energie- und Chemieprodukte herstellt, die heute noch gebraucht werden, etwa Benzin, Diesel oder Flugkraftstoffe. Weniger CO2 soll freigesetzt werden durch Optimierung der Anlagen, etwa durch zunehmende Elektrifizierung und durch den Einsatz von biogenen und zirkulären Rohstoffen, so das Unternehmen.

Die neuen Anlagen

Zuletzt wurde in Godorf gefeiert. Im April wurde dort eine Anlage zur Produktion von Bio-LNG eingeweiht. Das ist verflüssigtes Biomethan, das durch Kühlen auf minus 162 Grad entsteht. Die Anlage ist die größte ihrer Art in Deutschland. Sie kann pro Jahr 100.000 Tonnen Flüssiggas herstellen. Diese Menge reicht laut Shell, um 5000 Langstrecken-Lkw zu versorgen. Durch den Einsatz könnte jährlich eine Million Tonnen CO2 eingespart werden. Für den Grundstoff Bio-Methan sorgen Gülle und Mais, den eine Shell-Tochter Nature-Energy in Dänemark herstellt und ins Gasnetz einspeist. In Köln entnimmt Shell Gas aus dem Netz, verflüssigt es, bereitet es auf und befüllt damit drei 50 Meter lange Tanks mit einem Durchmesser von sechs Metern.

Kurz vor Projektabschluss ist ein modernes Gaskraftwerk in Godorf für die eigene Dampf- und Energieerzeugung. Mit der Umstellung von Schweröl- auf Gasbefeuerung werde sich der CO2-Ausstoß am Standort um jährlich etwa 172.000 Tonnen reduzieren. Zudem sänken die Stickoxid- und Schwefeloxid-Emissionen.

Im Juli hat Shell entschieden, einen 100-Megawatt-Elektrolyseur in Wesseling zu bauen. Er arbeitet wie eine 10-Megawatt-Anlage, die 2021 in Betrieb gegangen ist. In beiden Anlagen wird Wasserstoff mit erneuerbarer Energie aus Wasser statt aus Erdgas hergestellt. Gebraucht wird er etwa zur Entschwefelung von Rohöl oder Erdgas. Die beiden Anlagen können rund zehn Prozent des Wasserstoffbedarfs des Standorts produzieren.

Zwischen 2026 und 2028 beginnt Shell im Werksteil Wesseling damit, hochwertige Grundöle herzustellen. Derzeit ist die Anlage im Bau, die eine angestrebte Jahreskapazität von 300.000 Tonnen hat. Dies entspricht etwa neun des EU-Bedarfs oder 40 Prozent des deutschen Bedarfs. Die Grundöle können als Schmierstoffe, als Kühlflüssigkeit, sowie in der Pharma- und Kosmetikindustrie zum Einsatz kommen.

Die Anlage bekommt einen innovativen Elektroheizer, der mit Strom aus erneuerbarer Energie betrieben wird statt mit Erdgas wie bisher. Unter anderem dank dieses E-Heaters, aber auch durch die Einstellung der Rohölverarbeitung zu Kraftstoffen sowie durch Stilllegung bestehender und Nutzung neu gebauter und umgebauter Anlagen sinken dank dieses Projekts die CO2-Emissionen am Standort Rheinland um prognostiziert jährlich rund 620.000 Tonnen, teilte Shell auf Anfrage mit.

Die Mitarbeitenden

Zu konkreten Auswirkungen des Umbaus auf die Mitarbeitenden machte Shell keine Angaben. Die Transformation solle dazu beitragen, dass Shell bis 2050 zu einem Netto-Null-Emissionen-Unternehmen wird, das wirtschaftlich arbeitet. Würden Veränderungen für die Mitarbeitenden notwendig, würden diese sehr eng mit den zuständigen Gremien abgestimmt.