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Kölner Ford-WerkeAufgeheizte Stimmung bei der Betriebsversammlung

Lesezeit 4 Minuten
Auf dem Asphalt eines Parkplatzes vor den Fordwerken steht "Job Ford?".

Protest gegen geplanten Stellenabbau bei den Kölner Ford-Werken. "Job Ford?" steht auf einem Parkplatz.

Mit Sorgenfalten sind 8000 Ford-Mitarbeitende in Köln am Mittwochmorgen zur Betriebsversammlung gekommen. Nicht nur der drohende Abbau von 2900 Stellen belastet, sondern auch die Aufkündigung der Bürgschaft durch die US-Mutter.  

Acht Mitarbeiter mit einer Maske des Geschäftsführers und Arbeitsdirektors Marcus Wassenberg tragen um 9.45 Uhr einen Sarg mit einer zerbrochen Ford-Pflaume vor die Bühne des Motorenwerks. Sie stellen den Sarg ab und verneigten sich vor Wassenberg. In ihren Augen ist er verantwortlich für den geplanten massiven Stellenabbau, bei dem bis 2027 etwa ein Viertel der derzeit in Köln noch rund 11.500 Jobs zum Opfer fallen könnten.

Mitarbeitende warfen ihm im Verlauf der Versammlung in Beiträgen und Zwischenrufen vor, keine Empathie zu haben. Es wurde gar der Verdacht geäußert, Ford lasse die Deutschland-Tochter gezielt in die Insolvenz laufen, um sich von der Beschäftigungsgarantie bis Ende 2032, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, befreien zu können.

So eine laute Versammlung habe ich noch nicht erlebt.
Ein langjähriger Ford-Mitarbeiter

Die Mitarbeitenden zeigen sich geschockt von Ankündigungen des Ford-Konzerns vom Montag. Danach gibt es eine Kapitalzufuhr für die deutsche Tochter, im Gegenzug entfallen aber die Garantien der US-Mutter. Es war an Wassenberg, die Pläne des Managements zu erläutern. Bevor er dazu kam, musste er sich, so berichten Teilnehmende, zehn Minuten lang die Unmutsbekundungen der Mitarbeitenden anhören. Betriebsratschef Benjamin Gruschka musste um Ruhe bitten, damit Wassenberg überhaupt Gehör fand.

„So eine laute Versammlung habe ich noch nicht erlebt“, sagte ein langgedienter Mitarbeiter. Allenfalls in Saarlouis war es lauter, als es um die Schließung des Standortes und einen Sozialplan ging, erinnern sich Gruschka und Köln IG Metall-Chefin Kerstin Klein. In Saarlouis läuft im November die Fertigung des Kompaktwagens Focus aus.

4,4 Milliarden Euro zur Schuldenreduzierung

Die Ford Motor Company stellt 4,4 Milliarden Euro zur teilweisen Entschuldung der Kölner Ford-Werke zur Verfügung sowie weitere Mittel in dreistelliger Millionenhöhe für die nächsten vier Jahre für den aktuellen Geschäftsplan. Die Kapitalspritze beendet die Überschuldung der Deutschland-Tochter. Folgenlos blieb diese bislang wegen einer Bürgschaft – eine sogenannte Patronatserklärung – der US-Mutter. Die entfällt jetzt.

Was das bedeutet, erläuterte Gruschka auf der fast 150 Minuten dauernden Versammlung. Der Insolvenzschutz für die Ford-Werke entfalle, so Gruschka. „Die Kündigung der Patronatserklärung ist unverantwortlich“, sagte der Betriebsratschef. Die Geschäftsführung wolle der Öffentlichkeit und der Belegschaft den Eindruck vermitteln, dass die alten Schulden der deutschen GmbH nun kein relevantes Thema mehr seien.

Gewaltiger Schuldenberg

Dabei ächzen die Ford-Werke unter einem gewaltigen Schuldenberg, wie aus der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz der Ford-Werke zu entnehmen ist. „Die Verbindlichkeiten erhöhten sich insgesamt um 513,7 Millionen Euro auf 7.577,8 Millionen Euro zum 31. Dezember 2023“, ist dort zu lesen – anders ausgedrückt rund 7,58 Milliarden. Auch ohne Gewinnabführungsvertrag, der auch eine Verlustübernahme geregelt hätte, müssen die Ford-Werke auskommen.

Da müssen die Geschäfte also laufen. Dabei verkaufen sich die in Köln gebauten E-Autos nicht so wie erhofft. Das liegt zum Teil an dem schwächelnden Markt für E-Autos, aber auch an Managementfehlern. Mit Explorer und Capri wollte Ford die Marke höher positionieren und ist in Preisdimensionen von Audi oder BMW vorgestoßen. Seit November gibt es Kurzarbeit. 2025 wurde die Tagesbaurate von 630 auf 480 Fahrzeuge reduziert. Und auch bis Mitte April gibt es Kurzarbeit.

Kein Einfluss auf die Unternehmensstrategie

Gruschka forderte vom Management erneut eine klare und nachhaltige Unternehmensstrategie. Ohne die werde es Ford in Deutschland schwerfallen, langfristig stabile Gewinne zu erzielen. Die deutschen Ford-Werke hätten auch keinen Einfluss auf die Unternehmensstrategie, das Produktportfolio oder wichtige Investitionen. Alle unternehmerischen Maßnahmen würden in den USA entschieden. Das aktuelle Geschäftsmodell sowie zahlreiche Fehlentscheidungen des Managements in den USA hätten zur Ansammlung von Schulden in Milliardenhöhe in den Ford-Werken geführt, so Gruschka. Es brauche eine strategische Neuausrichtung der Pkw-Sparte, die die Belange der deutschen Standorte berücksichtigt und an den europäischen Marktbedürfnissen ausgerichtet sei. Es sei fraglich, ob die in Aussicht gestellten Mittel ausreichen.

Weil es Zukunftsplan und Gesamtkonzept mit verbindlichen Zusagen noch nicht gibt, gibt es auch noch keine Gespräche von Arbeitnehmervertretern und Management über einen Abbau von 2900 Stellen in Köln. Von ihr zu führende Sozialplanverhandlungen sind laut Kerstin Klein aber eingeleitet. Zuvor müsse die Gewerkschaft die Forderungen noch beschließen. Die seien angepasst worden nach der Ankündigung vom Montag.

Ford-Mitarbeitende stehen mit Fackeln auf dem Gehweg vor einem Gebäude der Fordwerke, auf dem die Worte "Fuck you - wir bleiben" projiziert wird.

Am Dienstagabend gab es eine Mahnwache vor dem Ersatzteilzentrum in Köln-Merkenich. "Fuck you - wir bleiben" ist auf die Seitenwand des höchsten Gebäudes projiziert.

Die Mitarbeitenden zeigten sich nicht nur auf der Betriebsversammlung bereit für einen Arbeitskampf. Am Vorabend der Versammlung demonstrierten sie das auch durch eine Mahnwache vor dem Ersatzteilzentrum. Rund 70 Teilnehmende aus dem IG Metall-Vertrauenskörper waren mit Fackeln zum höchsten Gebäude im Ersatzteilzentrum gezogen. Hier war unter das Ford-Logo „Fuck you – wir bleiben!“ projiziert worden. „Dafür werden wir kämpfen!“, schallte es aus dem Protestzug vor dem Werkszaun.