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Alle Hoffnung auf Explorer und CapriKölner E-Autos müssen die Beschäftigung im Ford-Werk sichern

Lesezeit 4 Minuten
Ford Elektroautos vom Typ Explorer stehen auf Autotransportern auf dem Werksgelände von Ford.

Vor der Auslieferung: E-Explorer auf einem Transporter. Bis Weihnachten wird an insgesamt drei Wochen nicht in der Fertigung gearbeitet.

Die fortwährende Krise der Autoindustrie gefährdet tausende Arbeitsplätze und beeinflusst die Produktion von Automarken wie Ford und VW.

Die Autobranche ist in Aufruhr: Am Mittwoch sollen die Ford-Mitarbeiter Einzelheiten zu der angekündigten Streichung von 2900 Stellen in Köln erfahren. VW hat die Beschäftigungsgarantie aufgekündigt und denkt über die Schließung von Werken nach. Zuletzt hat Zulieferer Bosch die Streichung von 3800 Jobs in Deutschland angekündigt.

Die Lage der Branche

Zehntausende Arbeitsplätze in der Autoindustrie seien bedroht, warnte der Kreditversicherer Atradius zuletzt. Im Mittel des vergangenen Jahres waren 779.700 Personen bei Herstellern von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeugteilen beschäftigt. Etwas mehr als im Vorjahr, aber auch knapp 54.300 weniger als im Jahr der Hochkonjunktur 2018, so der Verband der Automobilindustrie (VDA).

Die Autowelt im Wandel

Der Schwerpunkt der Autowelt hat sich seit 2000 verschoben. In Europa schrumpft der Markt von etwa 18 Millionen Pkw pro Jahr auf etwa 13 Millionen. Der US-Markt wächst leicht, der Markt in China rasant. Hier liegt das Jahresvolumen bei etwa 23 Millionen Autos.

Auch die Produktion hat sich verschoben. Wurden in China im Jahr 2000 rund 600.000 Pkw gebaut, so waren es 2023 bereits 26 Millionen, so Thomas Puls, Experte für Verkehr und Infrastruktur des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). In einer Studie stellt er heraus, dass sich die deutsche Autoindustrie noch recht gut gehalten hat. In Deutschland sank die Produktion in dem Zeitraum um 19 Prozent. In Frankreich und Italien lagen die Rückgänge um die 50 Prozent.

Puls verweist auf das besondere Geschäftsmodell der deutschen Autobauer. Sie haben in Deutschland für den Weltmarkt produziert, und sie haben das lukrative Premiumsegment dominiert. Doch dieses Geschäftsmodell wankt, und das nicht so sehr durch den Wandel hin zu den E-Autos. Nach China war Deutschland 2023 der größte Produzent von Elektrofahrzeugen, knapp vor den USA, so Puls. Der Technologiewandel hat aber den Herausforderern der etablierten deutschen Marken Chancen eröffnet. In China etwa haben sie laut Puls die deutschen Hersteller mit E-Autos unter Druck gesetzt, die auch auf das Premiumsegment zielen.

Die Lage auf dem Heimatmarkt

Ein harter Schlag für die Branche, die Milliarden in die E-Mobilität gesteckt hat, war das plötzliche Ende der Förderung. Das hat den Absatz der E-Autos in Deutschland im laufenden Jahr um 26,6 Prozent sinken lassen, so der europäische Herstellerverband Acea. Das drückte den europäischen Markt insgesamt in den ersten zehn Monaten des Jahres um 1,7 Prozent. Die Branche beklagt eine massive Verunsicherung der Kunden auch wegen der Diskussionen um eine mögliche langsamere Ablösung der Verbrenner. Das Ergebnis: Sie warten mit dem Autokauf. So liegen auch die Neuzulassungen insgesamt mit 2,35 Millionen leicht unter dem schon wenig berauschenden Vorjahreswert.

Die Rolle der E-Auto-Förderung

Das Ende der Förderung ist jedenfalls nicht allein für die Krise verantwortlich. Die deutschen Autobauer haben zu lange am Verbrenner festgehalten. Vor allem bieten deutsche Hersteller keine günstigen E-Autos an. Der iD 3 von VW rutschte erst durch eine zuletzt erfolgte Preissenkung unter die Marke von 30.000 Euro. Wer es günstiger möchte, muss Importfahrzeuge kaufen.

Die Lage von Ford

Ford ist seit Jahren auf Talfahrt. Permanente Restrukturierungen hätten nicht geholfen, sagt etwa der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der Marktanteil rutschte in Westeuropa, wo Ford einst die stärkste Marke war, auf aktuell noch 3,4 Prozent nach 4,1 Prozent im Vorjahreszeitraum. Nur wenige Monate nach dem Produktionsbeginn der E-Autos Explorer und Capri musste Ford Kurzarbeit anmelden. Die Autoexperten kennen viele Gründe für Fords missliche Lage. Ford sei zu spät in die E-Mobilität eingestiegen und habe mit den „amerikanischen“ Modellen wie dem „Mustang Mach-E“ auf die falsche Karte gesetzt, so Dudenhöffer. Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach sieht die Marke auch durch Stellenstreichungen in den letzten Jahren belastet. Ford ist jetzt in einem höheren Preissegment unterwegs, in dem das Unternehmen auf zahlreiche Wettbewerber trifft.

Der Autoexperte Stefan Reindl von der Hochschule Nürtingen-Geislingen befürchtet, dass Ford im Pkw-Markt in Europa ein Abschied auf Raten droht. Der Autobauer habe loyale Kunden, die jetzt nicht mehr bedient werden. Eingestellt hat Ford die Kleinwagen Ka, Ecosport und Fiesta sowie die größeren C-Max, S-Max, Galaxy und Mondeo. Ford hat auf die E-Mobilität gesetzt. Nun fehlen laut Reindl die Verbrenner, die den Umstieg finanzieren könnten.

Dudenhöffer sieht als einzige Lösung den Verkauf des Pkw-Geschäfts in Europa oder das Zusammengehen mit einem Partner. Reindl ist skeptisch. Wegen Fords Imageproblem findet er die Übernahme durch ei-nen europäischen Anbieter unwahrscheinlich. Und chinesische Anbieter dürften von den schwierigen deutschen Standortbedingungen abgeschreckt werden. Da müssen Explorer und Capri Erfolge werden.


Autobauer unter Druck

Bei den Autobauern arbeiteten 2023 noch 465.800 Menschen, drei Prozent weniger als vor sechs Jahren. Den Umsatz aus der Inlandsproduktion steigerte die Branche 2023 auch wegen der erhöhten Inflation noch um zehn Prozent auf knapp 558,1 Milliarden Euro.

Mehr als vier Fünftel des Umsatzes aus Inlandsproduktion entfielen auf die Autobauer. Für knapp 70 Prozent des Gesamtumsatzes sorgte dabei das Auslandsgeschäft.

Im ersten Halbjahr sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum allerdings um 4,7 Prozent auf rund 269,5 Milliarden. Und im dritten Quartal haben die Autobauer teils dramatischen Gewinnrückgang gemeldet. (raz)