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Interview

Kölner AStA-Vorsitzender
„Köln ist das kleinste Dorf der Welt“

Lesezeit 7 Minuten
Imgrund - Interview mit Adrian Moser - AStA

„Köln ist das kleinste Dorf der Welt“: Adrian Moser fühlt sich wohl – im AStA-Büro und in der Stadt.

Adrian Moser ist AStA-Vorsitzender und pausiert mit seinem Studium für ein Jahr. Mit Bernd Imgrund spricht er über sein Engagement, Weltpolitik an der Hochschule und sein Lieblingsessen in der Mensa

Sie wurden für zwei Semester gewählt, das bedeutet: Ihre Karriere fängt später an und Sie verdienen so um die 100 000 Euro weniger im Leben. Warum machen Sie das also?

Das ist eine Frage, die man sich im Laufe des Amtsjahres häufiger stellt. Aber die Möglichkeit, diese Erfahrung zu machen und so viel Verantwortung in so jungen Jahren zu tragen, hat man nicht oft. Allem voran steht natürlich der Wille, etwas an der Universität zu bewirken.

Ist ein Jahr nicht viel zu kurz für so ein Amt?

Doch. Die Einarbeitungsphase ist sehr stressig, und wenn man sich zurechtfindet, ist die Amtszeit fast schon wieder vorbei. Auf der anderen Seite pausiert man sein Studium für diesen Job komplett, länger als ein Jahr kann man sich das nicht leisten.

Wollen Sie als Politikwissenschaftler mal Politiker werden?

Das geht bei mir hin und her. In letzter Zeit kann ich es mir wieder vorstellen.

Warum ist der AStA so selten in den Medien?

Unsere vordringlichen Probleme, allen voran die Wohnungsnot der Studierenden, sind sehr bekannt. Deswegen ist es relativ schwer, da große Aufmerksamkeit zu generieren.

Wie mächtig ist der AStA?

In der Verwaltung einer Universität brauchen viele Prozesse sehr lange, weil alles durch verschiedene Ebenen muss. Zudem haben wir an der Uni auch starke Fakultäten, das heißt man hat viele Ansprechpartner, die jeweils ihre eigene Position haben.

Woran arbeiten Sie gerade konkret?

Etwa an Anwesenheitspflichten in Seminaren, die wir aus studentischer Perspektive natürlich ablehnen. Innerhalb eines Jahres löst man so ein Problem aber nicht, das zieht sich.

Hat der aktuelle AStA seit seiner Amtseinführung schon ein Projekt realisiert?

Wir haben mittlerweile eine richtige Fahrradwerkstatt, die residierte vorher nur in einem kleinen Container auf einem Parkplatz. Unter Anleitung zweier Zweiradmechaniker können Studierende dort kostenlos ihr Fahrrad reparieren. Am 5. November fand eine Holocaust-Zeitzeugenveranstaltung von uns statt, die wir innerhalb kürzester Zeit realisieren konnten. Außerdem organisieren wir das Festival Contre Le Racisme, an dem dieses Jahr 5000 Studierende teilgenommen haben. Ansonsten arbeiten wir noch immer daran, dass auf den Unitoiletten kostenlose Menstruationsprodukte bereitgestellt werden.

Warum sollen die kostenlos sein?

Weil Toilettenpapier auch kostenlos ist.

Wie sieht es dann mit kostenlosen Rasurprodukten für Männer aus?

Naja, fürs Rasieren kann man sich entscheiden. Wenn man gerade menstruiert, ist das schon dringend.

Wird das also demnächst umgesetzt?

Da sind wir wieder beim Punkt Verwaltung. Das ist noch in der Diskussionsphase, aber meine optimistische Hoffnung ist, dass das der folgende AStA umsetzen kann.

Wie finanziert Adrian Moser sein Studium?

Zurzeit bekomme ich als AStA-Vorsitzender eine Aufwandsentschädigung von 880 Euro. Davon geht die Krankenversicherung ab, aber zusätzlich bekomme ich gerade noch Kindergeld.

Sie haben schon Kinder?

(lacht) Nein, ich bin das Kind. Bis zum 25. Lebensjahr bekommen die Eltern ein Kindergeld von 250 Euro, das sie in der Regel ans ausgezogene Kind weitergeben.

Leben die meisten Studenten von Bafög?

Nein, Bafög bekommen nicht viele, und wenn, dann nicht den Höchstsatz. Ohne Unterstützung der Eltern muss man jobben gehen. Und wegen der sehr hohen Mieten haben viele Studierende gleich mehrere Jobs.

Wieviel Miete bezahlen Sie für wieviel Quadratmeter?

540 Euro für ein 20-Quadratmeter-WG-Zimmer.

Mosers Stellvertreterin Dominique Reich sitzt ebenfalls im Raum, sie ergänzt: Man bekommt auch in diversen WhatsApp-Gruppen immer mal Angebote. Mein Highlight waren 18 Quadratmeter für 900 kalt.

Der AStA hält eine Notschlafstelle bereit. Ist das so eine Art Obdachlosenasyl mit Isomatten und alten Schlafsäcken?

Leider ja. Wir haben die Möglichkeit, über die katholische Hochschulgemeinde einen Raum für etwa 30 Leute zu nutzen. Da legen wir Luftmatratzen aus.

Die Sie persönlich aufblasen?

Wir haben Kompressoren, aber tatsächlich sind pro Nacht zwei Leute von uns in der Notschlafstelle, um die Menschen dort zu begleiten. Es gibt eine Küche und ein Bad, aber keine Duschen. Außerdem kommen die Leute tagsüber nicht an ihre Sachen, weil wir den Raum abschließen müssen. Die müssen also morgens alles mitnehmen, was sie über den Tag benötigen.

Was macht Köln falsch?

Köln bedenkt nicht, dass Studis diese Stadt bereichern. Zehn Prozent der Kölner sind Studierende, und wenn die nach ihrem Abschluss hier bleiben, profitiert die Stadt davon. Das wird jedoch von der Wohnungspolitik nicht berücksichtigt. Stattdessen sehen wir gerade bei den internationalen Studierenden, dass sie nach Hürth oder Efferen ausweichen – abgeschottet in irgendwelchen Hochhäusern, die schönfärberisch als „Studierendendorf“ bezeichnet werden.

Was folgt daraus?

Wenn die Wohnungspolitik so unterirdisch bleibt, werden auf Dauer weniger Leute in Köln studieren oder nur noch solche, die es sich leisten können.

Sie gehören zur Juso-Hochschulgruppe. Sind Sie Sozialist?

Ja. Wir treten ein für eine Uni für alle. Zum Beispiel auch für Studierende mit Behinderungen oder mit chronischer Erkrankung, für Alleinerziehende und finanziell Schwache.

Welche Rolle spielen Weltpolitik und die aktuellen Kriege im Studentenparlament?

Eigentlich eine sehr geringe, aber es gibt immer mal Anträge, die auf die weltpolitische Lage fokussieren. Und im Sommer hatten wir ja das Protestcamp zum Krieg in Nahost vor der Uni.

Das war pro-palästinensisch, also anti-israelisch ausgerichtet.

Wir als AStA haben uns davon distanziert, auch weil dort Studierende bedrängt und zum Teil angegangen wurden. Unsere Rolle besteht nicht darin, globale Kriege zu bewerten, wir wollen wir für die Studierenden vor Ort da sein.

Wie antisemitisch ist die Kölner Studentenschaft?

Es gibt Leute, die dahingehend auffallen, aber das sind wenige. Insgesamt ist die Studierendenschaft gerade in Köln unglaublich tolerant.

Hat das etwas mit Köln zu tun?

Ja, das ist etwas, das diese Stadt versprüht, und ebenso die hier Studierenden. Mitte Oktober lief auf dem Albertus-Magnus-Platz eine Demo von Abtreibungsgegnern, und in kürzester Zeit bildete sich eine unorganisierte Gegendemo.

Warum studieren Sie persönlich in Köln?

Ursprünglich, weil für mich der Master hier sehr passend war. Meinen Bachelor habe ich in Leipzig gemacht.

Leipzig ist doch angeblich schöner als Köln.

Ja, Leipzig ist viel schöner. Aber hier herrscht diese offene Kultur. Köln ist das kleinste Dorf der Welt, aber zugleich eine große Stadt. Man fühlt sich hier sehr schnell sehr willkommen und findet auch als Zugezogener schnell Anschluss.

Weil am 11.11. die Session beginnt: Sind das eigentlich Studenten, die auf der Zülpicher Straße und auf der Uniwiese diesen „Karneval“ genannten Spökes veranstalten?

Nein, und das ist auch nicht unsere Art, Karneval zu feiern. Da handelt es sich eher um Schüler und Schülerinnen. Oder um Erstsemester, die sich noch nicht gut auskennen.

Gibt es eine offizielle AStA Position zum Erweiterungsraum auf der Uniwiese und dem Treiben auf der Zülpicher Straße?

Nein. Uns ist allerdings wichtig, dass an der Uni akzeptable Zustände herrschen. Auch an Karneval gibt es leider Prüfungen, es muss sichergestellt sein, dass die Studierenden in die Lehrräume kommen.

Ich habe ab 1983 in relativ neuen Gebäuden rund um das Philosophikum studiert. Wie sieht es da heute aus?

Die Zustände sind zum Teil katastrophal. In vielen Räumen mangelt es an Steckdosenplätzen, manch einer kommt mit der eigenen Steckerleiste ins Seminar.

Ihre AStA-Büros wirken mit ihren Überputzkabeln auch veraltet. Aber hier ist auch schlecht aufgeräumt.

(lacht) Büros von Studierenden wirken halt ein bisschen unkonventioneller. Natürlich handelt es sich um Büroräume, aber wir haben hier auch Spaß.

Schon mal hier gepennt vor lauter Stress?

Nicht nur einmal, aber nicht nur vor Stress, sondern auch nach der ein oder anderen Abendveranstaltung.

Was essen Sie in der Mensa am liebsten?

Das Chili Sin Carne mit Pommes! Aber dieses Gericht wird sehr kontrovers diskutiert.