Herbert Rubinstein hat als Jude den Holocaust überlebt. In einem Zeitzeugengespräch an der Universität zu Köln erzählt er von seinen Erlebnissen und Hoffnungen für die Zukunft.
„Hochschulen gegen das Vergessen“ an Uni KölnZeitzeuge Herbert Rubinstein spricht vor Studierenden
Sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden in der Zeit des deutschen Nationalsozialismus ermordet – Herbert Rubinstein gehört nicht dazu. Er hat überlebt. Nicht weil er stärker oder klüger war als alle anderen, sondern weil er Glück hatte. Gefälschte polnische Dokumente retteten den damals Fünfjährigen vor der Deportation in das rumänische Transnistrien, einen oftmals vergessenen Schauplatz des Genozids. Für den 88-jährigen Rubinstein ist ganz klar: „Wenn du das Glück gehabt hast zu überleben, dann hast du einen Auftrag.“ Er sieht seinen Auftrag in der Erinnerung an den Holocaust und der Bekämpfung von Antisemitismus in der Gesellschaft.
„Gerade in Zeiten von drastisch gestiegenen antisemitischen Vorfällen und vermehrten Angriffen auf rechtsstaatliche Prinzipien ist es unsere Aufgabe, sich aktiv an unsere Geschichte zu erinnern“, erklärt Adrian Moser, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Um das zu erreichen, lud der AStA gemeinsam mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und dem Jüdischen Studierendenverband Nordrhein-Westfalen den Holocaust-Überlebenden an die Universität zu Köln ein. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Hochschulen gegen das Vergessen“ berichtete der Zeitzeuge von seinen Erlebnissen in der NS-Zeit.
Zeitweise im Ghetto gelebt
Herbert Rubinstein wurde 1936 im rumänischen Czernowitz geboren. Ein Gebiet, das heute zur Ukraine gehört. Als Einzelkind und Sohn eines Rechtsanwalts, wuchs er zunächst in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Erst habe er vieles nicht verstanden. Er fragte sich beispielsweise: „Warum kommen plötzlich so viele jüdische Verwandte zu Besuch, haben sie kein eigenes Zuhause?“ Wenig später wurde sein Vater in die Rote Armee eingezogen und auch er verlor sein Zuhause. Zusammen mit seiner Mutter musste er in ein naheliegendes Ghetto umziehen. „Der Geruch war furchtbar, und wir mussten auf dem Fußboden schlafen“, beschreibt Rubinstein rückblickend. Er fügt hinzu: „Es war die Vorstufe zu den Viehwaggons, die täglich Menschen nach Transnistrien deportierten.“ Viele kamen nie wieder zurück nach Czernowitz, viele kamen aber auch nie in Transnistrien an, da sie bereits auf dem Weg verhungerten oder erschossen wurden – auch Rubinsteins Vater kam nie zurück.
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„Es war für mich eine kinderlose Zeit“, sagt Rubinstein. Erst mit zehn Jahren ging er in den Kindergarten, nachdem er 1946 mit seiner Mutter nach Amsterdam auswanderte. Seine Zeit in den Niederlanden fasst er wie folgt zusammen: „Es fehlte an vielem, aber wir waren frei und konnten unseren Glauben ausleben.“
Appell an die junge Generation
Aus beruflichen Gründen zog es Rubinstein 1956 nach Düsseldorf. Das sei ihm schwergefallen, denn für ihn waren die Deutschen nach wie vor „Teufel“. Das habe sich jedoch mit dem Austausch schnell geändert, und die „Teufel“ wurden wieder zu Menschen. Fast 70 Jahre später betont er: „Wir sind alle Menschen, und der Wert des Menschen ist unbezahlbar.“ Herkunft, Religion oder Sexualität würden für ihn keine Rolle spielen. Hauptsache, die Menschen leben friedlich zusammen. Rubinstein appelliert: „Ich bin für ein Europa, wo Menschen an sich das Leben bejahen und wo wir versuchen Kriege zu vermeiden.“
Gleichzeitig weiß er aber auch, dass die Realität zurzeit anders aussieht. Zu den Entwicklungen im Nahen Osten, der Ukraine und den steigenden antisemitischen Vorfällen in Deutschland sagt er: „Es ist eine Tragödie, eine ausgesprochene Tragödie, und keiner schafft es, diese Tragödie zu beenden.“ Bei all den besorgniserregenden Ereignissen legt der 88-Jährige den jungen Studierenden ans Herz: „Wer wählt, hat eine Entscheidungsmöglichkeit, und die AfD zu wählen, bedeutet für meine Begriffe Selbstmord und Verrat.“