Jonathan Hollerith ist der Winzer von IMI Winery. Mit Bernd Imgrund spricht er über das Familienweingut in der Pfalz und guten Glühwein.
Kölner Winzer„Er roch ein wenig nach Schießpulver“
Warum ist Wein mehr als nur ein alkoholisches Getränk?
Ein Wein erzählt dir viel über das Leben. „Es steckt mehr Philosophie in einer Flasche Wein als in allen Büchern dieser Welt“, hat der Chemiker Louis Pasteur (1822−1895) mal gesagt. Für den Wein ist wichtig, was in der Erde passiert, welche Biomasse und Minerale da wirken. Auf den Charakter eines Weines haben Sonne und Regen, die Himmelsrichtung und nicht zuletzt der jeweilige Winzer Einfluss.
Wie deuten Sie das schöne Wort „weinselig“?
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Ein guter Wein schmeckt nicht nur lecker, sondern belebt auch deinen Geist. Dann freut sich nicht nur dein Gaumen, dann lacht auch deine Seele.
Sie sind gebürtiger Pfälzer. Woran erkennt man den dortigen Wein?
Die hohen Säuren bekommt man eher an Saar und Mosel, während wir in der Pfalz mehr Sonnentage und höhere Temperaturen haben. Entsprechend bilden unsere Reben mehr Zucker und führen zu einem gut ein Prozent höheren Alkoholgehalt. Man nennt die Pfalz ja gern die Deutsche Toskana, bei uns gedeihen auch Chardonnay und Spätburgunder.
Sie waren drei Monate alt, als Ihre Familie 1979 nach Virginia auswanderte. Kenn man eher als Tabakgegend.
Stimmt, aber mein Vater war dort einer von zwei Weinbauern. Ich bin in den Weinbergen groß geworden, auch als wir später nach Kalifornien ins Napa Valley weiterzogen.
Ihre Urban Winery in Köln haben Sie IMI getauft. War Ihnen klar, dass das ein kölsches Wort ist?
(lacht) Nein, das war ein irrer Zufallstreffer. Imi war der Spitzname meines Vaters, der 2014 verstorben ist.
Von ihm stammt auch Ihr Leitspruch „Love, Peace & Happiness“.
Mein Dad war durchaus ein Hippie. Ist zum Grand Canyon getrampt, hat unter Trucks gepennt und sich von Moskitos zerstechen lassen. Als Winzer hast du direkten Kontakt zu Mutter Erde wie zum Himmel, der Sonne oder Regen bringt. Da kann man schnell zum Hippie werden.
Und Ihr aus drei rautenförmigen Steinen aufgebautes Logo steuert den esoterischen Teil bei?
Kann man so sagen. In der Alchemie stehen diese drei Diamanten für den Geist des Weines. Für mich stehen sie zugleich für den Geist meines Vaters.
In den USA haben Sie Weinbau und Önologie studiert. Sind Sie außer Winzer auch Chemiker?
Mit Chemie muss man sich als Weinbauer zwangsläufig auskennen. Im Studium ging es eben auch um Organische Chemie, Mikrobiologie und so weiter. In der Önologie, der Wissenschaft vom Weinbau, lernt man zudem alles über PH- und Stickstoffwerte, über Säure und Gärung. Eine Frage ist etwa, wie viel Eiweißzusatz dem Wein guttut.
Darf man das?
Ja, das ist gängig. Früher hat man in Frankreich Kuhblut beigegeben, um Polyphenole wie etwa Tannin zu binden. Heute benutzt man dafür Eiweiß, der Schnitt liegt etwa bei anderthalb Eiern pro Fass.
Haben Sie das in Bordeaux gelernt?
Genau, nach der Highschool war ich anderthalb Jahre in Bordeaux, und einer meiner Jobs war es, die Eiweißproben vorzubereiten. Du mischst ein halbes, ein, anderthalb Eiweiß bei und checkst mit den Tastern und Chefs nach etwa einer Woche, was am besten schmeckt.
Unterscheidet sich der deutsche vom französischen Weinbau?
In Deutschland überwiegt der Weißwein, in Frankreich der Rotwein. Dort geht es auch viel ruhiger zu. Hier wirkt es manchmal wie ein Wettrennen, wer als Erster seine Flaschen abgefüllt hat. In Bordeaux nimmt man sich Zeit für Pausen und einen guten Espresso. Und da liegt jeder Wein seine 24 Monate im Barriquefass.
Sind Sie in der Hinsicht eher Deutscher oder Franzose?
Ich bin auf jeden Fall frankophil: Iss gut, trink gut, genieß es!
Warum sind Sie in Köln-Ehrenfeld gelandet statt in Bordeaux oder Kalifornien?
Ein Hauptgrund war die Liebe. Meine Frau habe ich schon 2004 hier kennengelernt und bin danach oft nach Köln gekommen. Ich finde diese Stadt einfach wunderbar, und seit 2015 lebe ich hier. Die Urban Winery war eine Idee, die ich einfach umsetzen musste – man lebt schließlich nur einmal.
Köln war schon zu Römerzeiten auch eine Weinstadt.
Stimmt, in Köln wurde nicht immer nur Bier gebraut, sondern auch Wein gekeltert. Wir würden die Kölner gern zu dieser Tradition zurückführen. (lacht)
Wissen Sie, was mit „Suurer Hungk“ gemeint ist?
Keine Ahnung.
So wurde der Kölner Wein genannt – Saurer Hund.
(lacht) Kann ich mir vorstellen. Wir haben auch selbst mal hier angebaut und etwa 150 Flaschen produziert. Konnte man gut trinken, für Weinliebhaber war er sicher interessant. Aber er war auch sehr trocken und roch ein wenig nach Schießpulver.
Der „Stadtwinzer“ Thomas Eichert bepflanzt Hausfassaden. Ist das eher eine Spielerei?
Eher schon, ja. So eine Weinwand sieht toll aus, an unserer Hausfassade hier wächst ein Souvignier Gris. Aber wenn so eine Sache effizient laufen soll, muss man viel Arbeit hineinstecken. Und vor allem am richtigen Tag ernten.
Wann ist der richtige Tag?
Man muss sich die Trauben anschauen: Sind sie weich, lässt sich die Schale zwischen den Fingern zerreiben, lösen sich die Kerne leicht vom Fleisch? Den Zuckergehalt messe ich mit dem Refraktometer, aber letztlich am wichtigsten ist immer der Mundtest: Schmeckt sie oder nicht, die Traube.
Ihr Wein ist bio. Was bedeutet das?
Wir spritzen nur, was fürs Biosiegel erlaubt ist. Da geht es vor allem um schädlichen Pilzbefall. Aber „bio“ bedeutet für mich viel mehr, mir geht es um lebendige Böden und gesunde Lebensmittel. Im konventionellen Weinanbau enthält der Boden wenig Biomasse, zu wenige Mineralien. Die Pflanze nimmt, was der Boden gibt. Wenn du biologisch arbeitest, bekommst du bessere Tomaten und eben auch besseren Wein.
Haben Sie eine Lieblingssorte?
Ich liebe Syrah und Pinot Noir. Der Pinot ist eine schwierige, dünnhäutige Rotweinsorte. Eher fein als kraftvoll, dafür vielseitig und elegant. Statt der großen Tanninbombe liefert der Pinot Noten von Graphit, von Kirschen, Blumen, Lakritz und Erde. Syrah geht auch in die Richtung, ist aber ein bisschen rustikaler, mit dunkleren Aromen.
Was halten Sie von Longdrinks auf Weinbasis, oder geradeheraus gefragt: Darf man Wein panschen?
Ich bin kein Heiliger und habe auch schonmal einen Sangria getrunken. Aber als Liebhaber dieses Getränks sage ich: Die schönsten Abende hat man mit seiner Familie, seinen Freunden und ein paar Flaschen gutem Wein. Im Zweifelsfall kennt man den Weinberg und den Winzer, man weiß, wie viel Arbeit und Liebe eingeflossen sind, bis dieses Produkt vollendet war. Und dann macht man daraus eben keinen Quatsch mit Soße, sondern trinkt den Wein pur.
Ist Glühwein für Sie Wein?
Nun ja, er enthält halt Wein. Glühwein ist ein beliebtes, saisonales Getränk. Verkaufen wir hier auch, allerdings nicht aus unseren eigenen Trauben.
Trotzdem die Frage: Was gehört für Sie in einen guten Glühwein?
Bei uns zuhause ist meine Frau die Glühwein-Queen. Zimt und Orange, samt Schale, gehören hinein. Dazu Nelken, Kardamom und Anissterne. Und für mich darf ein Glühwein auf keinen Fall zu süß sein.
Zur Person
Jonathan Hollerith wurde 1979 in Landau in der Pfalz geboren. Als er drei Monate alt war, wanderte die Familie nach Virginia/USA aus. Nach der Highschool ging er für knapp drei Jahre nach Europa.
Unter anderem arbeitete er in der Region Bordeaux bei der Domaine de Chevalier und bei Château Lagrange im Weinbau. Zurück in den USA studierte Jonathan Hollerith ab 2001 Weinbaukultur und Önologie in Texas und Kalifornien.
2004 lernte er während eines Kölnurlaubs seine spätere Frau kennen. Als sein Vater Joachim Hollerith 2014 starb, erbte er drei Hektar Weinbergland in der Pfalz, nahe der Weinstraße. Nach vielen Besuchen in Köln zog er 2015 fest an den Rhein. Im selben Jahr begannen die Vorbereitungen für eine Urban Winery Cologne, die 2020 Wirklichkeit wurde.
Seitdem produzieren Jonathan und sein Team mitten in Köln – mit Trauben aus der Pfalz – verschiedenste Weine. Ihr Name „IMI“ stammt genau wie ihr Motto „Love, Peace & Happiness“ von Jonathans Vater.Jonathan Hollerith wohnt in Neu-Ehrenfeld.