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Interview

Stunker-Mitbegründer Winni Rau
„Am Wahlabend könnten wir bei der Stunksitzung Hochrechnungen einblenden“

Lesezeit 7 Minuten
Viel zu tun haben Winni Rau und das Ensemble in den nächsten Wochen.

Viel zu tun haben Winni Rau und das Ensemble in den nächsten Wochen.

Zum ersten Mal wird die alternative Sitzung parallel zum Wahlkampf laufen. Was nun aus dem Programm muss, ob Scholz noch sicher ist und: Darf man über die AfD lachen? Wir haben nachgefragt.

In knapp vier Wochen feiert die Stunksitzung Premiere. Erstmals wird die Sitzung parallel zum Wahlkampf laufen. Mit Stunker-Mitbegründer Winni Rau sprach Jens Meifert über die Herausforderungen.

Der neue Bundestag wird voraussichtlich am Sonntag vor Weiberfastnacht gewählt. Die Stunksitzung läuft damit in dieser Session parallel zum Wahlkampf. Wie gehen Sie damit um?

Ich habe immer befürchtet, dass das passiert. Und es sind nun mindestens zwei Nummern, die direkt betroffen sind, die wir so nicht mehr bringen können. Schade, denn die waren wirklich lustig. Eine drehte sich um die drei von der Tankstelle: Schuldenbremse Lindner, Kasalla Kubicki und Verkehrsautominister Wissing. Da ging es um die Verkehrspolitik und überdrehte Forderungen: völlige Verbannung von Fußgängern aus den Innenstädten, Begrüßungsgeld für Autofahrer. Am Ende hätten sie zusammen gesungen: Ein Freund, ein guter Freund. Wir überlegen, wie wir Teile davon retten können. Es ist ja noch etwas Zeit bis zur Premiere.

Die Ampel ist fast schon Geschichte. Interessiert die noch Anfang 2025?

Schwer zu sagen. Wir haben währen der Proben Testaufführungen, teilweise für Freunde, damit überprüfen wir uns. Wir haben eine Nummer über die Ampel drin, so ein bisschen wie in diesem Monty-Python-Sketch: „Was haben uns die Römer denn schon gebracht?“ – „Nichts, Nichts, Nichts.“ – „Na, ja gut, die Kanalisation.“ – „Und sonst nichts.“ Auf die Ampel bezogen ist das ein Stammtisch. Was hat uns die Ampel gebracht? Am Ende kommt man auf 30 bis 40 Gesetze, die sie tatsächlich gemacht haben. Und da muss man dann gucken, was davon im Rückblick noch geht, wie lange das die Leute interessiert. Die größte Diskussionen und auch das Chaos hat das Heizungsgesetz verursacht. Jetzt wird man sagen, das ist noch interessant. Aber wie sich das Anfang Januar, Anfang Februar darstellt, wenn der Wahlkampf läuft, das muss man abwarten. Wir werden also wahrscheinlich wirklich das Programm immer wieder aktualisieren müssen. Da wird viel auf Biggi Wanninger zukommen als Moderatorin. Eine Riesennummer stampft man nicht mal in der Woche aktuell aus dem Boden.

Stunk im Wahlkampf ist eine Premiere. Es wird sogar eine Sitzung am Wahlabend geben.

Ja, man wird während der Session die Wahl haben. Und darauf werden wir reagieren. Es wird total verrückt. Am Wahlabend könnten wir bei der Stunksitzung die Hochrechnungen einblenden, das wird anspruchsvoll. Denn es stehen ja viele Fragen im Raum. Was ist mit der AfD? Wie stark wird die jetzt? Da habe ich nun noch größere Befürchtungen durch den klaren Wahlsieg von Donald Trump in den USA. Das ist eine Art von Politik, mit Lügen, Fake News, in der der Rechtsstaat fast nichts mehr gilt. Auch bei diesem amerikanischen Wahlabend werden wir noch ein bisschen bleiben.

Wird der nächste Bundeskanzler eingebaut?

Im Moment würde jeder sagen, Friedrich Merz wird es, es ist fast kein anderes Szenario vorstellbar. Zumindest rechnen wir mit einer Konstellation, in der die CDU stärkste Kraft ist. Bis jetzt ist Merz nicht im Programm drin, aber jetzt muss er rein. Richtig spannend wird es erst nach der Wahl: wer mit wem überhaupt koaliert. Und das schafft vielleicht auch den größeren Zusammenhang, dann sind wir wieder bei der AfD und der Grundfrage, wie erhält man die Demokratie? Wie schaffen wir es, so ein Gemeinschaftswesen zu organisieren, wo natürlich ganz unterschiedliche Strömungen und Meinungen sind? Und man kann jetzt von Robert Habeck halten, was man will, aber er hat, finde ich, ein paar schlaue Sachen direkt nach dem Bruch der Ampel gesagt.

Zum Beispiel?

Dass es darauf ankommen wird, den Zusammenhalt einer konservativ liberalen, ökologischen, vielleicht auch gemäßigt linken Bevölkerungsgruppe zu gewährleisten oder überhaupt möglich zu machen. Nur zu sagen, wir können nicht miteinander, jeder bleibt stur auf seiner Position, das macht mir Sorgen. Denn das wird die AfD stark machen. Die sagen: Seht ihr, die Altparteien kriegen es nicht auf die Reihe. Auch die Nazis haben damit gepunktet, dass sie die Demokratie verächtlich gemacht haben.

Eine gefährliche Parallele?

Diese Situation, finde ich, muss man verhindern. Das macht vielen große Sorgen. Also wir denken fast eher darüber nach, wie schafft man es, auf so einer Veranstaltung vielleicht auch dieses Gefühl zu erzeugen: Hey, wir können auch unterschiedliche Positionen haben, aber wichtig ist, dass wir in diesem Staat, dieser Gemeinschaft mit unterschiedlichen Meinungen klarkommen. Klar wird man auch Witze auf Merz finden. Man wird auch irgendwann auf Trump Witze finden. Wobei sich tatsächlich abzeichnet, dass es nicht besonders witzig wird.

Das klingt nach schlaflosen Nächten.

Nein, man muss ehrlicherweise sagen, dass wir nicht den ganzen Abend mit politischen Nummern bestreiten, das macht 15 bis 20 Prozent aus. Es passieren ja noch andere Dinge, gerade in Köln. Wir haben eine große Schotten-Nummer dabei. Die Schotten, die im Sommer bei der bei der EM so beliebt waren. Die sind zurückgekommen, weil es Köln das bessere Schottland ist. Das bessere Wetter, die Kneipen haben länger auf und ihre Musik ist auch schon hier, mit der FC Hymne. Es gibt aber auch andere politische Nummern die sich nicht mit aktueller Politik beschäftigen.

Und wie gehen Sie mit der AfD um?

Es gab eine Idee zu sagen, wir machen nichts zur AfD. Wir machen nichts darüber, dass das eine faschistische Partei ist, wir machen nichts drüber, dass die so und so sind, dass die eine frauenfeindliche Politik vertreten. Da machen wir nichts drüber, dass die auf die Jugend, auf ihren Wahlkampfpartys rassistische Lieder singt. Also damit hätte man im Prinzip so ein Statement über verschiedene Aspekte der AfD. Manchmal reichen zwei, drei Sätze, um eine Haltung klar zu machen. Natürlich darf man denen nicht zu viel Platz einräumen.

Ist es heute schwerer oder leichter, ein Programm zu machen als, sagen wir, in den 90er Jahren?

Die Frage ist, hat man den Anspruch, alles abzubilden? Ich glaube, dann wird es schwierig, weil dafür ist die Welt im Moment zu kompliziert. Man kann natürlich immer sagen, warum habt ihr nichts über den Iran drin? Warum habt ihr nichts über die Ukraine? Hatten wir alles drin. Wir hatten ein Hänneschen-Theater mit Putin. Aber wir sind auch eine Karnevalssitzung. Die Leute sollen kommen, um Karneval zu feiern. Es muss auch genau diese Elemente geben. Jürgen Becker hat immer gesagt: Wichtig ist der Einmarsch, einmal alle aufstehen, einmal den Saal aufmischen. Am Ende soll es ein unterhaltsamer, stimmungsvoller Abend sein.

Was kann Humor bewirken bei solchen Themen?

Ich glaube, da denkt man schon ewig drüber nach. Seit ich das mache oder seit ich mit Kabarettisten zusammenarbeite. Immer ist die Frage: Kann Kabarett die Welt verändern? Nein, natürlich nicht. Ist ja völlig klar. Es hat aber immer etwas von Denkanstöße geben. Es hat immer etwas von, sich einer Gemeinschaft zu vergewissern. Da kann man auch Kraft daraus ziehen.

Es gibt ja genug andere Themen in Köln. Das Bühnen-Desaster hat es mit dem Stück „Grmpf“ im Schauspiel auf die Bühne geschafft. Ärgerlich?

Ich habe es leider noch nicht gesehen, aber Kollegen fanden es toll. Kompliment. Aber zum Thema Operndesaster haben wir schon so viele Nummern gemacht. Wir hatten Bauarbeiter, die auf der Opernbaustelle Musik machen auf den kaputten Kühlrohren. Und wir haben mal gesagt: Es gibt auf dieser Baustelle Rohre, die fangen also Elektrokabel an und am Ende kommt Wasser raus. Heute wissen wir: Das ist wirklich passiert.

Die Stadt geizt wahrlich nicht mit Possen und Skandalen.

Nein, wir haben uns beim FC abgearbeitet, an der Stadtverwaltung und ihrer Gleichgültigkeit, und wir haben uns an der SPD abgearbeitet. Manchmal wäre es fast interessant, Nummern aus der Vergangenheit hintereinander zu spielen. Wir hatten eine Nummer, da sank das Boot der Sozialdemokratie auf 29 Prozent. Das war damals eine Hiobsbotschaft. Heute würden sie sich freuen.

Es steht auch 2025 ein OB-Wahlkampf an. Gibt es ein Good-bye an Henriette Reker?

Sie wird nicht wirklich nochmal antreten, oder? Das kann ich mir nicht vorstellen. Also wird sie irgendwo vorkommen in einer der Nummer. Aber für einen großen emotionalen Abschied reicht es dann doch nicht.

Auch die Rundschau musste flexibel reagieren: Die Frage zu Olaf Scholz, die in einer früheren Fassung stand, wurde am Donnerstagabend hinfällig. Boris Pistorius erklärte seinen Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur.