Schauspiel-Intendant Rafael Sanchez über die kafkaeske Bühnensanierung, Kölner Schludrigkeit und warum es trotzdem keine bessere Stadt im ganzen Land gibt.
Schauspiel-Intendant Rafael Sanchez über Köln„Es funktioniert wirklich gar nichts“
In unserer Serie „Über Köln reden“ sprechen wir mit prominenten Kölnerinnen und Kölnern über ihren ganz persönlichen Blick auf die Stadt. Mit Schauspiel-Intendant Rafael Sanchez traf sich Jens Meifert. In diesem Fall kamen beide am Bühnen-Desaster nun so gar nicht vorbei.
Sie haben sich die Bühnengestaltung aus dem Stück „Grmpf“ als Fotomotiv ausgesucht. Die Revue beschreibt das Sanierungsdesaster am Offenbachplatz. Können Sie selbst drüber lachen?
Langsam geht das wieder. Es war schon sehr frustrierend für uns. Wir sind schließlich mal nach Köln gekommen mit der Aussicht, die modernste Bühne Europas zu bespielen.
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Das war schon 2013 ...
... ja, und das hat dann nicht geklappt. Und irgendwann haben wir mit Stefan Bachmann beschlossen, das Depot in Mülheim ist kein Interim, sondern es wird unsere Heimat. Und dann haben wir es lieben gelernt.
Aber natürlich wollen Sie umziehen. Werden die Bühnen jemals fertig?
Ich habe große Hoffnung. Ich glaube, dass Jürgen Marc Volm (Der neue Projektleiter/Anm d. Red.) alles sehr transparent gemacht hat. Und er hat gesagt: Die Spitze des Eisbergs ist erreicht, das glaube ich jetzt mal. So wie er seine Pläne vorgestellt hat: Ich würde ihm auch mein Einfamilienhaus anvertrauen.
Sie haben für das Stück einen Film produziert auf der Baustelle. Was hat Sie am meisten staunen lassen?
Dass es so aussieht, wie es aussieht. Die offenen Kabel, das offen gelegte Foyer. Und dass so wenig Menschen da waren. Wir haben gedacht: Hallo, ist da jemand? Wir wurden nie durch Baulärm gestört. Jetzt wird es offenbar wieder besser. Was mich für das Stück interessiert hat, ist dieses alte Gebäude und all die Regelungen und Standards, die nun für die Sanierung gelten. Das muss ja scheitern. Und es gibt unendlich viel mehr Baustellen.
Schulen, Brücken, alles wird dramatisch teurer.
Natürlich, das kostet viel Geld. Ich rege mich gar nicht so sehr über die handelnden Personen auf, sondern über das zerbröselnde Deutschland und wie wir damit umgehen. Das lässt sich in Köln an vielen Stellen besichtigen. Man muss investieren und die Infrastruktur in Schuss halten. Früher oder später fällt das einer Gesellschaft wieder auf die Füße. Das war auch der Grundgedanke bei dem Stück: Es sind doch unsere Steuergelder. Das kann uns nicht egal sein. Wir sollten gemeinsam drüber lachen oder weinen oder am Ende noch wütender sein. Was auch immer. Ich hoffe, das Stück hat eine Ventilfunktion.
Teilweise denkt man: Da haben sie ein bisschen dick aufgetragen. In einer Szene zeigen Sie den Akustikraum fürs Klavier, der gekühlt werden soll, damit das Klavier nicht gestimmt werden muss...
... und leider hat man vergessen die Klimageräte einzubauen. Und als man den Raum nachgerüstet hat, passte das Klavier nicht mehr rein. Stimmt leider alles. Das hätte sich Franz Kafka nicht besser ausdenken können. Das ist schon sehr absurd.
Tut Ihnen Henriette Reker leid?
Schon ein wenig. Man sieht, wie sie ackert und kämpft, und sie will wie alle das Beste für die Kunst. Aber es gelingt einfach nicht, und natürlich kann sie das nicht selbst. Und dann hat sie so viele andere Baustellen, die konnten wir gar nicht alle aufzählen in dem Stück.
Aber stoppen würden Sie die Sanierung nicht mehr?
Nein, um Gottes Willen! Das Schauspiel muss zurück ins Zentrum. Und es wird auch nicht mehr lang dauern. Ob nun die Eröffnung 2025 oder 2026 gefeiert wird, ist jetzt nicht mehr so entscheidend.
Sie kommen viel herum. Wie schaut mal von außen auf das Baustellendebakel?
Erstaunlicherweise wissen das viele gar nicht so genau. Köln hat kulturell eine starke Ausstrahlungskraft, man kommt gerne hierhin. In der Theaterszene finden viele das Depot cool, und das etwas nicht klappt mit einer Baustelle, ist auch nicht komplett ungewöhnlich.
Ihr Lieblingszitat aus zwölf Jahren Bautätigkeit?
,Die Rauchdruckschutzanlage ist ein Wunderwerk der Technik, das die Welt noch nicht gesehen hat.'
RDA?
Genau. Der Satz stammt von Bernd Streitberger. Er ist wohl unfreiwillig komisch.
Was hat für Sie zuletzt richtig gut funktioniert in Köln?
(überlegt, lacht) Das ist gemein, wenn man aus Zürich kommt. Ich habe wirklich in den ersten zwei Jahren zu meiner Frau gesagt: Komm, wir gehen wieder. Zu den Hallen Kalk bin ich nicht ein Mal mit einer Rolltreppe hoch gefahren, weil die immer kaputt waren. Am Neumarkt ist immer Alarm. Und ich habe mir immer gewünscht, dass ein Schweizer Putzkommando mal einen Sommer lang sauber macht. In Zürich habe ich jeden Morgen die Putzmaschine gehört, hier habe ich die zwei Mal gesehen.
Und sonst?
Eigentlich funktioniert ja gar nichts. Mit den KVB kann ich keinen beruflichen Termin planen, weil die Bahnen nicht kommen. Meine Tochter läuft jeden zweiten Tag zu Fuß zur Schule. Das ist schon super-ärgerlich. Es sind so viele gute Leute in der Stadt. Aber es wird einem verdammt schwer gemacht, die Energie auf die Straße zu bringen. Was könnte man aus den alten Industriehallen machen? Es gibt so viel Freiraum, es liegt alles auf der Oberfläche. Köln müsste vom Potenzial her in einer Liga mit Wien, Kopenhagen und Zürich spielen. Jede Band spielt hier, die Kunst, die Start-ups, das ist doch alles da.
Aber Sie sind zehn Jahre geblieben.
Na klar, weil die Toleranz, die man hier erlebt, die gibt es woanders nicht. Das glauben die Leute hier nicht, aber das ist viel mehr als ein Klischee. Dieses auf Augenhöhe kommunizieren, ohne Abstand, ohne Scheu, das ist etwas ganz Besonderes. Sehr amerikanisch. Das ist in Zürich übrigens eher gegenteilig, da lernen Sie in 30 Jahren niemanden kennen, auch wenn Sie jeden Tag im Bus nebeneinander sitzen. Die Schattenseite ist vielleicht, dass es durch diese Toleranz so aussieht wie es aussieht (lacht).
Wenn Köln bei Ihnen auf der Couch läge, was würden Sie empfehlen?
Aufstehen und loslegen! Geld in die Hand nehmen und investieren, aber so richtig. Köln macht sich viel zu klein.
Wäre Ihnen am Offenbachplatz große Architektur lieber gewesen?
Natürlich. Es war ja ein demokratischer Entscheid: die Oper sanieren und die Schuhschachtel Schauspiel abreißen. Das ist mit dem Bürgerbegehren über Bord geworfen worden. Der Kasten ist für nix gut. Für diese fatale Entscheidung bezahlen wir heute.
Welche Orte suchen Sie gerne auf in Köln?
Toll sind die Poller Wiesen, da vergisst man sofort, dass man in einer Großstadt ist. Aber ich habe nicht so viele Lieblingsorte. Das Haus am See am Decksteiner Weiher, das ist schon schick zum Spazierengehen, das würde übrigens auch gut in die Schweiz passen (lacht).
Wie bewegen Sie sich in der Stadt?
Meist mit der Vespa oder mit dem Leihwagen. Ein Auto habe ich nicht. Ich finde es ganz cool, mit dem Motorroller über die Ringe oder die Aachener Straße zu fahren. Das ist schon toll, auch diese Lebendigkeit muss man in einer anderen Stadt suchen. Unsere Töchter verfluchen uns, dass wir wegziehen, wo das Ausgehen jetzt für sie langsam konkret wird.
Wenn Sie in eine andere deutsche Stadt ziehen dürften – oder müssten. Welche wäre es?
Gemeine Frage. Köln wäre auf jeden Fall die Nummer 1, und ich kenne viele deutsche Städte sehr gut. Wenn es sein müsste, Hamburg, aber dann nur für viel Geld (lacht).