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„Furchtbar“Scharfe Kritik an Scholz’ Statement zu Trump – US-Präsident bleibt weiter auf Putin-Kurs

Lesezeit 5 Minuten
US-Präsident Donald Trump zusammen Olaf Scholz im Jahr 2017 in Hamburg. Scholz hat am Mittwoch Trumps „Führungsrolle“ betont.

US-Präsident Donald Trump zusammen mit Olaf Scholz im Jahr 2017 in Hamburg. Scholz hat am Mittwoch Trumps „Führungsrolle“ betont.

Während der Bundeskanzler für seine Worte zu Trump und Selenskyj einen Shitstorm kassiert, erfüllt der US-Präsident weiter Putins Wünsche.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nahezu zeitgleich mit amerikanischen Maßnahmen gegen die Ukraine mit einer Wortmeldung auf der Plattform X für Irritationen gesorgt – und einen Shitstorm kassiert. Nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hatte der Bundeskanzler dort für viele Beobachter befremdliche Worte gewählt – und dabei indirekt einen Vorwurf an Selenskyj übernommen, der bisher nur von Trump und Moskau erhoben wurde.

Olaf Scholz: „Gut, dass er zu Verhandlungen bereit ist“

„Unsere Solidarität ist unverbrüchlich, das habe ich Wolodymyr Selenskyj heute am Telefon versichert“, schrieb Scholz und fügte an: „Gut, dass er zu Verhandlungen bereit ist.“ Insbesondere dieser Zusatz sorgte für massiven Gegenwind – schließlich legte Selenskyj in der Vergangenheit bereits Friedenspläne vor und sperrte sich auch nie kategorisch gegen Gespräche. Für diese stellte er allerdings Grundbedingungen auf.

Zudem trieb US-Präsident Donald Trump seine anti-ukrainische Politik weiter voran. Nicht nur die US-Militärhilfe für das kriegsgebeutelte Land wurde vom US-Präsidenten eingestellt. Auch amerikanische Geheimdienstinformationen über drohende russische Angriffe erhält die Ukraine seit Mittwoch den jüngsten Angaben zufolge nicht mehr.

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„Keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine“

An den Gesprächen mit Russland, die von Washington geführt werden, ist Kiew bisher nicht beteiligt. Selenskyj hatte das noch bei der Münchner Sicherheitskonferenz als Bedingung benannt. „Keine Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine“, hatte Selenskyj dort betont. Trump ignoriert die Wünsche Kiews jedoch – und richtet sich zuletzt immer mehr an denen des Kreml aus. Mit der Einstellung der Waffenlieferungen erfüllte der US-Präsident eine der zentralen Forderungen Moskaus.

Russland setzt seine Angriffe auf die Ukraine unterdessen weiter fort – und hat, so schilderten es in dieser Woche noch Kreml-Insider, keinerlei Absichten, den Druck an der Front zu verringern. Nach wie vor strebt Moskau die Eroberung weiterer ukrainischer Territorien an, daraus macht man in Russland keinen Hehl.

Scharfe Kritik an Scholz: „Diese Falschheit macht mich traurig“

Insbesondere in diesem Kontext wurde schnell scharfe Kritik am Statement von Scholz laut, der angefügt hatte: „Wir sind einig: Der US-Präsident behält eine Führungsrolle mit Blick auf einen raschen Einstieg in eine Waffenruhe und dauerhaften Frieden.“

Für CDU-Politiker Roderich Kiesewetter war damit eine Linie überschritten. „Furchtbar“, kommentierte Kiesewetter bei X unter den Beitrag von Scholz. Der Kanzler habe Selenskyj erst „durch unterlassene Hilfeleistungen in die alternativlose Unterwerfung unter Trump und Putin gepresst“ und danke dem Ukrainer nun „auch noch dafür“, erklärte Kiesewetter. „Diese Falschheit macht mich traurig.“

„Höchste Zeit, dass Scholz das Kanzleramt verlässt“

Auch der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kritisierte Scholz – und legte dabei den Fokus auf die Aussage über Selenskyjs Verhandlungsbereitschaft. „Diesen Satz hat unser Noch-Bundeskanzler nicht über den Aggressor Putin gesagt“, zeigte sich Polenz entsetzt. „Der Satz sagt alles über Scholz und seine Ukraine-Unterstützung“, fügte der CDU-Politiker an, es sei „höchste Zeit, dass Scholz das Kanzleramt verlässt“.

Irritierte Reaktionen kamen auch von Politik- und Osteuropa-Experten: „Entweder weiß Scholz etwas Gravierendes, was öffentlich nicht bekannt ist. Oder dieser Post ist ab dem Wort ‚Gut …‘ ein Kniefall ohne Grund“, kommentierte etwa Thomas Jäger, Professor für internationale Politik an der Universität Köln, das Statement des Kanzlers.

Experten irritiert: „So macht man Europa klein“

Auch der Osteuropa-Experte Thomas Dudek reagiert bei X. Scholz klinge, „als ob Selenskyj und die Ukraine nie einen Friedensplan vorgeschlagen hätten“, erklärte Dudek und kritisierte auch die „Betonung der Führungsrolle“ von Trump. „So macht man Europa klein“, fügte Dudek an.

Auf X sammelten sich zudem mehr als 1.400 Kommentare zu Scholz’ Wortmeldung – gleichzeitig bekam der Beitrag bis Donnerstagnachmittag lediglich etwas mehr als 1.500 „Likes“. Viele Nutzerinnen und Nutzer zeigten sich verständnislos. Mitunter war von einem „Kotau“ die Rede.

Scholz schickte dann am Donnerstagnachmittag ein weiteres Statement auf X hinterher. „Die Ukraine muss eine souveräne, demokratische Nation bleiben. Dafür müssen wir unsere finanzielle und militärische Unterstützung gewährleisten“, schrieb der Bundeskanzler. „Und wir müssen mit klugem und kühlem Kopf sicherstellen, dass die Ukraine auch in Zukunft auf die Unterstützung der USA zählen kann“, fügte der SPD-Politiker an.

Bericht: Trump-Gefolge führt Gespräche mit Selenskyjs Konkurrenz

Der US-Präsident sorgte einem Bericht zufolge im Hintergrund unterdessen für den nächsten Affront gegenüber der Ukraine – erneut ging es dabei um einen Wunsch, den Moskau in der Vergangenheit bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht hat. So sollen vier „hochrangige Mitglieder des Gefolges von Donald Trump“ geheime Gespräche mit einigen der größten politischen Gegner Selenskyjs in der Ukraine geführt haben, berichtete „Politico“.

Trump-Vertreter sind demnach im Hintergrund auf die ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko und auf „hochrangige Mitarbeiter“ von Petro Poroschenko, dem Vorgänger Selenskyjs, zugegangen. Im Mittelpunkt der Gespräche habe die Frage gestanden, ob in der Ukraine vorgezogene Präsidentschaftswahlen abgehalten werden könnten, berichtete „Politico“ weiter.

Trump bezeichnete Selenskyj als „Diktator ohne Wahlen“

Die Gespräche folgen auf eine vorherige Attacke des US-Präsidenten, der Selenskyj als „Diktator ohne Wahlen“ bezeichnet und sich damit eine unwahre Erzählung des Kremls angeeignet hatte. Wladimir Putin hatte zuvor in den letzten Monaten mehrfach behauptet, Selenskyj habe seine Legitimation verloren.

Tatsächlich ist Selenskyj aber der legitime Staatschef der Ukraine, wie auch die Vereinten Nationen kürzlich noch einmal betonten. Seine Amtszeit ist zwar bereits abgelaufen, doch wie auch in Deutschland sind Neuwahlen in der ukrainischen Verfassung nicht vorgesehen, solange das Kriegsrecht verhängt ist. Aufheben könnte Kiew das Kriegsrecht aber erst, wenn Russlands tägliche Attacken auf die Ukraine enden.

Klare Signale aus Washington: „Putin alles geben, was er will“

Die US-Regierung weist unterdessen zurück, in die ukrainische Innenpolitik intervenieren zu wollen. Diese Woche bestritt Handelsminister Howard Lutnick, dass Trump sich „in die ukrainische Politik einmischt“ und fügte hinzu, der US-Präsident wolle lediglich einen Partner für den Frieden.

Die Signale aus Washington sprechen unterdessen weiterhin eine andere Sprache. Trump hat seine Maßnahmen gegenüber der Ukraine verschärft, obwohl Selenskyj zuvor sein Bedauern über den Eklat im Weißen Haus in der Vorwoche ausgedrückt hatte.

Auch amerikanische Experten sehen die USA auf einem prorussischen Kurs. „Trumps Strategie ist klar: Die Ukraine zur Kapitulation drängen und Putin alles geben, was er will“, resümierte der ehemalige US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, nach den jüngsten Entscheidungen in Washington.

Der Artikel wurde nach der erneuten Stellungnahme von Olaf Scholz aktualisiert