Frankreich bietet Gespräche über einen nuklearen Schutzschirm an. Friedrich Merz möchte darauf eingehen, Noch-Kanzler Olaf Scholz blockt ab. Warum das ein Fehler ist.

EU-Gipfel und AtomwaffenDie USA sind kein verlässlicher Partner mehr. Und jetzt?

Der französische Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ mit Rafale-Kampfflugzeugen, die auch Atomwaffen tragen können.
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Zeitenwende, aber bitte nicht zu sehr: So darf man wohl die erneute de-facto-Absage interpretieren, die Noch-Kanzler Olaf Scholz dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron beim EU-Sondergipfel in Brüssel erteilt hat. Scholz weiß, dass sein wahrscheinlicher Nachfolger Friedrich Merz anders über das Macron-Angebot nuklearer Abschreckung mit europäischer Dimension denkt als er. Umso klarer hat der Amtsinhaber seine Sicht formuliert: Deutschland profitiert von der mit den USA vereinbarten nuklearen Teilhabe, „und das soll nicht aufgegeben werden“.
Dieses an sich achtbare Bekenntnis hat einen Zug von Autosuggestion. Denn würden die USA ihre Zusagen an Nato-Mitglieder noch einlösen, wenn der Ernstfall einträte? US-Präsident Donald Trump hat daran schon im Wahlkampf Zweifel gesät und im Streit mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj von einem Tag auf den anderen Hilfsversprechen zu Makulatur gemacht. Die Partner standen vor vollendeten Tatsachen.
Macrons Initiative lässt Fragen offen
Auch wenn sich Trump und Selenskyj noch einigen sollten: Die USA sind kein verlässlicher Verbündeter mehr. Deswegen, so weit hat Scholz zwar recht, sollten europäische Staaten nicht ihrerseits eine Kooperation beenden, so lange sie funktioniert. Aber sie müssen jederzeit mit der Illoyalität Trumps und seiner Nachfolger rechnen. Sie müssen sich absichern – und Macron deutet einen Weg dafür an. Es ist richtig, dass der mutmaßliche Scholz-Nachfolger Friedrich Merz ihn prüfen will, auch wenn viele Fragen offen sind. So verfügt Frankreich gar nicht über nukleare Gefechtsfeldwaffen, wie die USA sie bisher bereitstellen, sondern nur über schwere und weitreichende Nuklearwaffen.
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Die EU allerdings – eine Gemeinschaft, die in Sicherheitsfragen auch aktuell wieder von zwei moskaufreundlichen Regierungen in Bratislava und Budapest erpresst wird – wird nicht in der Lage sein, solche Fragen zu beantworten und im Krisenfall ausreichend schnell zu reagieren. Da wird es nur den Ausweg geben, in Abstimmung mit der EU-Spitze Bündnisse kooperationswilliger Staaten zu bilden, möglichst unter Einbeziehung Großbritanniens. Ob bei Atomwaffen oder auf anderem Gebiet.
Ja, wir erleben eine Zeitenwende, eine Wende in mehreren Akten. Wie der erste Akt, der Großangriff Russlands auf die Ukraine, hatte auch der zweite Akt, die Abkehr der USA von ihren Alliierten, einen Jahrzehnte langen Vorlauf. Nur haben viele europäische Regierungen dies – Autosuggestion eben – nicht wahrhaben wollen. Hoffentlich können wir noch rechtzeitig reagieren. Und hoffentlich treten wir beim dritten Akt, in dem China die Hauptrolle spielen könnte, früher auf die Bühne.