Das neue Buch von Rundschau-Autor Bernd Imgrund „Unter Nachbarn“ feiert Premiere in Köln.
„Man hat sie an der Backe“Kölner Autor schreibt Buch über Nachbarschaft, dem „seltsamsten Verhältnis unseres Lebens“

Zur Premiere lud Bernd Imgrund in eine Kneipe und begleitete seine Lesung mit Musik.
Copyright: Costa Belibasakis
Das Cover lässt nichts Gutes ahnen. Da steckt jemand seinen Kopf, nein, nicht in den Sand, sondern in eine Hecke. Und die Schultern der Person scheinen mit Blut bespritzt. Hat hier jemand auf der anderen Seite die Heckenschere zum Einsatz gebracht? Schreck lass nach, doch nur ein gemusterter Pullover. Gut möglich, wäre es aber gewesen. Denn wir befinden uns „Unter Nachbarn“. Das gleichnamige Buch von Bernd Imgrund handelt „Vom seltsamsten Verhältnis unseres Lebens.“ Und das kann durchaus mörderisch enden. Sonntagabend war Buchpremiere im „Durst“ in der Weidengasse.
In der rappelvollen Kneipe genügen dafür knackige 70 Minuten. Imgrund, der bisher mehr als 40 Romane und Sachbücher veröffentlicht hat, ist ein souveräner und lockerer Präsentator. Im Wechsel liest er aus „Unter Nachbarn“ und singt und spielt (mit Gitarre) Songs, die im Buch vorkommen, wie „Ein ehrenwertes Haus“ von Udo Jürgens. Nicht ohne vorab Wesentliches zu klären: „Ihr könnt euch ein Bier bestellen, wenn ihr nur den Finger hebt.“
Wie schon in „Faul! Vom Nutzen des Nichtstuns“ (2023) beschäftigt er sich mit einem Thema, das uns vertraut ist. Jeder und jede (es sei denn man ist Einsiedler oder Milliardär) lebt Tür an Tür, Wand an Wand oder Garten an Garten mit jemand. Imgrund schreibt: „Seinen Nachbarn kann man nicht entkommen. Man wählt seine Arbeitsstelle (nun ja), den Sportverein, die Partei. Man sucht sich seine Freunde, die Chatgruppen, die Stammkneipe. Die Nachbarn jedoch, wie die Familie, hat man an der Backe – ob man will oder nicht.“
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In 16 ebenso lehrreichen wie vergnüglichen Kapiteln wird dieser Zustand des Unentrinnbaren (Wegziehen ist auch keine Lösung, die neuen Nachbarn sind womöglich schlimmer als die alten!) der umfassenden Betrachtung unterzogen. Historisch-chronologisch, geografisch und soziologisch. Politisch, philosophisch und psychologisch. Theologisch, juristisch und kabarettistisch. Zoologisch, global und digital und – am Ende – sogar intergalaktisch.
Die Nachbarschaft ist ein Verhältnis, das austariert werden muss
Das erzwungene Nebeneinander kann gut oder schlecht ausgehen: „Nachbarn können miteinander überkreuz liegen und sich das häusliche Leben zur Hölle machen. Aber es geht natürlich auch umgekehrt. Sie können uns ans Herz wachsen und zu Freunden werden.“ In Imgrunds Kompendium über die, die uns (räumlich) die Nächsten sind, begegnet man mittelalterlichen Bäuerinnen, die zur Bierverkostung in ihre Küchen einladen, jungen Familien der Jetztzeit, die nach „Bullerbü in der Innenstadt“ suchen oder 200.000 Blockwarten, die bereits 1935 in deutschen Mietshäusern beflissen ihren Dienst taten.
Gerichte in der ganzen Republik beschäftigen sich mit dem, was als Belästigung von nebenan empfunden wird. Bisweilen führt das zur Selbstjustiz. Wie bei dem Krefelder, der auf die nachts quakenden Frösche im Nachbarstümpel ballerte oder dem Ex-Nationaltorwart, der zur Kettensäge griff, um der missliebigen Nachbarsgarage den Garaus zu machen. Schlimmster Fall: der des Sportschützen, der 2023 drei Menschen erschoss und zwei schwer verletzte. Begonnen hatte es mit Kinderlärm und nicht herausgestellten Mülltonnen.
Aber Nachbarn sind auch die, die auf unsere Kinder aufpassen und nach unserer Post schauen. Die uns zum Geburtstag einladen oder zum Grillen. Imgrund: „Wieviel Nähe man zulässt, wie viel Distanz man will, liegt immer im eigenen Ermessen. Die Nachbarschaft ist ein Verhältnis, das austariert werden muss.“
Bernd Imgrund: Unter Nachbarn. Vom seltsamsten Verhältnis unseres Lebens. Hirzel, 180 S., 22 Euro.