AboAbonnieren

Interview mit Chef der RheinstationWas alles im Rhein in Köln unterwegs ist

Lesezeit 7 Minuten
Hartmut Arndt

Arbeitsplatz mit Blick auf den Strom: Harmut Arndt leitet die Ökologische Rheinstation der Uni.

  1. Er weiß genau, was so alles im Rhein unterwegs ist: Der Biologe Prof. Hartmut Arndt leitet die Ökologisch Rheinstation, das Forschungsschiff der Universität am Oberländer Ufer.
  2. Bernd Imgrund sprach mit ihm.

Dem Interview geht eine gut einstündige Privatführung auf der Ökologischen Rheinstation, dem Forschungsschiff der Universität voraus. Sehr beeindruckend: Hartmut Arndts Griff ins Flussbett, das einen überaus lebendigen Haufen Lehm ans Tageslicht bringt.

Was ist um diese Jahreszeit direkt unter uns im Rhein los?

Krebse zum Beispiel findet man das ganze Jahr über. Auch Barben gibt es in Köln, obwohl die eigentlich typisch für den Oberlauf des Flusses sind.

Aber die schmecken hier auch, oder?

Barben haben viele Gräten!

Beliebter in Köln war historisch betrachtet der Maifisch, eine 1930 ausgestorbene Heringsart. 2013 wurde der Versuch gestartet, diesen Fisch wieder heimisch zu machen im Rhein.

Zur Person

Hartmut Arndt wurde 1957 in Rostock geboren, wo er auch sein Biologiestudium absolvierte. Von 1987 bis 1991 arbeitete er beim Institut für Gewässerökologie in Berlin, um danach als Wissenschaftlicher Assistent an die Österreichische Akademie der Wissenschaften zu wechseln. 1993 habilitierte er sich an der Uni Rostock auf dem Gebiet der aquatischen Ökologie. Seine drei Jahre als Ökologie-Professor an der Universität Greifswald verbrachte er auf der Außenstelle Hiddensee.1997 schließlich wechselte er an die Universität Köln, wo er seither als Hochschullehrer und Forscher wirkt. Unter anderem leitet er dort auch die Ökologische Rheinstation, das Forschungsschiff der Universität am Oberländer Ufer.

Im Privatleben ist Prof. Dr. Hartmut Arndt passionierter Triathlet. Er lebt mit seiner Frau Bärbel, mit der er zwei erwachsene Kinder hat, in Raderthal.

www.rheinstation.uni-koeln.de

Nach Vorarbeiten hier auf der Rheinstation wurden schon mehrere Male Jungfische unter anderem in Poll ausgesetzt. Es wurden seitdem zwar schon größere Maifische gesichtet, aber bislang noch keine größeren Populationen. Eine echte Erfolgsgeschichte verbindet sich hingegen mit dem Nordseeschnäpel. Das ist ein lachsartiger Fisch, der rund 50 Zentimeter groß wird und wie einst der Lachs in den Zuflüssen des Rheins ablaicht. Das Land hat über zehn Jahre ein Besatzprogramm gefördert, das inzwischen Früchte trägt.

Gibt es typisch kölsches Leben im Rhein?

Wir haben hier einen acht Mikrometer kleinen Einzeller gefunden, der bislang nirgendwo sonst nachgewiesen wurde. Den haben wir Thaumatomonas coloniensis getauft.

Was zeichnet das Kerlchen charakterlich aus?

Er ist natürlich so lebhaft wie lustig, wie es sich in Köln gehört. (lacht) Übrigens gibt es da noch einen Apusomonas, ein Geißeltierchen, das wir auf „Viva Colonia“ taufen wollen. Es ähnelt äußerlich einer Narrenkappe und wedelt tatsächlich mit seiner Geißel, als wolle es ein „Kölle Alaaf“ ausrufen. Gefunden haben wir dieses Wesen auf den Biofilmen von Steinen auf dem Dach des Kölner Doms. Das passt also sehr gut.

Vor der westafrikanischen Küste haben Sie in fünf Kilometern Tiefe Geißeltierchen entdeckt, die sich ebenfalls auf Domsteinen finden.

Das war sehr überraschend, ja. Aber es zeigt auch, wie sich die Forschung weiterentwickelt. Denn inzwischen können wir diese westafrikanischen und Kölner Tierchen genetisch doch sehr gut auseinanderhalten. Die Aufspaltung von marinen und Süßwasserformen hat bereits sehr früh in der Evolution stattgefunden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Sie haben viele Forschungsreisen absolviert. Was war Ihre spannendste Entdeckung?

Ein Flagellat, also ein Geißeltierchen, das wir in 1200 Metern Tiefe im Mittelmeer gefunden haben. Faszinierend war für uns, dass dieses muskellose Wesen sich durch den Meeresboden fortbewegte. Diese drei Mikrometer kleinen Einzeller benutzen Eiweißbausteine, die sie wie Arme bewegen und sich damit durch das Sediment schieben.

Kann man Rheinwasser trinken?

Die Qualität ist ökologisch nicht mehr bedenklich, aber direkt trinken sollte man es vielleicht doch lieber nicht. Kläranlagen arbeiten zwar sauber, aber durch die schiere Menge gelangen eben doch auch viele coliforme, also fäkale Bakterien in den Fluss.

Sind Sie als passionierter Triathlet mal im Rhein geschwommen?

Ja, im Rahmen von Wettkämpfen in Bonn. Die fünf Kilometer im Rhein waren wirklich etwas Besonderes für mich.

Schwimmen, Radeln, Laufen – was ist Ihre Paradedisziplin?

Ich bin leider nirgends gut.

Sie arbeiten seit 1997 in Köln und mit dem „Vater Rhein“.

Ein toller Fluss, sage ich als Imi! Ich verstehe allerdings nicht, warum man den Rhein nicht viel stärker ins Stadtbild integriert. Überall Spundwände statt einem schönen Ufer wie in Rodenkirchen. Natürlich geht es dabei auch um Hochwasserschutz, aber ich denke, da könnte man noch einiges tun.

Ihr Spezialgebiet sind die angesprochenen Geißeltierchen. Worum handelt es sich dabei?

Um eine Zelle mit einem ordentlichen Zellkern, wie wir sie auch in unserem Körper haben. Wir stammen in direkter Linie von ihnen ab, am nächsten verwandt sind wir mit den Kragengeißelflagellaten. In unserem Rachen sitzen kleine Geißeln zum Transport des Speichels – Überreste der Kragengeißelzellen.

Manch einer behauptet, Geißeltierchen seien gar keine Tiere. Beleidigt Sie das?

(lacht) Nein. Geißeltierchen sind Protisten, einzellige Lebewesen, von denen einige zwischen Tier und Pflanze hin und her wechseln. Es gibt Protistengruppen, die sich wie Pflanzen, und solche, die sich tierisch ernähren. Man findet im Rhein etwa 1000 Exemplare pro Milliliter.

Was tun die für den Rhein?

Sie reinigen ihn zum Beispiel. Bei Hochwasser etwa nimmt die Zahl der Geißeltierchen wesentlich zu. Schon nach zwölf Stunden üben sie den gleichen Fraßdruck auf die Bakterien aus wie sonst die ganzen Bodentiere. Geißeltierchen leben vor allem im Fließwasserplankton, während ihre nahen Verwandten, die Wimpertierchen, sich eher im Sediment aufhalten.

Kleine Jungs interessieren sich normalerweise für Tiger und Panther. Aber Sie für Einzeller?

Ich habe auch mit den großen Tieren angefangen. Saint-Exupéry sagt, man sieht nur mit dem Herzen gut. Aber wer unsere Ökosysteme verstehen will, sieht am besten mit dem Mikroskop.

Was ist an Geißeltierchen so faszinierend?

Für einen Forscher sind das hervorragende Modellorganismen. Man kann mit ihnen generationsübergreifende Experimente durchführen. Und natürlich sind wir hier dazu prädestiniert, weil wir direkt auf dem Rhein sitzen und die Tierchen sehr empfindlich auf Transport reagieren.

Von 1980 bis 1987 haben Sie als „Experimentalökologe“ an der Uni Rostock gearbeitet. Was macht man da so?

Wir haben zum Beispiel dynamische Prozesse unter Einzellern untersucht. Wenn man ein Geißeltierchen dauerhaft mit nur einer einzigen Bakterienart ernährt, lassen sich Modelle erstellen. Was ich den Studenten hier immer zu vermitteln versuche: dass in der Natur nicht-lineare Prozesse ablaufen; dass man akzeptieren muss, dass das Leben manchmal seltsame Sprünge macht, weil so viele nicht-lineare Prozesse miteinander interagieren.

Forschen Sie auch im Urlaub?

Ich fahre gern mit dem Fahrrad über die Alpen. Aber wir haben auch hin und wieder gesündigt und sind per Flugzeug in den Regenwald von Panama geflogen.

Ist das Mikroskop dann immer dabei, wenn Sie unterwegs sind?

Jedenfalls kommen mir immer spannende Experimente in den Sinn. Eines hat mich in die Atacama-Wüste geführt, die trockenste Gegend der Erde. Aber dort existieren Salare, stark salzhaltige Seen, deren Einzeller wir studiert haben. Da sich diese Salare zum Teil seit Jahrmillionen nicht mehr berührt haben, lässt sich dort wunderbar die differenzierte Evolution der Arten erforschen.

Sind solche Forschungs- auch Abenteuerreisen?

Man watet durch einen Schlamm, von dem man nicht weiß, wie tief er ist. Man fährt mit dem Allradauto über vom Sturzregen weggespülte Straßen, um noch ein paar wichtige Proben ziehen zu können, also: Ja, das kann manchmal gefährlich werden. Aber das war es immer wert!

In zwei Jahren werden Sie pensioniert. Dann liegen Sie vorm Fernseher und gucken Tierfilme?

Ich hoffe, doch noch ein bisschen weiterforschen zu können über die Vielfalt des Lebens.

Und ein Geißeltierchen zu entdecken, das dann nach Hartmut Arndt benannt wird?

Das würde ich natürlich nicht tun. Aber nach meiner Frau Bärbel habe ich schon eines benannt. (lacht) Und ebenso nach unseren Technischen Mitarbeiterinnen, die im Labor und Büro sehr wichtige Arbeit leisten.

Sie sind Raderthaler. Kann man sagen, Sie wohnen auf dem Rhein?

Ja, das kann man. Wenn Sie in Raderthal graben, stoßen Sie schnell auf den Auelehm und dann auf den Rheinkies. Eigentlich ist das eine Sünde. Niemand sollte im Überschwemmungsgebiet eines Flusses bauen. Man sollte der Natur ihr Reich lassen und respektvoll damit umgehen.