Köln – Die Marke Ford will etwas amerikanischer auftreten. Was das für Europa bedeutet und über die aktuellen Schwierigkeiten in der Produktion sprach Ralf Arenz mit Dr. Christian Weingärtner, dem neuen Geschäftsführer Marketing und Verkauf der Ford-Werke.
Hat Ford aktuell genug Chips für die Produktion in den deutschen Werken in Köln und Saarlouis?
Zur Person
Christian Weingärtner ist seit 1. Februar 2022 Geschäftsführer Marketing und Verkauf der Ford-Werke. Am 5. April 1982 in Landshut geboren, hat er Technologie und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre an der TU München studiert und hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften. Er war Managing Director & Partner beim Beratungsunternehmen Boston Consulting Group. Er kommt von Ford Europa, wo er zwei Jahren bei Ford Europa als Director für Strategie und Transformation gearbeitet hatte.
Die Lage ist weiterhin angespannt und ein Ausblick nicht einfach. Ich erwarte aber, dass wir in den nächsten 18 Monaten wieder zu einer normalen Liefersituation kommen.
Gibt es denn weiter Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit?
Wie bei allen Herstellern gibt es auch bei Ford Unterbrechungen. Jedes Auto, das wir nicht bauen, tut uns weh. Wir halten die Produktion so hoch wie nur möglich und sichern das auch mit ungewöhnlichen Maßnahmen. Wir haben zum Beispiel auch schon Autos ohne Schweinwerfer gebaut, wenn uns dafür Teile fehlen. Die montieren wir mit zusätzlichem Aufwand dann später nach. Das ist aber besser als überhaupt keine Autos zu bauen und nötig, um unsere Kunden und Händler zu bedienen.
Eine Produktion auf Halde hat Ford lange abgelehnt.
Das ist nicht der von uns bevorzugte Weg. Wir wägen jedem Einzelfall ab. Scheinwerfer zum Beispiel können wir nachträglich montieren. Bei Kabelbäumen geht das nicht, weil wir dann das Auto wieder auseinandernehmen müssten.
Wenn noch länger Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Chips drohen. Bekommen Sie dann noch alle bestellten Fahrzeuge des auslaufenden Fiesta gebaut?
Wir haben eine große Orderbank und wollen die bestellten Fahrzeuge auch bauen und ausliefern.
Ford hat mit dem Mach-E nur ein batterie-elektrisches Pkw-Modell im Angebot. Entgeht Ihnen da nicht viel Geschäft angesichts der hohen Förderung für E-Autos?
Der Mustang Mach-E ist sehr gut nachgefragt. Wir haben aber auch den Kuga als Plugin-Hybrid im Angebot – ein hervorragendes Produkt, das sich gut verkauft. Wir sind in diesem Segment die Nummer 1 in Europa. Hier haben wir die Garantie ausgesprochen, dass alle jetzt bestellten Autos auch gebaut und ausgeliefert werden, so dass die Kunden dafür die staatliche E-Auto-Förderung erhalten.
Ford hat die Modellpalette neu ausgerichtet. Worauf setzen Sie vor allem?
In der Vergangenheit hat Ford zu einseitig die Funktionalität seiner Autos betont. Jetzt legen wir mehr Wert auf die Markenbotschaft und betonen auch Life-Style-Aspekte. Es genügt nicht die Produkte in diese Richtung zu drehen, auch das Auftreten muss entsprechend sein. Themen sind für mich die, die für ein gutes Amerika stehen wie Freiheit, Abenteuer, Natur und auch Innovation und Technologie. Das kann niemand so gut verkörpern wie wir relevanter amerikanische Hersteller in Europa.
Wie zeigt sich das in den Modellen?
Der Puma ist da ein gutes Beispiel. Er kommt etwas pointierter und polarisierender daher. Außerdem gibt es auch Modelle wie den Ranger Raptor oder den dem Mach-E, die nur wir können. Es wird aber natürlich auch künftig moderatere Modelle geben.
Wie europäisch bleibt Ford?
Die Produkte bleiben auf den europäischen Markt zugeschnitten. Wir können nicht einfach Modelle aus den USA nach Europa holen und glauben, dass die Kunde plötzlich Autos zwei Klassen größer kaufen.
Wo sehen Sie die wichtigsten Wachstumsfelder für Ford in Europa?
Das wichtigste Wachstumsfeld ist das Nutzfahrzeuggeschäft. Hier sind wir die Nummer 1 auf dem Markt, sehen aber noch viel Potenzial. Bei den Pkw sieht das anders aus. Andere Herstellergruppen sind viel größer als wir. Deshalb geht es für uns weniger um Wachstum als vielmehr um Positionierung. Wir wollen hier ein Territorium, wo wir liefern, was nur Ford liefern kann. Damit wollen wir die Kunden begeistern – auch für die Marke.
Welche Rolle spielen Auto-Abos beim Verkauf?
Das ist ein spannender, neuer Vertriebskanal. Auto-Abos treffen den Zeitgeist. Die Kunden wollen die Autos nicht bar bezahlen oderwollen sich nicht so lange binden wie beim Leasing. Vor allem für junge Leute ist das sehr attraktiv. Und es ist eine sehr gute Möglichkeit, E-Autos ohne Risiko auszuprobieren.
Sie wollen Ihre Händler auf ein Agenturmodell umstellen, bei denen die Händler die Autos vermitteln und dafür von Ford eine Provision erhalten. Was versprechen Sie sich davon?
Wir kommen näher an den Kunden und können besser mit ihm interagieren. Für den Kunden schafft das Modell Preistransparenz. Es beendet den Unterbietungswettbewerb der Händler, die sich dann über die Qualität ihrer Beratung differenzieren können. Die wird sich in der Folge weiter verbessern.
Wie setzen Sie das um?
Wir haben das frühzeitig angekündigt und sind auf die Händler zugegangen. Bis Ende des Jahres wollen wir mit dem Händlerverband vereinbaren, wie das Modell genau aussieht, wie wir etwa mit Vorführwagen umgehen. Dafür nehmen wir uns bis Ende des Jahres Zeit. Dann kündigen wir die bestehenden Händlerverträge mit einer Frist von zwei Jahren, so dass wir das Modell frühestens 2025 umsetzen können. Es ist ausdrücklich aber kein Instrument zum Kahlschlag des Händlernetzes mit derzeit knapp 450 Partnern.