Das Entwicklungszentrum von Ford in Köln-Merkenich verliert eine wichtige Kompetenz. Die Verantwortung für die globale Fahrwerksentwicklung siedelt in die USA um.
Was das konkret bedeutet für Ford Europa, für Köln und die Zukunft, lesen Sie hier.
Köln – Auf seine Fahrwerke war Ford immer stolz. Lange konnten Ingenieure bei Fahrzeugvorstellungen mit leuchtenden Augen erzählen, wie sie mit festerem und leichterem Stahl, besonderen Profilen im Zusammenspiel mit neuen Gummilagern die Kurvenfahrt eines Fiesta etwa noch stabiler gemacht und gleichzeitig den Komfort verbessert hatten.
Entwickelt und vorangetrieben wurde die Fahrwerksentwicklung für die weltweiten Fordmodelle in Köln-Merkenich. Durchaus mit gutem Grund, wie der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach meint. Die Konkurrenz mit den Premiumherstellern hat Entwicklungen vorangetrieben. Bei breiten, schnurgeraden Highways und niedrigen Höchstgeschwindigkeiten in den USA verrichten auch Blattfedern noch gute Dienste.
Ein schlechtes Signal für Ford Europa
Jetzt verlagert Ford im Zuge seines Umbaus die Leitung der Fahrwerksentwicklung in die USA. „Wir zentralisieren Entwicklungsverantwortung im Konzern“, sagt Jörg Beyer, Geschäftsführer Produktentwicklung der Ford-Werke und auch bei Ford Europa für den Bereich verantwortlich. Gleichzeitig gebe es neue Entwicklungsaufgaben für Ford Europa. Merkenich bekommt die Führungsrolle für die sogenannte C-2-Plattform etwa für Focus und Kuga. Da Ford die Zahl der Plattformen reduziert, könnten auf der Plattform künftig mehr Fahrzeuge basieren. Andererseits hatte Merkenich ohnehin schon den Hut auf bei kleineren und mittleren Fahrzeugen.
„Es ist ein schlechtes Signal, wenn Kompetenzen aus Europa abgezogen werden“, meint Bratzel. In weltweiten Konzernen gehe es nicht zuletzt darum, wie viel Vertrauen die Zentralen in den USA ihren europäischen Töchtern entgegenbringen. Andererseits komme den Fahrwerken angesichts von Zukunftsthemen der Branche nicht mehr eine so wichtige Bedeutung zu.
„Eine sehr ernste Lage“
Ob die Maßnahme Stellen kostet, dazu sagt Ford nichts. Die Entwicklung läuft schließlich weiter. Managerstellen werden aber in die USA verlagert oder fallen weg. Die Produktentwicklung habe einen „anteiligen Beitrag zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung in Unternehmen zu leisten“, so Beyer. Ohnehin läuft bei Ford der Abbau von 12.000 Jobs. Darunter 2000 Angestellte. Mit Leiharbeitnehmern und befristet Beschäftigten hat Ford in Europa 56.000 Mitarbeiter.
„Ford ist in Europa in einer sehr ernsten Lage“, sagt Bratzel. Der Autobauer müsse nicht nur schnell wettbewerbsfähig werden und dafür Kosten reduzieren, sondern auch nachhaltig schwarze Zahlen liefern und Zukunftsthemen wie Elektromobilität, autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen angehen. Und Ford habe durchaus etwas zu bieten. „Unser Center of Automotive Management hat zusammen mit der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Ford für seine Assistenzsysteme im Bereich Volumenhersteller ausgezeichnet“, sagte Bratzel.
In Sachen E-Mobilität hinkt man hinterher
Generell bringe das Unternehmen bei den Zukunftsfeldern E-Mobilität, autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen zu wenig auf die Straße. „Beim batterie-elektrischen Fahren ist Ford hinter anderen Herstellern weit zurück“, so Bratzel. Dabei drängt die Zeit, weil anspruchsvolle CO2-Ziele der EU erreicht werden müssen, um Strafzahlungen zu vermeiden. Die würden beim aktuellen Modellmix in die Milliarden gehen. Und mit Bordmitteln schafft das Ford laut Bratzel nicht.
„Die Kooperation mit VW ist für Ford nötig“, so Bratzel. Am Donnerstag entscheidet der VW-Aufsichtsrat über eine Ausweitung der vereinbarten Kooperation im Bereich Nutzfahrzeuge und Pick-ups. Ford könnte die VW-Plattform MEB für Elektroantriebe nutzen, VW sich an der Ford-Tochter Argo für autonomes Fahren beteiligen. Dabei geht es wohl noch darum, wer dem anderen wie viel für die Technik zahlt. Und kommt es zu einer Vereinbarung, muss Ford klären, wie es sich auf dem europäischen Markt positioniert, wenn etwa die Kernkompetenz für E-Autos von VW kommt. Bratzel: „Ford muss definieren, wie hoch die Eigenanteile sind und ob diese Anteile reichen, um eigenständig zu bleiben.“
Massiver Abbau
12.000 Jobs streicht Ford in Europa. Allein in Deutschland sollen 5400 Mitarbeiter durch Abfindungen und vorgezogenen Ruhestand bis Ende des kommenden Jahres zum Gehen bewegt werden. 60 Prozent davon sollen Angebote angenommen haben. (raz)