Köln – Fünf Tage nach dem Start des Testlaufs hat noch keine der Moscheegemeinden in Köln bei der Stadt beantragt, dass der Muezzin freitags zwischen 12 und 15 Uhr für fünf Minuten zum Gebet rufen darf. Die zweijährige Pilotphase hatte die Stadt Köln vergangenen Donnerstag völlig überraschend mitgeteilt – und damit für viele Emotionen gesorgt.
Ganz nebenbei könnte die Stadt Köln mit dem Test eine Vereinbarung kassieren, die die symbolträchtigste Moschee in Köln und deren Bau unter anderem erst ermöglichte: die Zentralmoschee an der Inneren Kanalstraße in Ehrenfeld. Im Jahr 2008 vereinbarte die Stadt Köln mit dem Betreiber, der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), auf den öffentlichen Gebetsruf zu verzichten. Doch nun teilte die Ditib mit: „So zeugt auch die 2008 von der Stadt Köln zum Moscheebau geforderte Vereinbarung zum Verzicht auf den öffentlichen Gebetsruf von einem Zeitgeist, der immer wieder und aktuell neu verhandelt wird.“
Wird die Vereinbarung in Ehrenfeld gekippt?
Will die Ditib also die Vereinbarung für die Moschee in Ehrenfeld nach 13 Jahren kippen? Bislang berät sie noch, was sie macht, hat noch keinen Antrag gestellt. Und: Sind damit die skandalähnlichen Umstände rund um die Eröffnung im September 2018 etwa vergessen? Damals war kein städtischer Vertreter zugegen, als der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die Moschee eröffnete. Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hatte danach ein Signal der Integration von der Ditib gefordert. Gab es das tatsächlich seither? Und was ist mit dem Beirat zur Moschee? Laut Alt-Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) ist der eingeschlafen, Schramma warf der Ditib in den Vorjahren immer wieder fehlende Transparenz vor, gebrochene Versprechen.
In anderen Städten längst möglich
All das sind nur einige Aspekte in einer Debatte, die sich um einen möglicherweise ja nur einmal wöchentlichen und fünfminütigen Gebetsruf dreht. Und der andernorts mittlerweile selbstverständlich ist, die Ditib sagt: „In anderen Städten ist der öffentliche Gebetsruf zum Freitagsgebet längst möglich und unproblematisch.“ Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am Beispiel Oer-Erkenschwick erst 2020 das Recht darauf bestätigt. Der Gebetsruf ist den Nachbarn zuzumuten, zumal, wenn die Lautstärke geregelt ist. Das will die Verwaltung in jedem Fall einzeln prüfen.
Trotzdem überrascht das Vorgehen der Stadt Köln auch einen Experten, beispielsweise sagt Prof. Dr. Mouhanad Khorchide,
Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Münster: „Es gibt viel wichtigere Themen als den Gebetsruf, über die eine Gesellschaft diskutieren sollte, etwa, wie die Kirchen und Moscheen zusammenarbeiten könnten, um ihre Rolle in der Gesellschaft neu zu definieren. Oder wo der Platz für Frauen in den Moscheen beim Freitagsgebet ist.“
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Der Gebetsruf sei kein Teil der religiösen Praxis oder Lehre, „er hat nur die Funktion, die Gläubigen zum Gebet zu rufen. Und diese Funktion ersetzen mittlerweile häufig Uhren oder Internet-Apps, seine Bedeutung nimmt daher ab, beispielsweise haben auch Länder wie Saudi-Arabien oder Ägypten beschlossen, dass er dort zumindest leiser stattfindet.“ Khorchide regt an, die Bevölkerung zu fragen, „sonst ist das Vorhaben nur Wasser auf die Mühlen von Populisten und Kritikern“.