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„Diese Symbolpolitik dient den Falschen“Scharfe Kritik an Reker in Muezzinruf-Debatte

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Oberbürgermeistern Reker beim Tag der offenen Moschee. (Symbolbild)

Köln – Die Ankündigung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, den rund 35 Kölner Moscheen in einem zweijährigen Testphase den Muezzinruf zum Freitagsgebet zu erlauben, sorgt weiterhin für kontroverse Debatten. Im Netz gibt es dazu inzwischen Tausende Kommentare. Die in Istanbul geborene Kölner Autorin und frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün übte deutliche Kritik an Reker.

Die OB, „die sonst nicht besonders erfolgreich agiert“, wolle den toleranten Kölnern mit Symbolpolitik schmeicheln, doch „diesmal geht der Schuss nach hinten los“, schreibt Akgün auf Facebook. „Denn diese Symbolpolitik dient den Falschen.“

Rekers Plan sei „an keinem Punkt durchdacht und am wenigsten unter politischen Gesichtspunkten. Und er zeigt in aller Traurigkeit, wie wenig politisch die gute Frau Reker denkt.“

Der Muezzinruf werde „zu einem Ruf des politischen Islams“

Wenn künftig der Muezzinruf von der Zentralmoschee in Ehrenfeld erklinge, sei man „mitten im politischen Minenfeld“, so Akgün. „Die Ditib-Moschee ist inzwischen ein Symbol für den politischen Islam, eine politische Institution mit Gebetsmöglichkeiten. Um das nicht zu erkennen, muss man politisch blind und taub sein.“ Akgün erinnerte an die Eröffnung der Moschee 2018, „bei der Erdogan das große Wort führte und zu der nicht einmal der ehemalige OB Fritz Schramma eingeladen war, der sich über Jahre für den Bau dieser Moschee eingesetzt hatte“. Die Erlaubnis für den Muezzinruf von der Ehrenfelder Moschee sei also „ein Knicks vor dem politischen Treiben Erdogans, auch in Deutschland. Ein Schlag ins Gesicht aller politischen Dissidenten, die in Deutschland politisches Asyl bekommen haben.“ Der Muezzinruf werde „zu einem Ruf des politischen Islams. Ist das den Verantwortlichen in Köln nicht wirklich klar?“, fragt Akgün.

Die Psychologin hat mehrere kritische Bücher zur Islampolitik geschrieben, darunter „Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus“ (2011) und „Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime. Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland“ (2018). Darin legt sie dar, wie der konservative Islam seinen Einfluss in Deutschland ausweite, und fordert einen Staat, in dem alle Religionen „gleichberechtigt behandelt werden, aber nicht das öffentliche Leben bestimmen können“.

Bisher wurden laut Sprechern keine Anträge für Gebetsaufrufe gestellt

Akgüns Fazit zum Modellprojekt der OB: „Frau Reker, Ihre Entscheidung ist mehr als ungut. Sie ist unpolitisch und das Gegenteil von gelebter Toleranz!“

Die Ditib als größter islamischer Verband in Köln hat sich nach eigenen Angaben bisher nicht mit der Frage befasst, ob sie für die Zentralmoschee an der Venloer Straße einen öffentlichen Gebetsaufruf beantragen will. Auch von anderen Ditib-Gemeinden habe es keine Anträge für einen Muezzinruf gegeben, erklärte eine Sprecherin.

Beim Bau der Zentralmoschee hatte es eine Vereinbarung gegeben, dass dort keine öffentlichen Gebetsrufe stattfinden sollen. Die Minarett-Türme sind nicht begehbar. Der Muezzinruf erschallt bisher nur im Gebetssaal und auf der Platzfläche daneben.

Der Stadt liegen bisher nur wenige Anfragen für Muezzinrufe vor. Wie berichtet, sind sie auf Antrag künftig freitags zwischen 12 und 15 Uhr für maximal fünf Minuten genehmigungsfähig, „wenn sie sozial adäquat sind“. Es sollen Lärmgrenzwerte gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz (TA Lärm) gelten.

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OB Reker verteidigte das Modellprojekt. „Köln ist die Stadt der (religiösen) Freiheit & Vielfalt. Wer am Hauptbahnhof ankommt, wird vom Dom begrüßt und von Kirchengeläut begleitet. Viele KölnerInnen sind Muslime. Den Muezzin-Ruf zu erlauben, ist für mich ein Zeichen des Respekts“, schrieb sie am Sonntag auf Twitter. Zuvor hatte Reker erklärt, es sei nicht ihre Aufgabe, religiöse Botschaften zu bewerten, geschweige denn zu verbieten. „Muslim*innen, viele von ihnen hier geboren, sind fester Teil der Kölner Stadtgesellschaft. Wer das anzweifelt, stellt die Kölner Identität und unser friedliches Zusammenleben infrage. Wenn wir in unserer Stadt neben dem Kirchengeläut auch den Ruf des Muezzins hören, zeigt das, dass in Köln Vielfalt geschätzt und gelebt wird.“