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Grünen-Spitzenkandidatin Christiane Martin„Die Autos in Köln müssen Platz machen“

Lesezeit 5 Minuten
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Naturschutz liegt ihr am Herzen: Christiane Martin in ihrem Schrebergarten.

  1. Die Ehrenfelderin Christiane Martin (53) geht für die Kölner Grünen bei der Kommunalwahl ins Rennen.
  2. Wir sprachen mit ihr über die Mobilität in Köln, den Baumschutz und die geplante FC-Erweiterung.
  3. Das Gespräch führte Michael Fuchs.

Köln – Die Ehrenfelder Bezirkspolitikerin Christiane Martin (53) ist Spitzenkandidatin der Kölner Grünen für die Kommunalwahl. Michael Fuchs sprach mit ihr über ihre Pläne und Ziele.

Mit Ihrer Kandidatur für Listenplatz 1 haben Sie Fraktionschefin Brigitta von Bülow herausgefordert. Zwei Drittel der Grünen sind Ihnen gefolgt. Wie sehen Sie das Ergebnis?

Martin: Ich freue mich sehr, dass die Mitgliederversammlung mein Angebot des Aufbruchs und des frischen Winds angenommen hat. Dass das Votum so deutlich ausgefallen ist, stärkt mich bei den Dingen, die ich mir vorgenommen habe.

Werden Sie nach der Wahl Fraktionsvorsitze?

Das entscheidet die neue Fraktion. Jetzt geht es darum, einen guten Wahlkampf zu machen. Unser Ziel ist, das bisher beste Ergebnis für die Grünen zu holen. Wenn die neue Fraktion gewählt ist, werde ich meinen Hut in den Ring werfen.

Das beste Kommunalwahl-Ergebnis der Grünen waren 21,7 Prozent im Jahr 2009. Bei der Europawahl 2019 holten die Grünen in Köln sogar 32,9 Prozent. Was peilen Sie jetzt an?

Besser abzuschneiden als 2009 und möglichst nah an 2019 heranzukommen.

Beim Parteitag haben Sie gesagt: „Die Autos müssen raus aus der Stadt!“ Wie radikal ist Ihr Ansatz für Köln?

Wir kommen um die Mobilitätswende nicht herum. Wir müssen sie konsequent einleiten und erfolgreich umsetzen – und zwar schnell. Ich will nicht alle Autos aus der Stadt verbannen. Aber mit dem Vorrang des motorisierten Individualverkehrs muss Schluss sein. In Zukunft braucht es andere Mobilitätskonzepte. Ideen und politische Beschlüsse gibt es ja längst. Ich will, dass sie schneller umgesetzt werden.

Was fordern Sie konkret?

Die ungerechte Aufteilung des öffentlichen Raums zu Gunsten des Autos zu beenden. Fahrbahnen und Parkplätze nehmen zu viel Raum ein, während für Fußgänger und Radfahrer zu wenig Platz ist. Das müssen wir ändern. Es kann nicht sein, dass man mit dem Auto immer noch über die Ehrenstraße fahren darf, während Fußgänger und Radfahrer dort kaum den Corona-Abstand einhalten können. Die Autos müssen Platz machen für eine andere Mobilität. Es muss ein Umdenken stattfinden.

Wie wollen Sie das erreichen?

Es gibt den Satz: Säe Infrastruktur, und du wirst Verkehr ernten. Man hat viele Straßen gebaut, und der Autoverkehr hat extrem zugenommen. Wir müssen jetzt den umgekehrten Weg gehen – mehr Angebote für Bus, Bahn und Rad- und Fußverkehr schaffen. Dann steigt auch die Nachfrage.

Sind Sie dafür, die Parkgebühren weiter zu erhöhen?

Ja, das kann ein Steuerungsinstrument sein. Dann müssen wir aber auch gute Alternativen zum Auto anbieten.

Zur Person

Christiane Martin wurde 1967 in Freiberg (Sachsen) geboren. Ihre Familie ist schon zu DDR-Zeiten in den Westen ausgereist. In Bonn studierte sie Geographie mit Schwerpunkt Vegetation und Ökologie, heute arbeitet sie als selbstständige Journalistin, Texterin und Lektorin.

2002 trat sie bei den Grünen ein, wurde 2007 Mitglied der Bezirksvertretung Ehrenfeld und übernahm dort 2009 den Fraktionsvorsitz. Martin kennt Oberbürgermeisterin Henriette Reker gut, sie war 2015 für das Wahlkampfteam der parteilosen OB tätig. Sie ist verheiratet, hat drei erwachsene Töchter und vier Enkelkinder. (fu)

In der Corona-Krise haben andere Städte praktisch über Nacht neue Radwege geschaffen. In Köln passierte zu diesem Thema wenig …

Berlin, Brüssel und Barcelona haben vorgemacht, wie es geht. Da hätte ich mir von der Kölner Stadtverwaltung mehr Mut gewünscht. Hier fehlte auch der politische Wille.

Obwohl die Grünen seit vielen Jahren in Köln mitregieren …

Ich hoffe, dass wir mit einer neuen stärkeren Ratsfraktion künftig auch mehr grüne Themen durchsetzen können.

Möchten Sie das Bündnis mit der CDU fortsetzen?

Über mögliche Bündnisse sprechen wir nach der Wahl. Wir werden mit allen demokratischen Parteien reden und schauen, mit wem man mehr grüne Ziele erreichen kann.

Die CDU ist sicher nicht begeistert über Ihren Vorschlag, auf der Inneren Kanalstraße eine Straßenbahn und Radwege zu bauen und aus sechs Autospuren zwei zu machen…

Ich bin der Meinung: Man muss groß denken, sonst erreicht man nichts. Durch Corona geschehen jetzt viele Dinge, die man vorher nie gedacht hätte. Man muss Ideen aussprechen und diskutieren dürfen. Ich weiß aber auch, dass zur Politik Kompromisse gehören.

Sie bewirtschaften in Ehrenfeld einen Schrebergarten, halten dort Honigbienen, engagieren sich gegen Baumfällungen. Wie wichtig ist Naturschutz für Sie?

Das ist für mich eine Herzenssache. In der Bezirksvertretung habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, bei jedem Fällantrag zu prüfen, ob das wirklich nötig ist. Oft konnten wir Lösungen finden: Alte, kranke Bäume wurden zurückgeschnitten und konnten danach noch viele Jahre stehen bleiben. Bei Bauvorhaben ließen sich durch Planänderungen Fällungen vermeiden. Ich wünsche mir, dass die Verwaltung dem Baumschutz von vorneherein Priorität einräumt.

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