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OB, Museumsleiter, Arena-ChefFünf Jahre Corona - So haben wir den Lockdown in Köln erlebt

Lesezeit 8 Minuten
Wie ausgestorben: Der Bahnhofsvorplatz an einem Sonntagmittag während des ersten Lockdowns.

Wie ausgestorben: Der Bahnhofsvorplatz an einem Sonntagmittag während des ersten Lockdowns.

Wie war der erste Lockdown? Und was ist uns von Corona geblieben? Wir haben Menschen aus der Stadtgesellschaft befragt.

Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker

Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker

OB Henriette Reker, Krisenstab der Stadt Köln

„Ich erinnere mich gut an das Gefühl, das ich an Weiberfastnacht 2020 auf dem Alter Markt hatte, als die Menschen dort dicht gedrängt fröhlich gefeiert haben. Da wurde mir ganz bewusst, dass das, was gerade in China passiert, auch uns treffen wird, weil wir so eine globale Gesellschaft sind. Nur ein paar Tage später hatten wir in Köln die ersten Verdachtsfälle, dann den ersten Todesfall. Ich bin nach Berlin gefahren, um dort von dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn zu erfahren, was alles auf uns zukommt. Danach hat es keine 24 Stunden gedauert, und wir haben als Stadt gemeinsam mit der Uniklinik und der Kassenärztlichen Vereinigung das Infektionsschutzzentrum eröffnet. Als zwei Wochen später dann der erste Lockdown begonnen hat, musste ich selbst als Kontaktperson für 14 Tage in Quarantäne. Ich habe zu Hause am Esstisch gearbeitet, bekam zweimal am Tag die Post aus dem Rathaus und hatte die ersten Videositzungen. Dazwischen bin ich die Treppen im Haus hoch und runter gelaufen, um mich zu bewegen.

Zu Beginn des Lockdowns habe ich die leere Stadt noch als wohltuend und sauber empfunden, es dauerte aber nicht lange und dann ist dieses Empfinden bei mir gekippt. Ich war oft besorgt um die Gesundheit und Einsamkeit der vielen alten Menschen in den Seniorenheimen. Auch um die Kinder und Jugendlichen, die so lange nicht in die Kitas und Schulen gehen konnten. Und ich war oft dankbar, zum Beispiel als unsere Partnerstadt Peking sich nach einer Maskenlieferung aus Köln andersherum mit einer Hilfslieferung bedankte. Wir mussten eine ganze Messehalle leer räumen, so viel war es. Als Krisenstab konnten wir in der Zeit viel bewegen: Zusammen mit dem Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Johannes Nießen, haben wir als erste im Land die Pool-Testungen für die Kitas, das digitale Kontaktpersonenmanagement oder die Impfungen für vulnerable Stadtteile ins Rollen gebracht. Die Kontaktbeschränkungen in Köln waren zum Teil streng, vielleicht ist unsere Vorsicht an der ein oder anderen Stelle auch über das Ziel hinausgeschossen. Im Vergleich gab es aber in Köln auch weniger Todesfälle mit Corona als in anderen Städten - das könnte mit daran liegen, dass sich die allermeisten Kölnerinnen und Kölner an die Kontaktverbote gehalten haben - auch im Karneval!“

Peter Otten ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln.

Peter Otten ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln.

Peter Otten, Pastoralreferent von St. Agnes

„Als Gottesdienste im Lockdown nicht mehr möglich waren, haben wir schnell gemerkt, dass das viele Menschen belastet hat und sie das gemeinsame Gebet und die Gemeinschaft vermisst haben, gerade in einer Zeit, die für viele belastend war. Uns in der Gemeinde war es wichtig, dass wir die Agnes-Kirche als Ort der Zuflucht und der Trauer offen halten konnten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Wir wollten den Menschen eine Möglichkeit geben, ihre Sorgen auszudrücken. Wir haben einige rote Steine mit Löchern, die wir sonst zum Taizé-Gebet nutzen, aufgestellt und Zettel ausgelegt. Darauf konnte man Sorgen und Gebete aufschreiben und die Zettel zusammengerollt in die Löcher legen. Die Resonanz war überwältigend. Es dürften an die 3000 Zettel zusammengekommen sein. Vor einer Weile habe ich die gesammelten Zettel in einer Kiste an die Künstlerin Christiane Rath übergeben. Ich wollte, dass das bewahrt wird und nicht untergeht.“

Yilmaz Dziewior, Direktor Museum Ludwig

Yilmaz Dziewior, Direktor Museum Ludwig

Yilmaz Dziewior, Direktor Museum Ludwig

„Ich erinnere die Zeit als absolute Ausnahmesituation. Da ist mir wieder einmal besonders bewusst geworden, dass ein Museum ohne Besucherinnen und Besucher kein richtiges Museum ist. Das Programm und die Sammlung sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Wir haben versucht, trotz der gezwungenen Schließung unseres Hauses unserer Aufgabe nachzukommen und ein digitales Angebot gemacht: Ich bin mit dem Handy durch die menschenleeren Ausstellungsräume gegangen, habe einzelne Kunstwerke vorgestellt und habe live ins Internet gesendet. Aber die meiste Kunst muss man analog erleben und nicht am Bildschirm. Wir haben intensiv dafür gekämpft, dass die Politik sieht, wie wichtig die Kultur gerade auch in einer solchen Krise ist, wie sehr sie die Resilienz stärkt und eine Beschäftigung mit anderen Themen bietet.

Manche Ausstellungen mussten wir ersatzlos ausfallen lassen. Nur ein Bruchteil der Besucher konnte die so lange geplante Ausstellung ,Andy Warhol Now‘ sehen. Wir hatten mit 300.000 Besucherinnen und Besuchern gerechnet, am Ende haben sie nur 30.000 gesehen. Das hat geschmerzt. Gleichzeitig haben wir aus der Krise auch gelernt. So haben wir unsere digitalen Aktivitäten intensiviert, um das Publikum ins Museum zu führen und wir gehen jetzt noch bedachter mit unseren Ressourcen um. Wir sind uns durch die Krise noch bewusster geworden, dass viele Menschen im Museum keine Selbstverständlichkeit sind, sondern etwas Besonderes, dass es zu wertschätzen gilt.“

Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess-Arena

Stefan Löcher, Geschäftsführer der Lanxess-Arena

Stefan Löcher, Chef der Lanxess-Arena

Ich erinnere mich natürlich an den ersten Schock als man realisiert hat, dass die Lage jetzt wirklich ernst wird. Privat habe ich mir vor allem Sorgen um die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen gemacht. Beruflich war es natürlich der absolute Worst-Case für uns. Wir mussten über 300 laufende und terminierte Events mehrmals verschieben, hatten defacto keine Einnahmen mehr, dafür aber einen unfassbaren Verwaltungs- und Beschwerde-Aufwand, weil Millionen Ticketinhaber in der Luft hingen. Das war absurd. Die leere Arena, in der es sonst vor Menschen wimmelt, hatte eine gruselige Atmosphäre, so ein schlafender Riese. Wir haben, Gott sei Dank, nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern schnell für Alternative-Konzepte gesorgt. Konzerte mit Plexiglas-Käste, Streaming-Events oder Sport-Turniere, die nur im TV übertragen wurden. Ganz still haben wir es fast nie werden lassen. Das allermeiste haben wir Gott sei Dank nachholen können. Wichtig war die Abschiedstour von Genesis, die unsere erste Show nach dem letzten Lockdown war.

Aber natürlich gab es auch Shows die verschoben und dann nicht mehr abgebildet wurden wie Celine Dion, die in der Zwischenzeit leider nicht mehr in der Lage war aufzutreten oder auch Justin Bieber und Shawn Mendes die, als es soweit gewesen wäre, mit ihrer Gesundheit unabhängig von COVID zu kämpfen hatten. Wehgetan hat auch, dass wir Sport-Highlights wie das EuroLeague Final4 ohne Gästte abhalten mussten, da man so ein Turnier nur alle paar Jahre überhaupt akquiriert bekommt. Nach der Pandemie ist unsere Arbeitsweise in vielen Bereichen digitaler geworden. Auch haben wir die Zeit genutzt, um Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, für die sonst im Kalender kaum Zeit ist. 

Schulleiter Andre Szymkowiak vom Thusnelda-Gymnasium

Schulleiter Andre Szymkowiak vom Thusnelda-Gymnasium

André Szymkowiak, Schulleiter des Gymnasium Thusneldastraße

„Der erste Lockdown war ein einschneidendes Ereignis für uns. Als wir freitags die Nachricht der Landesregierung bekamen, dass am Montag alle Schulen und Kindergärten schließen, haben wir sofort gehandelt. Über das Wochenende hat ein Team aus Lehrkräften ein digitales Lernsystem eingerichtet und Lizenzen für eine Software abgeschlossen, die von unserem Förderverein finanziert wurde. So konnten unsere Lehrerinnen und Lehrer direkt für die neuen Programme geschult werden, und am Mittwoch, als dann der Distanzunterricht losgehen sollte, waren wir startklar.

Ich habe eine Videoansprache für die Schülerinnen und Schüler gehalten, wir haben eigene Chat-Kanäle zur Betreuung eingerichtet. Das Kollegium und ich waren sehr motiviert, diese Herausforderung anzunehmen. Auf eine Art und Weise hatte das Arbeiten im Lockdown sogar eine besondere Atmosphäre, das hohe Maß an Selbstwirksamkeit fühlte sich gut an. Natürlich hatte der Lockdown auch viele Schattenseiten: Ich habe mich schon früh gefragt, welche Folgen es für Kinder hat, wenn der Sozialraum Schule und die gewohnte Tagesstruktur fehlt. Wir sehen noch heute die Spätfolgen. Neben Defiziten beim Lernstoff sind das vor allem psychische Probleme wie Depressionen. Geblieben ist nach Corona die Digitalisierung unserer Schule und dass die Schulleitungen durch das hohe Maß an Selbstständigkeit einen Schritt autonomer geworden sind.“

Prof. Jan Rybniker aus der Uniklinik Köln

Prof. Jan Rybniker aus der Uniklinik Köln

Prof. Dr. Dr. Jan Rybniker, Infektiologe an der Uniklinik Köln

Im Krankenhaus gibt es keinen Lockdown, eher das Gegenteil. Wir haben sofort auf den Krisenmodus umgeschaltet. Ich hatte enormen Respekt vor der Situation, denn ich kannte die Bilder aus Norditalien. Gerade von den Erfahrungen der italienischen Kollegen konnten wir aber viel profitieren. Schwierig war vor allem die hohe Anzahl der Quarantäne-Patienten und der Zeitpunkt, als es kurzzeitig keine Masken und kein Desinfektionsmittel mehr gab. Es war eine anstrengende und Kräfte zehrende Zeit. Aber ich erinnere mich auch an eine ungeheure Kollegialität und Teamarbeit im Krankenhaus. Um alle Covid-19-Patientinnen und -Patienten an der Uniklinik versorgen zu können, haben wir fast alle geplanten Maßnahmen zurückgefahren. Darunter geplante Operationen und auch Chemotherapien. Im Nachhinein muss man das auch kritisch sehen.

So hatten wir aber ausreichend Intensivbetten frei. Auch nach der Zeit auf der Intensivstation mussten viele Patienten noch im Krankenhaus bleiben, weil Corona sie so geschwächt hat. Für diese Patienten haben wir eine eigene Ebene im Bettenhaus eingerichtet. Als eines der ersten Krankenhäuser haben wir diese Covid-19-Station aber auch wieder geschlossen: Oft haben die Patienten nicht nur eine Erkrankung - in den Fachabteilungen können sie viel besser versorgt werden. Auch nach der Pandemie nutzen wir Masken deutlich mehr als vor der Pandemie. Immer dann, wenn andere Viren wie zum Beispiel Influenza besonders hohe Infektionszahlen in der Bevölkerung haben, tragen auf einigen Stationen alle Ärzte, das Pflegepersonal, aber auch Patienten und Besucher Masken. Wir sind maximal davon überzeugt, wie sinnvoll sie uns und insbesondere unsere immungeschwächten Patienten schützen.