Sechs Jahre nach ihrem Abschied aus dem Stadtrat strebt die ehemalige Fraktionsvorsitzende der Grünen, Kirsten Jahn, eine neue Funktion in ihrer Partei an. Doch es gibt es gibt massiven Gegenwind.
Kirsten Jahn vor Comeback?Überraschende Kandidatur bei den Kölner Grünen

Kirsten Jahn (vorne) bei ihrer letzten Ratssitzung als Fraktionsvorsitzende der Grünen am 14. Februar 2019
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Überraschende Entwicklung bei den Kölner Grünen: Die frühere Fraktionschefin Kirsten Jahn (48) bewirbt sich um den Parteivorsitz. Sechs Jahre nach ihrem Abschied aus dem Stadtrat hat sie vorige Woche ihre Bewerbung für den Frauenplatz in der Doppelspitze des Kreisverbands Köln abgegeben. Als Co-Vorsitzender kandidiert Cyrill Ibn Salem (32), er gehört dem aktuellen Vorstand als vielfaltspolitischer Sprecher an. Weitere Kandidaturen für den Parteivorsitz gibt es bislang nicht. Die zuvor als mögliche Parteichefin gehandelte Beisitzerin Sarah Brunner (39) will jetzt politische Geschäftsführerin werden. Die Wahl der neuen Parteispitze soll auf einer Kreismitgliederversammlung am 15. und 16. März stattfinden.
Wie berichtet, treten die bisherigen Parteichefs Katja Trompeter (49) und Stefan Wolters (47) nicht mehr für das zeitintensive Ehrenamt an, sie führen dafür berufliche Gründe ins Feld. Dem Vernehmen nach waren im Vorstand aber auch inhaltliche Konflikte ein Thema.
Trompeter hat die Kölner Grünen seit 2016 geführt, Wolters kam im Juni 2022 ins Amt. Seitdem ist der Kreisverband stark gewachsen, auf mehr als 4000 Mitglieder. Mit dem gleichzeitigen Rückzug beider Parteichefs sechs Monate vor der wichtigen Kommunalwahl und Oberbürgermeisterwahl im September sei die Partei in eine schwierige Lage geraten, heißt es bei den Grünen.
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Bewerbung von Kirsten Jahn ist bei den Grünen in Köln umstritten
Offenbar wurde Jahn gezielt angesprochen. Als Fraktionschefin von 2014 bis 2019 hatte sie den schwarz-grünen Bündnisvertrag vom 15. März 2016 mitverhandelt, sie verfügt also über Erfahrung im Verhandeln mit der CDU, die erneut Bündnispartner werden könnte. Seit Jahns Bewerbung laufen bei den Grünen die Drähte heiß. Die Personalie ist hoch umstritten, vor allem aus dem linken Parteiflügel hagelt es Kritik. Grund ist die Stadtwerkeaffäre, die 2018 die Kölner Kommunalpolitik erschütterte. Damals wollte SPD-Fraktionschef Martin Börschel ohne Ausschreibung auf einen lukrativen Chefposten bei den Stadtwerken wechseln. Der Deal, den Jahn und Grünen-Geschäftsführer Jörg Frank mitgetragen hatten, platzte nach Intervention von Oberbürgermeisterin Henriette Reker und viel öffentlicher Kritik.
In der Folge schieden Jahn und Frank aus dem Stadtrat aus. Jahn wechselte im März 2019 – ebenfalls ohne öffentliche Ausschreibung – auf den hoch dotierten Geschäftsführerposten beim Lobby-Verein Metropolregion Rheinland (MRR). Kritik daran wies sie zurück. Es habe ein Bewerbungsverfahren gegeben, bei dem sie sich unter mehreren Bewerbern durchgesetzt habe. Tatsächlich konnte sich der Vorstand der MRR erst dann auf Jahns Berufung einigen, als man vereinbarte, ihr Ulla Thönnissen (CDU) als Co-Geschäftsführerin mit halber Stelle zur Seite zu stellen.
Der Lobby-Verein, der von den beteiligten Städten und Kreisen finanziert wird, hatte zunächst neben den beiden Geschäftsführerinnen nur drei Angestellte und blieb in den folgenden drei Jahren weit hinter den Erwartungen seiner Mitglieder zurück. Nachdem der Düsseldorfer Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) 2021 den Vorstandsvorsitz der MRR von Kölns OB Henriette Reker übernommen hatte, wechselte Jahn im März 2022 als „Leiterin Personal und interne Organisation“ zum Immobilienentwickler Osmab.
In ihrer Bewerbung um den Parteivorsitz erwähnt Jahn diese beiden beruflichen Stationen nicht. „Es ist ihr peinlich“, heißt es dazu in einem Hintergrundpapier, das zurzeit bei den Grünen die Runde macht. Als Fraktionschefin im Rat habe sie gelernt, „wie hart und oftmals kompliziert politisches Gestalten ist – und auch wie man schwierige Zeiten durchsteht“, schreibt sie an ihre Parteifreunde.
Der Rundschau sagte Jahn: „Dass ich in der jetzigen Situation kurz vor zwei wichtigen Wahlen den ehrenamtlichen Parteivorsitz übernehmen möchte, habe ich mir gut überlegt. Das war kein Schnellschuss. Ich mache meiner Partei ein Angebot und hoffe, dass sie es annimmt. Ich möchte gerne meine kommunalpolitische Erfahrung einbringen und dazu beitragen, dass die Grünen einen guten Wahlkampf und erfolgreiche Koalitionsverhandlungen führen werden.“
Jahn betonte: „Ich strebe keine weitere politische Karriere an.“ Sie wisse um die Vorbehalte, die manche gegen sie hegen würden. Trotzdem sei sie bereit, jetzt für die Partei Verantwortung zu übernehmen. Zu ihrer Rolle in der Stadtwerkeaffäre sagte Jahn: „Es sind damals Fehler gemacht worden, auch von mir. Aber diese Vorgänge sind abgeschlossen. Ich habe zur Aufarbeitung aktiv beigetragen und möchte nach vorne blicken.“
Ortsverbände der Kölner Grünen wollen Wahl von Jahn vertagen
Kritisch sehen Teile der Grünen auch, dass Jahn seit 2020 als Sachkundige Einwohnerin im Stadtentwicklungsausschuss sitzt, obwohl sie für den Immobilienentwickler Osmab tätig ist. Im Ausschuss hat sie kein Stimmrecht, aber Zugang zu nichtöffentlichen Ratsunterlagen. „Einen Interessenskonflikt sehe ich hier nicht“, sagte Jahn. „Es ist die Aufgabe von sachkundigen Einwohnern in beratender Funktion ihre Expertise im Ausschuss einzubringen. Sofern es um Dinge geht, die Osmab in irgendeiner Weise betreffen könnten, gehe ich offen und transparent damit um.“
In mehreren grünen Ortsverbänden regt sich Widerstand gegen ihre Kandidatur. Dieses Jahr haben die Grünen erstmals die Chance, in Köln die Oberbürgermeisterin zu stellen. Manche sorgen sich, dass die umstrittene Personalie den OB-Wahlkampf negativ beeinflussen könnte, und wollen Jahn zum Rückzug drängen.
Kritik an engem Zeitplan für die Vorstandswahl
Diana Siebert, grüne Bezirksbürgermeisterin von Nippes, erklärte: „Die Kandidaturen waren für viele Mitglieder teilweise sehr überraschend. Die Texte zur Kandidatur sind erst 17 Tage vor der Versammlung bekannt gegeben worden. Es muss sichergestellt werden, dass auch die vielen Neumitglieder unserer Partei wissen, für wen sie da genau stimmen. Deshalb wäre es sinnvoll, die Vorstandswahl zu verschieben.“ Tatsächlich sind allen in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 1000 Mitglieder neu in die Kölner Grünen eingetreten, vielen davon dürften die Stadtwerkeaffäre kein Begriff sein.
Auch Reinhold Goss, Sprecher des Ortsverbandes Innenstadt, forderte, die Wahl zu vertagen. Viele seien unzufrieden mit der Kandidatur und dem engen Zeitplan. „Wir kommen aus einem anstrengenden Bundestagswahlkampf und benötigen Zeit für die Entscheidung. Die sollten wir uns nehmen.“ Grünen-Ratsherr Ralf Unna, der von 2011 bis 2019 mit Jahn im Stadtrat saß, erklärte: „Ich halte Kirsten Jahn als Co-Parteivorsitzende für eine gute Wahl. Sie hat 2018 in der Stadtwerkeaffäre Fehler gemacht, aber sie hat eine zweite Chance verdient. Ihre kommunalpolitische Erfahrung würde der Partei bei den bevorstehenden Herausforderungen eine große Hilfe sein.“