- Mario Thevis leitet das weltweit ebenso geachtete wie gefürchtete Doping-Institut der Kölner Sporthochschule.
- Bernd Imgrund sprach mit dem Chemiker und Sportwissenschaftler.
Mal eben rein kommt hier keiner: Das Doping-Institut der Sporthochschule entert man nur über einen Türöffnungscode und den Eintrag in die Besucherliste. Vorsichtsmaßnahmen, schließlich werden hier kriminelle Machenschaften aufgedeckt.
Wie dopen Sie sich, wenn Sie richtig fit sein wollen?
Mit ausreichend Schlaf und gesunder Ernährung.
Als gebürtiger Aachener: auch mit Printen?
Printen nur im Winter!
Morgens einen Kaffee, abends nen Schnaps: Ist das dopingrelevant?
Nein, Alkohol steht seit 2018 nicht mehr auf der Verbotsliste.
Aber Alkohol wirkt doch angstmindernd.
Das stimmt, bei der ein oder anderen Sportart sorgt er auch für eine ruhigere Hand. Aber die Welt Anti-Doping Agentur (WADA) hat nach reiflicher Diskussion beschlossen, dass hinsichtlich Alkohol im Rahmen von Verbandsregularien entschieden werden soll.
Ich könnte also strunzbetrunken zum 100-Meter-Lauf bei Olympia antreten?
Könnten Sie durchaus tun. Wobei ich nicht glaube, dass Sie sich dadurch einen echten Vorteil verschaffen. (lacht)
Macht Mars mobil?
Nicht mehr als andere fett- und kohlenhydrathaltige Substanzen. Die sportliche Leistungsfähigkeit hängt unter anderem von den sogenannten Energieträgern ab. Und Fette und Kohlenhydrate finden Sie eben auch in Schokolade.
Zur Person
Mario Thevis wurde 1973 in Aachen geboren. Nach dem Abitur studierte er Chemie in Aachen und dann zusätzlich Sportwissenschaften in Köln. 1998 zog er nach Köln und promovierte hier 2001. Als Post-Doktorand verbrachte er ein Jahr an der University of California, Los Angeles (UCLA). Zurück in Köln, folgte auf die Habilitation 2004 die Professur für Präventive Dopingforschung. 2017 übernahm er schließlich von seinem Doktorvater Wilhelm Schänzer die Leitung des Instituts für Biochemie der Sporthochschule.
Mario Thevis wohnt in Junkersdorf.
www.dshs-koeln.de
Sie haben Chemie und Sportwissenschaften studiert. Was wollten Sie ursprünglich damit werden?
Das war für mich auch lange unklar. Meine Schwester war schon an der Spoho, bevor ich mein Studium hier begann; deshalb kam ich auf die Kombination beider Fächer. Mein Vorgänger Professor Schänzer eröffnete mir dann die Gelegenheit, hier zu promovieren.
Zur Dopingkontrolle geht man genauso gern wie zum Zahnarzt. Warum diese Fachrichtung?
Wegen der analytischen Herausforderung. Über die instrumentelle Analytik wusste ich im Vorfeld bereits einiges – allerdings aus Bereichen, in denen man weiß, wonach man sucht. Bei der Anti-Dopingarbeit ist das anders, da sucht man in der Regel nach Verdecktem.
Sitzen sie alltags im Labor und schleudern Urin oder mixen Stöffchen zusammen?
Früher stellte sich das ungefähr so dar, ich hätte es etwas wissenschaftlicher versucht zu umschreiben. Im Laufe der Karriere wurde ich allerdings immer mehr hinter den Schreibtisch versetzt.
Was war Ihr schrägster Fall?
Ungewöhnlich trifft es wohl besser. Athleten, die in Afrika trainierten, erhielten eine Malariaprophylaxe. Völlig legitim soweit, aber als diese zurückkamen, waren sie dopingpositiv mit einem eigentlich nicht mehr gebräuchlichen Diuretikum, also einem urinfördernden Mittel. Der Befund war eindeutig, das damalige Labor hatte keinen Fehler begangen. Aber auch bezüglich der Athleten gab es keinen plausiblen Grund für einen Dopingverstoß.
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Wer war also schuld?
Letztlich niemand. Hochleistungssportler ernähren sich gern kreatinreich, und wir fanden heraus: Beim Ausscheiden des Urins werden Abbauprodukte des Kreatins und des Prophylaxe-Medikaments zu jenem Diuretikum umgewandelt. Die Regeln sagen, der Athlet ist für seinen Urin verantwortlich . . .
. . . und folglich wurden diese Sportler gesperrt?
Zum Glück nicht. Denn die Sache war zwar kurios, aber unsere Datenlage eindeutig.
Wären Sie mit Ihrem Wissen nicht der perfekte Dopingdoktor?
Ich könnte schon den ein oder anderen Weg weisen, um das Dopingsystem zu unterwandern.
Mal Angebote vom kasachischen Gewichtheberverband bekommen?
Zum Glück noch nicht. (lacht) Unsere Position hier ist so eindeutig, dass das wohl auch nicht passieren wird.
Aber Sie könnten vermutlich deutlich mehr verdienen auf der anderen Seite.
Vielleicht kurzfristig, aber das wäre es nicht wert.
Schon die antiken Olympioniken sollen gedopt haben?
Es wurde beschrieben, dass manch einer Opium konsumiert hat, weil das schmerz- und angstreduzierend wirken kann. Jenseits dessen wurde zuweilen versucht, die Jury zu bestechen oder die Waffen des Gegners zu manipulieren.
Wie wurde das Dopen im weiteren Verlauf diskutiert?
Die ersten Regeln wurden im englischen Pferderennsport des 17. Jahrhunderts aufgestellt. Es wurde festgelegt, dass das Tier vor und während dem Wettkampf nichts außer Wasser und Heu konsumiert haben durfte.
Was folgte auf Verstöße?
Der Reiter wurde disqualifiziert. Man weiß sogar von einer Todesstrafe: Da hatte jemand versucht, den haushohen Favoriten mit Arsen aus dem Rennen zu nehmen. Das Pferd starb daran, der Täter wurde hingerichtet.
Sind westliche Athleten sauberer als östliche, oder werden sie nur seltener erwischt?
Schwer zu sagen. Man müsste da über die nationalen Kontrollsysteme reden, aber da will ich mir kein Urteil erlauben.
Warum nicht? Da herrscht doch vermutlich ein Common Sense.
In meiner Funktion werde ich mich aber aus solchen Diskussionen heraushalten.
Ist erfolgreiches Doping eine Frage des Geldbeutels?
Auch, ja. Die analytischen Kontrollmöglichkeiten sind deutlich besser geworden, daher ist der Aufwand für eine erfolgreiche Vertuschung sehr hoch. Schlupflöcher wird es wahrscheinlich immer geben, aber dafür müssen die finanziellen Möglichkeiten da sein.
Sind Sie in einem konkreten Fall schon einmal bedroht worden?
Das ist ein sehr sensibles Thema. Ganz allgemein gesprochen: Ja, es ist durchaus schon einmal versucht worden, unsere Arbeit durch Drohungen zu beeinflussen. Aber mehr will ich dazu nicht sagen.
Warum sind Vitamine erlaubt, aber Anabolika oder Epo verboten?
Klassischerweise kann man sich an der Verbotsliste der Wada orientieren.
Klar, aber das wäre der legalistische Ansatz.
Richtig. Jenseits dessen kann man trennen zwischen regulärer Ernährung und Therapie sowie dem Missbrauch eines Medikaments. Und anabole Steroide etwa findet man – normalerweise – nicht in herkömmlichen Lebensmitteln.
Was würde geschehen, wenn Doping legal wäre?
Der Gebrauch würde sehr stark ansteigen, mit Konsequenzen für die Leistungsfähigkeit, aber auch für die Gesundheit der Athleten.
Welche Rolle wird in Zukunft die genetische Manipulation spielen?
Sicherlich eine immer größere. Zugleich gibt es aber auch schon erprobte Methoden, um Genmanipulation nachzuweisen.
Könnten irgendwann elf Messi-Klone gegen elf Ronaldos im Endspiel der Champions League stehen?
(lacht) Das werden wir wohl nicht mehr erleben.
Der Argentinier Lionel Messi soll mit Wachstumshormon auf seine 1,70 Meter gezogen worden sein.
Das entzieht sich meiner Kenntnis, wäre aber durchaus möglich. Im Übrigen können im Sport für erforderliche Behandlungen so genannte therapeutische Ausnahmegenehmigungen ausgestellt werden.
Also in Messis Fall: für Kleinwüchsigkeit?
Zum Beispiel. Insulin-pflichtige Diabetiker dürfen Insulin nutzen, obwohl das eigentlich unter die Verbotsliste fällt.
Und alle Skilangläufer und Radfahrer haben Asthma.
Tja, das wird nicht selten als Beispiel genannt. Hier werden aber irreführenderweise viel zu hohen Zahlen gehandelt. Und zudem muss berücksichtigt werden, in welcher Form und Dosierung die Wirkstoffe von Asthmamitteln leistungsfördernd wirken können.
Welchen Ruf hat Ihr Kölner Dopinglabor in der Welt, verbreiten Sie Angst?
Das wohl nicht, aber man schätzt unsere Arbeit durchaus, zumal wir die Ergebnisse stets in wissenschaftlichen Foren kommunizieren. Natürlich wirken wir letztlich in einer Nische, aber in unserem Bereich gehören wir weltweit zu den führenden Instituten.
Welches Dopingmittel könnten Sie mir als Tischtennisspieler empfehlen?
Habe ich früher auch gespielt. Natürlich kann ich Ihnen da keinen Tipp geben. Aber auch im Tischtennis wird sehr hart trainiert, die Regenerations- und Konzentrationsfähigkeit spielt eine enorm große Rolle. Von daher gibt es auch für TT-Spieler keinen Freibrief bezüglich einer Unbedenklichkeit in Sachen Doping.
Stichwort Dopingfalle: Was sollte ich vor einem Wettkampf auf keinen Fall zu mir nehmen?
In manchen Weltgegenden sollte man vor allem Fleisch meiden. Denken Die an die U17-WM der Fußballer 2011 in Mexiko: Da waren über 40 Prozent der Proben Clenbuterol-haltig. Sogar im Hotelessen fanden sich Spuren davon, von daher war den Sportlern kaum ein Vorwurf zu machen.
Aber die Salamibrötchen in der Spoho-Cafeteria sind okay?
Da bin ich mir sehr sicher. Und der Kaffee ist auch ziemlich gut!