Wirbel um Ausstellung zu Vollverschleierung50 Kölner Frauen schreiben offenen Brief
- Eine Ausstellung über Vollverschleierung und das Kulturamt zahlt? Das sorgt in Köln gerade für viel Empörung.
- Die zentrale Frage: „Welche förderwürdige Botschaft sendet diese Ausstellung aus?“
- Die zentrale Kritik: Das patriarchalische Frauenbild wird viel zu unkritisch dargestellt. Auch Lale Akgün gehört zu den Unterzeichnerinnen.
Köln – Sie ist noch nicht eröffnet und schon sorgt sie für Aufruhr: Die multimediale Ausstellung „Munaqabba − über Frauen mit Vollverschleierung in Deutschland“. Vom 21. bis 30. Juni soll sie im Atelierzentrum Ehrenfeld (AZE) stattfinden. Rund 50 Kölner Frauen haben sich nun in einem offenen Brief an das Kulturamt und das NRW-Kultusministerium als öffentliche Förderer der Ausstellung gewandt.
Ihre zentrale Frage: „Welche förderwürdige Botschaft sendet diese Ausstellung aus?“ Ihre Kritik: „Hier wird das in patriarchalischen islamischen Ländern existierende und angestrebte Frauenbild, das nach Deutschland getragen wurde, unkritisch und sogar positiv wertend weitergegeben.“
Diese Kritik weisen sowohl die Leiterin des städtischen Kulturamtes, Barbara Foerster, als auch ein Sprecher des Kultusministeriums energisch zurück. „Im Projektantrag geht es explizit um eine kritische Auseinandersetzung mit fundamentalistischen Lebensarten und Weltanschauungen und gerade nicht um deren Förderung“, teilt das Ministerium, das 8.000 Euro Fördergelder gewährt hat, mit. Das Geld stammt aus dem Sonderförderprogramm „Interkulturelle Impulse“.
Kölner Künstlerin von Kritik überrascht
Genau die möchte die Kölner Künstlerin und Fotografin Selina Pfrüner geben. Fünf Jahre lang hat sie die Begegnung mit vollverschleierten Frauen gesucht. „Ich hatte Ängste, ich war irritiert“, schildert die 37-Jährige den Beginn ihrer Recherche. „Mir ging es um die Frage, wer diese Menschen eigentlich sind. Dabei habe ich spannende Menschen getroffen“, sagt sie. In lebensgroßen Fotos, Video- und Audiobeiträgen porträtiert Pfrüner zehn Frauen. Die Kritik, die nun aufkommt, überrascht sie in ihrer Härte. „Gerade in den sozialen Medien schlägt mir viel Hass entgegen“, sagt sie und stellt fest, dass sie „genau diese Leute“ erreichen möchte. Ihre Ausstellung würde beileibe nicht bedeuten, dass sie für eine Vollverschleierung sei. „Zuhören heißt nicht zustimmen“, stellt sie mit Verweis auf einen Ausspruch der Journalistin Carolin Emcke klar.
Die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Lale Akgün, die zu den Unterzeichnerinnen des offenen Briefes gehört, lässt dieses Argument nicht gelten. „Über Vollverschleierung diskutiere ich genauso wenig wie über die Legalisierung der Todesstrafe“, sagt sie und fügt hinzu: „Als Frau und Demokratin empöre ich mich.“ Durch die Verschleierung werde die Frau entmenschlicht. Diesem Standpunkt steht die Intention der Künstlerin gegenüber, die „will, dass man den Menschen erkennt“.
Viel Stoff für Diskussionen steckt also in der Ausstellung. Genau das begrüßt die Kölner Kulturamtsleiterin. „Kunst provoziert oft erst − zuweilen durch das provokante Darstellen von ,fremden’ oder ,anderen’ Sichtweisen − gesellschaftliche Diskussionen“, sagt Barbara Foerster. Durch das Rahmenprogramm mit Führungen, Gesprächen sowie Podiumsdiskussionen mit Fachexperten gebe es die Gelegenheit zum Austausch. „Das Publikum wird nicht allein gelassen“, so Foerster, deren Amt die Ausstellung mit 3 000 Euro gefördert hat.
„Ich würde jedem, der diese Ausstellung problematisch findet, empfehlen, zu den Gesprächen zu gehen und mitzudiskutieren und so Einwände zu formulieren“, sagt die Leiterin des Kulturamtes. Eröffnet wird „Munaqabba“ am Freitag, 21. Juni, um 19 Uhr durch die Kuratorin Janine Koppelmann und die Fotografin. Programm und Öffnungszeiten findet man online: www.artrmx.de
AZE, Hospeltstraße 69