- Christoph Bosbach ist Großmeister der deutschen Freimaurererlogen.
- Mit Bernd Imgrund sprach er über Rituale, Symbole und Geheimnisse der Vereinigung
Köln – Als Interviewgast ist Christoph Bosbach leger gekleidet. Als Großmeister der Freimaurer wäre er beim Gesprächstermin am Alter Markt mit dem weißen Schurz und den gleichfarbigen Handschuhen der Vereinigung aufgefallen.
Welches Vorurteil über Freimaurer nervt Sie am meisten?
Sehr weit vorn ist das Gerücht, dass die Freimaurer angeblich seit 300 Jahren versuchen, die Weltherrschaft zu erlangen.
Attila Hildmann sagt, die Freimaurer haben uns Corona beschert. Haben Sie Covid-19 in China produzieren lassen?
(lacht) Genau, und wir hatten dabei Aluhüte auf. Aber ernsthaft: Nein, hatten wir nicht. Attila Hildmann hat ein Bild von mir gepostet und mich aufgefordert, zusammen mit meinen „Affen“ das Land zu verlassen.
Ich weiß, dass auch diese Frage nervt: Warum wollen Sie keine Frauen in Ihrer Loge?
Die weibliche Großmeisterin Deutschlands, Antje Hansen, kommt auch aus Köln. Wir sind uns einig, dass wir es bei der Trennung der Geschlechter belassen wollen. Als Freimaurer arbeitet man bei unseren Treffen am eigenen Charakter. Und das ist schwierig im Zusammenhang mit dem anderen Geschlecht. Man kann dann nicht mehr wirklich authentisch sein.
Zur Person
Christoph Bosbach wurde 1961 in Lindlar geboren. Nach dem Abitur ging er für zwei Jahre zur Bundeswehr. Er studierte Jura, arbeitet aber in der IT-Branche im Vertrieb eines Großkonzerns. Während der Universitätszeit kam er in Kontakt mit der Freimaurerei.
Er absolvierte den Weg vom Lehrling über den Gesellen zum Meister und stieg noch weiter auf: 2015 wurde er Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland, die er nach außen hin, auch im Ausland vertritt. Seine Amtszeit endet diesen November. Außerdem ist er Mitglied der Kölner Loge „Freimut und Wahrheit“, die ihren „Tempel“ am Volksgarten hat.
Die erste Freimaurerloge in Deutschland wurde 1737 gegründet, berühmte Mitglieder waren unter anderem Goethe, Mozart und Friedrich der Große. Weltweit gibt es heute 6,5 Mio. Freimaurer, in Deutschland etwa 15 000.
Christoph Bosbach wohnt in der Südstadt.
www.freimaurer.org
Die Erotik stört beim Maurern?
(lacht) Ich würde sagen, ja!
Wie kamen Sie zur Freimaurerei?
Das ist jetzt 33 Jahre her, ich war 27. Ein Nachbar, „Onkel Berni“, hat mich zu einem Gästeabend mitgenommen.
Wie verlief der?
Mich hat vom ersten Abend an dieser herzliche, vertraute Umgang miteinander fasziniert. Und dann habe ich auf einem Fries die Namen berühmter Freimaurer gelesen − Lessing, Mozart, Goethe, Stresemann − und mir gedacht: Sehr unterschiedliche Menschen, aber keiner von denen war dumm! Also muss etwas dran sein an der Freimaurerei.
Worin bestehen die angeblichen Geheimnisse der Freimaurer?
Es gibt eigentlich nur ein einziges: das Erleben unseres Rituals, eine an alten Steinmetzwerkzeugen symbolisch aufgehängte Lehre. Dieses Erleben ist einzigartig und individuell. Darüber reden wir nicht, und das ist unser eigentliches „Geheimnis“.
Die Abende im „Tempel“, wie Ihr Versammlungsort heißt, „haben einen Rosenkranz-Effekt“, sagen Sie. Wie ist das gemeint?
Unsere Abende folgen einem bestimmten Ablauf. So gibt es „Wechsel-Gespräche“, ein Vortrag wird gehalten, und genauso langsam wie zu Anfang wird man aus dem Abend wieder hervorgehoben. Dieses Einlassen auf den Moment, das Eingehen in den Abend – das ist für mich der Rosenkranz-Effekt.
Wovon handeln diese Vorträge?
Es geht immer um das Verständnis unserer großen Symbole: Winkelmaß, Hammer, Zirkel, Waage, Lot … Die Menschen sind raue Steine, die – symbolisch − nach Steinmetzart geglättet werden.
Wie darf man das verstehen?
Man kann ein Lot als Gewissen deuten, eine Wasserwaage in Beziehung zu Weisheit und Ausgeglichenheit setzen – und dann das Handeln daran bemessen.
Die katholische Kirche erklärt die Freimaurerei bis heute als unvereinbar mit ihrem Glauben. Was haben die gegen Sie?
Ein bekanntes Thema! Das stammt aus einer anderen Zeit, es gibt auch andere Stimmen innerhalb der katholischen Kirche. In Skandinavien ist die Freimaurerei deutlich religiöser orientiert als hierzulande. Da sind protestantische Pastore und Kirchenbeamte sogar selber Mitglied. Es gibt seit längerer Zeit andauernde Gespräche mit der katholischen Kirche, die sicherlich ein besseres gegenseitiges Verständnis begründen können.
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Kann es daran liegen, dass die Freimaurerei ab ihrer Gründung im frühen 18. Jahrhundert schnell mächtig wurde?
Keine Großloge ist jemals irgendwo politisch oder religiös relevant aufgetreten. Aber gut, wir hatten immer auch gesellschaftlich einflussreiche Mitglieder, sogar Könige und Kaiser. Es gibt ein Gemälde von der Domeinweihung. Darauf sieht man Kaiser Wilhelm I. und zahlreiche Gäste mit unserem weißen Schurz. Die Freimaurer haben sehr viel gespendet für die Fertigstellung des Doms.
Als Großmeister aller deutschen Logen sind Sie kaum ein Wochenende zuhause. Warum tun Sie sich das an?
Für mich ist das keine Belastung. Ich komme viel rum und lerne viele unterschiedliche Menschen kennen, das ist doch enorm spannend! Und zudem ist es nicht nur meine Aufgabe, sondern auch meine Herzensangelegenheit, die Freimaurerei im Ausland zu repräsentieren.
Welche Macht haben Sie als deutscher Großmeister?
Die fünf Großlogen in Deutschland regeln intern alles selbstständig. Ich bin für die externe Darstellung zuständig, das heißt gegenüber der Öffentlichkeit und den internationalen Großlogen. Das ist wie ein Präsident und fünf Kanzler, die dann auch über einen Senat die Richtlinienkompetenz ausüben.
Was ist mit der Vokabel „Geschäftsmaurerei“ gemeint?
Das heißt zum Beispiel: Du wirst morgen in eine Loge aufgenommen und willst da eine Woche später deine Fotos verkaufen. Dann war’s das für dich.
Klüngeln verboten?
Eindeutig! Aber ich sage mal so: Wenn ich einen Rechtsanwalt suche und einen in der Loge finde, der mir sympathisch ist, und dem ich auch vertraue, dann nehme ich den natürlich.
M’r kennt sich, m’r hilft sich, wie Adenauer den Klüngel definierte.
Ja. Aber man wird bei uns eben nicht aus dem Grund Mitglied, dass man Geschäfte machen will.
Freimaurer sind der Wohltätigkeit verpflichtet. Was tut z.B. Ihre Loge „Freimut und Wahrheit“ hier in Köln?
Vor einigen Jahren haben wir die OP und medizinische Versorgung eines Jungen aus der Ukraine finanziert, der an Spätfolgen von Tschernobyl litt. Als Großloge tragen wir eine überregionale Stiftung für die Ausbildung von Schwerstbehinderten. Wir spenden auch international, aber nur selten über Banken, sondern immer direkt an unsere Loge vor Ort.
Als Kind der Aufklärungs-Ära galten die Freimaurer als progressiv. Heute wirken sie eher wie ein überholtes Relikt.
Schwieriges Thema! Wir sind nicht mehr so relevant wie einst und müssten eigentlich offensiver mit unseren Qualitäten umgehen. Aber es gibt viele Brüder, die das so nicht wollen.
Kennen Sie den Altersdurchschnitt unter Freimaurern?
In Köln liegt er bei um die 50, das ist zufällig eine recht junge Loge. Deutschlandweit sind Freimaurer im Schnitt 56, also recht alt.
Was haben Sie einem heute 20-Jährigen zu bieten?
Ein Mehr gegenüber dem Stress des Alltags mit seiner Hetze und der Gier nach Profit. Und einen Leitfaden dafür, einen tieferen Sinn des Daseins und einen Weg zu sich selbst zu finden.
Sie hören im November nach sechs Jahren als deutscher Großmeister auf. Haben Sie Opfer gebracht?
Ich habe früh gelernt, dass ich jede Form von Deckung aufgeben muss. Das hat mich gekostet: ein zerkratztes Auto, Sprühereien am Hauseingang und einen Brandanschlag am hiesigen Logenhaus am Volksgarten. Jetzt ist das Gebäude eingezäunt und Kamera-überwacht – ärgert mich kolossal!
Die Ursprünge der Freimaurer hängen mit dem Maurer- und Steinmetzhandwerk zusammen. Haben Sie selbst mal eine Mauer gebaut?
Ja, eine Trockenmauer aus bergischer Grauwacke an der Einfahrt meines Hauses in Lindlar. Die steht auch noch. (lacht)
„Wir haben alle keine Angst vorm Tod!“ sagen Sie über die Freimaurer. Wirklich?
Ich habe natürlich Angst um meine Kinder und Freunde. Aber wenn wir alle nur noch Angst vorm Tod hätten, würde niemand mehr Autofahren oder auf die Straße gehen. Wichtig ist die Überzeugung, nach bestem Wissen und Gewissen sein Leben gelebt zu haben und mit den Menschen, die einem nahestehen, anständig umgegangen zu sein.