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Aufklärung gefordertKienitz-Rückzug – Was das jetzt für die Stadt bedeutet

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Niklas Kienitz (1)

Niklas Kienitz

Köln – Niklas Kienitz (45) will an diesem Wochenende nicht reden, die vorigen Wochen haben offenbar Spuren hinterlassen, das berichten auch CDU-Parteikollegen. Am Samstagmittag um 13.48 Uhr hat der CDU-Fraktionsgeschäftsführer eine E-Mail verschickt, die in der Kölner Politik für ordentlich Wumms sorgt. Darin teilt er seinen Rückzug als Dezernent für Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales mit.

Dieses Dezernat hatte das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt erst neu geschaffen, in wenigen Wochen, Anfang September wollte Kienitz dort anfangen, der Rat hatte ihn am 24. Juni gewählt. Es fehlte nur noch das Ergebnis einer Eignungs-Prüfung durch die Bezirksregierung Köln – eine Formalie, die bis Freitag abgeschlossen und veröffentlicht werden sollte. Tags darauf zog Kienitz zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Warum zieht Niklas Kienitz zurück?

In der Mail teilt Kienitz mit: „Ich bin in den vergangenen Wochen im privaten Umfeld massiven persönlichen Anfeindungen, bis hin zu Bedrohungen, ausgesetzt gewesen. Dies hat mich nach einer längeren Bedenkzeit zu dieser Entscheidung bewogen. Damit möchte ich auch nicht zuletzt Schaden von der Stadt Köln, meiner Partei, aber auch meiner eigenen Person und Familie abwenden.“

Eine Anzeige liegt bis Sonntagnachmittag in dieser Sache bei der Polizei nicht vor, Grüne, CDU und Volt verurteilen die Bedrohungen. In der CDU gibt es Stimmen, die von der Parteispitze Aufklärung forderten.

Was sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker?

Reker teilt mit: „Ich habe diese Entscheidung zu respektieren, aber ich bedaure sie sehr. Niklas Kienitz wäre ein sehr guter Beigeordneter geworden.“ Über die Drohungen gegen Kienitz sagt Reker, selbst Opfer eines lebensgefährlichen Attentats, in ihrem Statement nichts.

Gibt es es auch noch andere Gründe?

Das ist Spekulation, aber nahezu alle Gesprächspartner über alle Fraktionen hinweg sehen eine andere Komponente. Wie üblich, prüft die Bezirksregierung in den vier Wochen nach der Wahl die Eignung, diese Frist wäre abgelaufen. Noch am Mittwoch teilte die Pressestelle mit, bis Freitag mit einem Ergebnis zu rechnen und es mitzuteilen.

Danach meldete sie sich nicht mehr und war am Freitagnachmittag nicht mehr zu erreichen. Am Samstag folgt der Rückzug von Kienitz – kommt er einem möglicherweise negativen Ergebnis zuvor? So bewerten es selbst Ratsmitglieder der CDU hinter vorgehaltener Hand. Seine Führungserfahrung für ein Dezernat ist in Zweifel gezogen worden, auch das Verfahren an sich, er war am Ende der einzige Bewerber. Die Bezirksregierung ist am Sonntag nicht zu erreichen.

Was heißt das für Henriette Reker?

Dass ihre Rede vom 29. August 2018 ungehört verhallt ist. Damals mahnte Reker im Stadtrat eine andere politische Kultur an, die Stadtwerke-Affäre um die gescheiterte Berufung des damaligen SPD-Fraktionschef Martin Börschel zum Stadtwerke-Chef war gerade vier Monate alt. Sie forderte „keine Aufteilung von Interessen, sondern eine stärkere Orientierung an Gemeinsamkeiten“. Und: „Unsere Stadt hat mehr Konstruktivität verdient.“

Doch dann schickte die CDU in Kienitz ihren Geschäftsführer ins Rennen, der maßgeblich am Stadtwerke-Deal samt Posten-Geschacher beteiligt war. War er tatsächlich der beste an dieser Stelle? Daran zweifelten nicht wenige im Rathaus, seine Wahl brachte ein maues Ergebnis: 50 Ja-Stimmen, 39 Nein-Stimmen.

Kienetz gibt auf – und jetzt?

Druck auf Petelkau steigt

Der Rückzug von Niklas Kienitz (45) hat den parteiinternen Druck auf Partei- und Fraktionschef Bernd Petelkau (56) nochmals erhöht. Prominente Parteimitglieder sprachen sich gegenüber der Rundschau dafür aus, dass Petelkau eines seiner beiden Ämter abgibt, einer sagte: „Er sollte das jetzt ordentlich beenden und ein Zeichen setzen.“

Wie berichtet, tritt Thomas Breuer (67) gegen Petelkau an, seine Initiative heißt „Lust auf CDU“ und fordert die Trennung der Ämter. Breuer fordert am Samstag Petelkaus Rücktritt: „Wer hat die CDU in diese Lage gebracht? Das ist am wenigsten Niklas Kienitz, sondern Bernd Petelkau. Es geht immer weiter so. Wir kriegen unseren Kompass nur zurück, wenn damit Schluss ist. Die das zu verantworten haben, müssen nun personelle Konsequenzen ziehen, das gilt auch für die Grünen und Volt, die Kienitz gewählt haben.“

Zukunft von Kienitz offen

Nach Rundschau-Informationen hat der CDU-Landtagsabgeordnete Florian Braun (32) zuletzt intern mitgeteilt, dass er bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen – allerdings nicht in einer Kandidatur gegen Petelkau. Braun ist einer von vier Stellvertretern im Parteivorstand. Am Sonntag sagt Braun: „Ich habe nicht vor, mich über interne Äußerungen öffentlich zu äußern. Und ich werde nicht als Vorsitzender kandidieren.“

Petelkau lässt einige Fragen der Rundschau unbeantwortet wie etwa, ob seine Position im Rennen mit Breuer geschwächt ist. Stattdessen schickt er ein Statement, das fast deckungsgleich ist mit dem, das er an die Gremien geschickt hat. Kienitz will sich zu seiner Zukunft nicht äußern, darum geht es am Montag in einer Sondersitzung der Fraktion, Petelkau sagt zur Frage, ob Kienitz Geschäftsführer bleiben kann: „Warum nicht?“

Für Ex-CDU-Schatzmeister Artur Tybussek (63) hat das Aus von Kienitz Konsequenzen: Er hätte ihn im Rat ersetzt. Das bleibt nun zunächst aus.

Überhaupt hat die CDU die Stadtwerke-Affäre nur in Nuancen aufgearbeitet, alle handelnden Personen sind noch im Amt, was Petelkau in der Partei eine Gegenbewegung einbrachte (siehe Infobox).

Wie geht es jetzt weiter?

Der Stadtrat muss nun entscheiden, was er will. Das teilte Reker mit. In dem 90-köpfigen Gremium plus Reker haben Grüne (26 Sitze), CDU (19) und Volt (4) als Ratsbündnis eine Mehrheit. Grüne, CDU und Volt kündigen am Sonntag an, dass das Verfahren zügig nochmal beginnen soll.

Doch Volt versieht die Forderung mit einer Spitze: „Ohnehin sehen wir es als kritisch an, dass Parteien das Vorschlagsrecht für die Spitze der Verwaltung haben.“ Trotzdem hat Volt Kienitz am 24. Juni gewählt. Zudem hat die Partei den Kooperationsvertrag unterzeichnet, in dem der CDU das Vorschlagsrecht eingeräumt wird.

Was sagen die anderen im Stadtrat?

Die Linke-Fraktion fordert von der CDU, auf das Dezernat zu verzichten, zudem soll Petelkau zurücktreten. SPD-Fraktionschef Christian Joisten sagt: „Eine Ausschreibung, bei der trotz hoch qualifizierter Bewerbungen angeblich nur der Bewerber aus dem Ratsbündnis als einziger Kandidat übrig blieb, hatte mehr als nur ein Geschmäckle.“

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Und FDP-Fraktionschef Ralph Sterck sagt über die Auswahlverfahren der neuen Dezernenten Kienitz, William Wolfgramm (Umwelt) und Ascan Egerer (Verkehr): „Nachdem in diesem Verfahren 130 Personen als ungeeignet aussortiert wurden oder ihre Bewerbung zurückgezogen haben, machen wir uns Sorgen, woher eine geeignete Besetzung kommen soll.“