Köln – Der gerade erst gewählte Dezernent für Stadtentwicklung und Wirtschaft, Niklas Kienitz (45), wirft das Handtuch. Am frühen Nachmittag teilte Kienitz mit, dass er in den vergangenen Wochen massive persönlichen Anfeindungen erlitten hat. Auch habe es Bedrohungen gegen seine Person gegeben. „Dies hat mich nach längerer Bedenkzeit zu dieser Entscheidung bewogen“, teilte Kienitz per E-Mail mit.
Der Rat hatte Kienitz am 24. Juni gewählt, sein Amt sollte er vermutlich am 1. September antreten. Das Dezernat ist ja neu gegründet worden. Seine Wahl war heftig kritisiert worden, weil er 2018 das Papier unterzeichnet hatte, in dem CDU, SPD und Grüne den damaligen SPD-Fraktionschef Martin Börschel zum neuen Geschäftsführer der Stadtwerke machen wollten – und zwar ohne Ausschreibung. Der Plan wurde öffentlich und scheiterte. Kienitz versammelte nur 50 Ja-Stimmen auf sich am 24. Juni, 39 Ratspolitiker votierten gegen ihn.
Kienitz teilte mit, dass er diese Entscheidung getroffen habe, „auch um Schaden von der Stadt Köln, meiner Partei, aber auch meiner eigenen Person und Familie abzuwenden“. Und: „Ich bin seit 2004 aus tiefer Überzeugung und Verbundenheit zu meiner Heimatstadt kommunalpolitisch tätig. Davon zehn Jahre im Ehrenamt. Die Aufgabe als Beigeordneter hätte ich sehr gerne mit großem Engagement und Tatkraft zum Wohle der Stadt ausgeübt. Ich möchte mich erneut bei der Oberbürgermeisterin und dem Rat der Stadt Köln für das entgegengebrachte Vertrauen in meine Person bedanken“, hieß es weiter in der Erklärung.
Weitere Nachfragen wollte Kienitz nicht beantworten. Aktuell ist er ja noch Fraktionsgeschäftsführer der CDU. Bleibt er das? Oder orientiert er sich beruflich neu? Das ist noch offen. Und: Wer wird nun neuer Dezernent?
Wie üblich prüft die Bezirksregierung Köln in den vier Wochen nach der Wahl die Eignung, noch am Mittwoch teilte die Pressestelle mit, bis spätestens diesen Freitag (24. Juli) mit einem Ergebnis zu rechnen. Danach meldete sie sich nicht mehr und war am Freitagnachmittag nicht mehr zu erreichen für die Rundschau. Am Samstag folgte nun der Rückzug von Kienitz.
Er teilte am Samstagmorgen Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) den Schritt mit, bevor er die Entscheidung öffentlich machte. Reker sagte: „Ich habe diese Entscheidung zu respektieren, aber ich bedaure sie sehr. Niklas Kienitz wäre ein sehr guter Beigeordneter geworden. Durch seine Vernetzung, seine Erfahrung und langjährigen Kenntnisse der Stadtentwicklung wäre er ein Gewinn für den Verwaltungsvorstand und die Stadt Köln gewesen. Den Rat der Stadt habe ich bereits über seine Entscheidung informiert.“ Der Rat der Stadt Köln muss nun über die nächsten Schritte beraten und entscheiden. Die nächste reguläre Ratssitzung findet am 18. August 2021 statt.
Am Samstagnachmittag forderten nun die ersten Politiker weitere Konsequenzen, unter anderem die Linken-Fraktion im Stadtrat, Heiner Kockerbeck als Sprecher sagte: „Und Herr Petelkau, als Drahtzieher des Ganzen, sollte persönliche Konsequenzen ziehen und als Fraktionsvorsitzender zurücktreten.“
Auch Petelkaus parteiinterner Gegenkandidat um den CDU-Vorsitz, Thomas Breuer, sagte: „Wer hat die CDU in diese Lage gebracht, das ist am wenigsten Niklas Kienitz, sondern Bernd Petelkau. Es geht immer weiter so. Wir kriegen unseren Kompass nur zurück, wenn damit Schluss ist. Die das zu verantworten haben, müssen nun personelle Konsequenzen ziehen, das gilt auch für die Grünen und Volt, die Kienitz gewählt haben.“
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Ob Kienitz Fraktionsgeschäftsführer bleiben könne, wollte Breuer nicht kommentieren. Er und sein Team namens „Lust auf CDU“ will ja Partei- und Fraktionsvorsitz wieder trennen, Petelkau hat beide Ämter seit Jahren inne.
Erste Ratspolitiker stellten am Samstag die Zukunft des Ratsbündnisses aus Grünen, CDU und Volt in Frage, ein Ratspolitiker sagte: „Das kann die Koalition brechen.“ Andere hingegen verneinten das, „dafür gibt es keinen Grund“.
Schon nach der Wahl von Kienitz hatte es viel Unmut, auch im Bündnis, gegeben, unter anderem hatte Max Beckhaus, Grünen-Fraktionschef in der Bezirksvertretung Nippes, per Antrag von der Ratsfraktion verlangt, „den Fall wieder aufzurollen und den Juniorpartner CDU aufzufordern, den Zweitbesten aus dem Bewerbungsverfahren (...) für das wichtige Amt des Stadtentwicklungsdezernenten vorzuschlagen".
Und in seinem Antrag hieß es: „Sollte sich die CDU nicht darauf einlassen, dann soll die nächste Kreismitgliederversammlung darüber befinden, ob eine Weiterführung der Kooperation unter diesen Umständen statthaft ist.“ Der Vorstoß wurde zwar abgelehnt, aber nicht gerade deutlich: Für den Antrag stimmten 49 Grüne, 68 waren dagegen, 32 enthielten sich. „Wir wollten unseren Unmut kundtun und klare Kante zeigen", erklärte Beckhaus.