Probleme bei AutobauernWas zur aktuellen Knappheit von Computerchips führt
- Computerchips gelten als das Öl des 21. Jahrhunderts.
- Ohne sie läuft in der Tat wenig – wie die Autoindustrie gerade schmerzvoll erfahren muss.
- Was hat zur der aktuellen Knappheit geführt?
Köln – Ein Knopfdruck auf die Fernbedienung, und das Auto öffnet die Türen. Zündschlüssel sind längst ersetzt. Gestartet wird auf Knopfdruck, wenn die Fernbedienung im Auto liegt. Auch während der Fahrt steuern Computerchips und Sensoren den Motor, helfen beim Einparken oder überwachen den Reifendruck. Wegzudenken sind die kleinen Helfer schon lange nicht mehr – und das wird gerade zum Problem.
Wie viele Chips stecken in modernen Autos?
Dreistellig ist die Zahl der Chips in Autos. Sie steuern Klimaanlagen, lösen Airbags aus und sorgen dafür, dass sich die Sicherheitsgurte beim Aufprall straffen. Sie melden nasse Fahrbahnen und schalten gleich den Scheibenwischer ein. Chips für 500 Dollar stecken laut dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren und in E-Autos. Werden die Fahrzeuge von Hybrid-Motoren angetrieben, sind mehr Chips nötig, da ja beide Antriebe gesteuert werden müssen. Und der Bedarf steigt. Für das Autonome Fahren brauchen Autos laut ZVEI Chips für etwa 1000 bis 1200 Dollar.
Auch in Standard-Fahrzeugen werden immer mehr Chips verbaut. Analoge Instrumente werden etwa durch digitale ersetzt – wenn denn Chips da sind. Peugeot setzt bei Modell 308 gerade wieder auf analoge Instrumente. Das digitale Cockpit bleibt einem größeren Modell vorbehalten. Andere erwischt es härter. Bei Ford in Köln und Saarlouis ruht die Fertigung fast durchgängig bis nach den Werksferien Mitte August. Auch Audi, Mercedes und VW mussten die Produktion stoppen wie auch Hyundai in Südkorea oder Toyota in Tschechien. Beim Kölner Motorenbauer Deutz fallen einzelne Schichten aus, oder es werden Motoren gebaut, die erst später ausgeliefert werden sollen, wenn die fehlenden Teile da sind.
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Warum stehen die Bänder still?
Ein perfekter Sturm habe sich zusammengebraut, schreiben Falk Meissner und Thomas Kirschstein in einer Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Zum einen hat die Corona-Pandemie in der Chip-Industrie für Produktionsausfälle gesorgt. Dazu kam der strenge Winter in Texas, in Taiwan bremste Wasserknappheit die Fertigung, und in Japan gab es im März einen Brand beim Chip-Hersteller Renesas, der Autobauer als Großkunden hat. Toyota und Nissan haben Mitarbeitende zur Beseitigung der Folgen abgestellt. Aber so ganz schnell lassen sich zerstörte Maschinen nicht ersetzen. Und verräucherte Reinräume müssen sehr aufwendig gereinigt werden.
Hat die Autoindustrie einfach nur Pech gehabt?
Kaum. Die Autobauer haben in der Zeit der coronabedingten Fabrikschließungen im Frühjahr 2020 weniger Chips abgenommen. Da haben sich die Anbieter andere Abnehmer gesucht. Computer und Spielkonsolen sind gefragt. Die brauchen ebenso Chips wie die neue 5-G-Mobilfunktechnik, Handys, Router, Unterhaltungselektronik. Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI, verweist auch auf die voranschreitende Automatisierung. Maschinen sollen mit Maschinen kommunizieren. Auch Dienstleister rund um die erneuerbaren Energien wollen versorgt werden.
Läuft etwas grundsätzlich in die falsche Richtung?
Für Meissner und Kirschstein liegen die Probleme tiefer. Sie sehen wie der ZVEI einen stark wachsenden Bedarf an Chips in der Autoindustrie. Autos werden immer mehr zu rollenden Computern, die längst nicht mehr nur die Informationen für das Navigationsgerät aus einer Cloud abrufen, sondern auch Updates zur Steuerung des Antriebs oder des Fahrwerks. „Vernetztes oder gar autonomes Fahren führt zu einem deutlich höheren Bedarf“, sagt Weber. Nicht nur die Fahrzeuge brauchten Chips, sondern zum Beispiel auch die Ampeln, mit denen die Autos kommunizieren sollen. Die Autobauer sind Großkunden. Sie nehmen etwa zehn Prozent der Chips ab. Weltweit betrug der Umsatz mit Chips 2020 466 Milliarden Dollar. Das waren gut zehn Prozent mehr als im Vorjahr.
Welche Ansprüche hat die Autoindustrie?
Autobauer brauchen nicht unbedingt die ganz kleinen Nanochips wie Handybauer. Chips in Autos müssen Vibrationen vertragen und sowohl bei Minusgraden von gerne einmal 30 Grad und Hitze von über 50 Grad arbeiten – und das ein Autoleben von locker über zehn Jahren. In der Branche ist auch eine Anlieferung zum genauen Produktionstermin (Just-in Time) Standard, während es lange Produktionszyklen in der Chipindustrie gibt. Das werde auch in Zukunft für Probleme sorgen, glauben Meissner und Kirschstein. Zumal auch Naturkatastrophen die Produktion zeitweise unterbrechen könnten ebenso wie Handelskonflikte oder politische Konflikte. Auch ein Zurückdrehen der Globalisierung nebst Rückbesinnung auf Produktionen vor Ort könnte Lieferketten strapazieren. Und den Wunsch nach immer komplexeren Chips würden kaum alle Anbieter erfüllen können, so dass der Kreis der möglichen Lieferanten kleiner werde.
Ist Entspannung bei den Chips in Sicht?
Meissner und Kirschstein sehen für das laufende Jahr keine Entspannung. Die Fabriken müsste wieder in Gang gesetzt und die Lieferketten stabilisiert werden. Sie empfehlen eine Standardisierung bei den Chips, so dass die Komponenten auch ausgetauscht werden können, wenn es zu Engpässen bei einzelnen Produkten oder Anbietern auf dem Markt kommt. Auf lange Sicht sollten die Autobauer strategische Kooperationen mit den Chip-Herstellern eingehen, um erhöhte Volumina zuverlässig zu erhalten. Einzelne Unternehmen der Autoindustrie hätten sich sogar schon an Chipherstellern beteiligt.