Ford-Werke Chef Gunnar Herrmann im Interview„Ein guter Zeitpunkt zu gehen“
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Ford-Werke Chef Gunnar Herrmann wechselt Im Dezember in den Aufsichtsrat.
Über fünf Jahre an der Unternehmensspitze, Herausforderungen für die Branche und die Stadt Köln sprach Ralf Arenz mit ihm.
Seit Montag laufen in Köln wieder Fiestas vom Band. Ist das nach den Unterbrechungen seit Sommer derzeit störungsfrei?
Ja, wir bauen schon das neue Modell und zunächst wie bei einem Anlauf üblich im Ein-Schicht Betrieb und kleinerer Stückzahl. Wenn wir keine bösen Überraschungen erleben, produzieren wir im Januar in eineinhalb Schichten. Der Grund dafür ist der Umbau der Fertigung für das E-Auto, für die eine der zwei Linien verwendet wird.
Ziemlich gut. Unsere Orderbank ist auf einem Rekordhoch. Die Aufträge füllen schon jetzt die Kapazität bis in die zweite Jahreshälfte.
Gehen Sie davon aus, dass Sie und Ihre Zulieferer jetzt genug Chips haben für eine reibungslose Fiesta-Produktion?
Wir Autobauer und die Halbleiterhersteller haben viel gelernt, auch aufeinander zuzugehen. Die Hersteller der Wafer, also der unterschiedlich großen Grundplatten für die Chips, konnten ab Jahresmitte sagen, was sie liefern können. Darauf haben wir uns eingestellt und etwa andere Module verwendet, so dass wir einzelnen Engpässen ausweichen konnten. Der Markt ist aber extrem dynamisch. Und in einem gut ausgestatteten Focus werden 300 Halbleiter verbaut, in einem Mustang Mach-E 3000.
Muss Ford nicht die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten reduzieren, um monatelange Produktionsstillstände zu vermeiden?
Wir müssen und werden uns breiter aufstellen und flexibler sein. Das ist aber nicht so einfach. Viele Chips sind in den Teilen unserer wichtigen Zulieferer, die ganze Komponenten für unsere Fahrzeuge bauen.
Die Beschlüsse auf dem Klimagipfel in Glasgow gehen Ihnen nicht weit genug, haben Sie auf dem Kölner Arbeitgebertag gesagt. Muss auch die Autoindustrie beim Klimaschutz Gas geben?
Es steht uns nicht gut an, dass die deutsche Autoindustrie die Initiative für das Null-Emissions-Auto bis 2040 nicht mitgetragen hat. Ich bin für klare Festlegungen. Die Ford Motor Company und Daimler haben die Erklärung zum Ausstieg aus dem Verbrenner unterzeichnet.
Zum Unternehmen und zur Person
Ford in Europa
Ford hat in Europa 42.000 Mitarbeitende in eigenen Werken sowie in denen von konsolidierten Gemeinschaftsunternehmen. Etwa die Hälfte davon ist in Köln, Saarlouis und Aachen beschäftigt. In den ersten neun Monaten des Jahres hat Ford in Europa wie im Vorjahreszeitraum 678.000 Fahrzeuge abgesetzt. Der Marktanteil sank von 7,3 auf 6,5 Prozent. Der Umsatz kletterte um 20 Prozent auf 18,7 Milliarden Dollar. Nach einem Milliardenverlust im Vorjahreszeitraum lag der Gewinn vor Zinsen und Steuern bei fünf Millionen Dollar. (raz)
Zur Person
Am 22. Dezember 1959 in Leverkusen geboren, begann er 1979 als Auszubildender bei Ford. Nach der Lehre studierte er in Hamburg Fahrzeugbau und erwarb an einer englischen Uni einen Master-Abschluss in Advanced Automotive Engineering.
1986 fing Herrmann im Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich in der Karosserie-Konstruktion an. Ab 2002 war er als Entwicklungsdirektor für das weltweite Angebot von Ford im C-Segment - das sind Kompaktwagen wie der Focus - verantwortlich. 2012 wurde er Mitglied der Geschäftsführung von Ford Europa, 2017 Chef von Ford Deutschland. Herrmann ist verheiratet. Er hat einen Sohn und eine Tochter und lebt in Leverkusen. (raz)
Sie hätten auch einen festen CO-2 Preis begrüßt und auch einen höheren.
25 Euro für den Ausstoß einer Tonne CO 2 sind kein großer Anreiz, CO-2 wirklich zu reduzieren. 50 oder 60 Euro pro Tonne hätte man tragen können, wenn gleichzeitig andere Subventionen abgebaut würden. Da ist etwa die Fortführung der Dieselförderung. Dabei werden ab 2023 unter einer strengeren Abgasnorm viele Diesel gar nicht mehr angeboten.
Ford will 2030 nur noch reine Elektro-Pkw verkaufen. Haben die das Rennen gegen andere Antriebskonzepte gewonnen?
Die reinen E-Autos setzen sich im PKW-Bereich durch. Jetzt muss aber auch die Stromerzeugung mitziehen. E-Autos und Strom aus Kohlekraftwerken – das passt nicht zusammen. Der batterie-elektrische Antrieb aber nicht die einzige Option. Bei den Nutzfahrzeugen kann Wasserstoff eine Alternative sein. 2030 wird es im Fahrzeugbestand noch etwa 35 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor geben. Hier könnte die Erzeugung und Nutzung synthetische Kraftstoffe dafür sorgen, dass es keine zusätzlichen CO-2-Emissionen gibt.
Derzeit gibt es nur ein batterie-elektrisches Ford-Modell. Und das kommt mit dem Mustang MachE aus Nordamerika. Ist Ford bei den E-Autos in Europa nicht etwas spät dran?
Der Mach-E läuft sehr gut. Er sieht schick aus, und die Technik stimmt. 2023 läuft in Köln das erste europäische Ford E-Auto vom Band. Da waren andere vielleicht schneller,. Aber wir haben schon lange erfolgreiche Plug-In-Hybride im Angebot, und werden das Angebot an E-Autos schnell erweitern. Als Marktführer bei leichten Nutzfahrzeugen haben wir schon sehr früh auf Elektrifizierung gesetzt. Die Plug-In-Modelle sind schon lange im Markt und im Frühjahr 2022 kommt der vollelektrische E-Transit .
Wie weit sind die Vorbereitungen für den Bau des E-Autos in Köln auf einer VW-Plattform?
Wir sind gut im Plan. Seit dem Sommer schaffen wir Baufreiheit und reißen einzelne Bereich und Hallen ab. Parallel beginnt der Neubau und in etwa sechs Monaten sind die neuen Gebäude auch von außen sichtbar. Das ist sehr beeindruckend, denn die neuen Hallen sind bis zu 30 Meter hoch.
Ist der Stellenabbau in Köln beendet?
Die Reset-Phase mit dem Ziel, nach den Verlusten der letzten Jahre in die Profitabilität zurückzukehren, ist offiziell beendet und auch der damit verbunden Stellenabbau. Wir haben uns neu aufgestellt. Im anstehenden technologischen Wandel hin zur E-Mobilität geht es mehr um Flexibilität. Voll durchschlagen werden alle Veränderungen bis 2026.
Ihre Mitarbeitenden brauchen neue Qualifikationen. Welche Angebote unterbreiten Sie?
Wir haben schon 2019 ein Programm für 80 angelernte Mitarbeitende gestartet. Die haben Mitte des Jahres einen qualifizierten Abschluss erworben. Als nächstes qualifizieren wir auch unsere ausgebildeten Facharbeiter. In der künftigen Produktion gibt es viele Arbeitsplätze rund um die Hochvolttechnologie. Die ist nicht ohne und braucht speziell qualifiziertes Personal. Wir qualifizieren hier mehrere hundert Mitarbeitende weiter. Dabei arbeiten wir mit der IG Metall und dem Betriebsrat zusammen. Die Agentur für arbeit unterstützt uns bei den Kosten zu 50 Prozent.
Sie leben in Leverkusen. Da behindern sie seit Jahren die Verkehrsprobleme rund um die Leverkusener Brücke. Muss in Köln und in Deutschland schneller gebaut werden?
Das ist leider ein gutes Beispiel dafür, dass wir viel zu langsam sind.. Besonders ärgerlich finde ich, dass wegen langer Planungsphasen letztlich nicht mit der modernsten Technik gebaut wird. Warum keine Tunnellösung möglich war, erschließt sich mir nicht. Und jetzt wird die Leverkusener Brücke verbreitert und auch das Leverkusener Kreuz. Die Frage, ob diese Kapazitäten wirklich gebraucht werden, wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, muss man aber stellen. Logistik muss nicht nur auf der Straße stattfinden. Und auch den Personenverkehr kann man anders strukturieren. Ich denke da an den Ausbau des Bahn- oder Busverkehrs, Poollösungen, damit mehr Menschen ein Auto nutzen und künftig an autonomes Fahren im Pendelverkehr oder Abrufbussen.
Alle reden von Digitalisierung – und die Kölner Verwaltung ist sehr analog unterwegs. Es gab etwa eine Riesenstau vor einem Jahr, weil es nicht genug Termine gab, um Autos an- oder umzumelden. Wie finden Sie das?
Da ist wirklich Nachholbedarf. Aber wir arbeiten aber mit der Stadt zum Beispiel an einem digitalen System zur Anmeldung von Fahrzeugen und ganzen Flotten. Dies könnte dann zunächst Ford als Hersteller nutzen, später auch unsere Händler, Mietwagenbetreiber oder die Anbieter von Auto-Abos.
Worauf sind Sie stolz, wenn Sie auf die knapp fünf Jahre an der Spitze der Ford-Werke zurückschauen?
Die waren superinteressant. Sie haben viel Spaß gemacht, und ich habe sehr interessante Leute aus der Wirtschaft und der Politik getroffen. Vom ersten Tag war es mein Ziel, die Elektromobilität nach Köln zu holen. Das ist nach harter Arbeit auch gelungen. Bei der Transformation haben wir das Schiff in schweren Gewässern gut gesteuert. Für mich ist es also ein guter Zeitpunkt, um zu gehen.
Persönlich hätte ich mir mehr Tempo bei der Batterietechnik gewünscht. Ich hatte eine Idee, wohin die Reise geht und hätte vielleicht mit mehr Druck arbeiten können. Aber natürlich sind solche strategischen Entscheidungen kein nationaler Alleingang, Es gab hier ein globales Korsett.
Worauf freuen Sie sich besonders, wenn Sie ab Dezember etwas kürzer treten können?
Darauf, dass ich relativ spontan entscheiden kann. Als 18-Jähriger war ich mit Freunden am Ijsselmeer zum Surfen. Wir wollen einmal ausprobieren, ob das immer noch geht. Ich habe eine wirklich lange Liste von Dingen, die ich einmal ausprobieren möchte. Ob ich auch golfe, weiß ich noch nicht. Ich möchte auf jeden Fall privat reisen und Städte und Gegenden besuchen, die ich wegen des Berufs aus einer anderen Perspektive gesehen habe. Den Polarkreis, wo wir Autos testen, möchte ich zum Beispiel noch einmal privat und mit viel Zeit erkunden.Gekocht habe ich übrigens auch die ganzen letzten Jahre, vor allem am Wochenende. Auf dem Markt zu stöbern und spontan ein Gericht zusammenzustellen macht Spaß und entspannt. Mit meiner Frau dann zu kochen und zu probieren, rundet einen Tag dann schon perfekt ab. Wenn sich dann auch unsere Kinder dazu anmelden, weiß man es wird richtig gut!