Ford-Betriebsräte in Europa wenden sich gemeinsam an die US-Konzernzentrale. Es wird ein konkreter Plan für E-Modelle gefordert.
„Verantwortliche aus den USA müssen Plan auf den Tisch legen“Große Verunsicherung bei Ford in Köln
„Wir verlangen von der US-Konzernzentrale in Dearborn zeitnah eine Produktionsstrategie für die Jahre ab 2026/27. Konkret: Welche Pkw-Modelle werden gebaut? Wie sind die jeweiligen Fahrzeugzahlen? Wer entwickelt? Und wo werden die Autos hergestellt?“ Auf diese Forderungen haben sich die europäischen Ford-Betriebsräte in Deutschland, Spanien und England geeinigt, wie Benjamin Gruschka, Vorsitzender des Ford-Betriebsrates am Kölner Standort, gegenüber der Rundschau am Dienstag erläuterte. In einer extra anberaumten Info-Veranstaltung des Betriebsrates in Köln wurden mehrere Tausend Mitarbeiter aus den Standorten Köln und Aachen darüber am Dienstagvormittag informiert.
„Die Bilder aus Köln und ein offener Brief gehen heute per Mail an die Konzernzentrale nach Dearborn. Damit wollen wir unseren Forderungen für einen garantierten Europaplan für die kommenden Jahre Nachdruck verleihen“, so Gruschka. Die Mitarbeiter an allen europäischen Standorten seien verunsichert, weil aus den USA keine positiven Signale kämen und man seit Monaten auf Antworten warte und daher das Gefühl habe, hingehalten zu werden. „Wenn der Plan leer bleibt, geht es am Ende um den Verlust von Arbeitsplätzen“, bringt der Kölner Betriebsratsvorsitzende die Ängste der Belegschaften auf den Punkt.
„Die europäischen Betriebsräte sprechen hier mit einer Stimme.“ Die Verantwortlichen aus den USA müssen einen Plan auf den Tisch legen, notfalls drohe er mit weiteren Maßnahmen, so Benjamin Gruschka. Man habe Möglichkeiten, den Druck zu erhöhen. Gruschka machte klar, dass Betriebsräte und Mitarbeiter weiteres Schweigen der Konzernzentrale nicht hinnehmen werden. In der nächsten Woche sind Betriebsversammlungen an allen Ford-Standorten angekündigt.
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Wie ist die aktuelle Lage bei Ford?
Am 31. Oktober hatte Martin Sander, Chef von Ford Deutschland, zwar mitgeteilt, dass der Köln als E-Auto-Herstellungsstandort ausgebaut werde und zwei E-Modelle fix in Köln gebaut werden. Gleichzeitig verkündete er jedoch, dass der Marktstart des E-Modells Ford Explorer um ein halbes Jahr auf den Sommer 2024 verschoben werde. Aktuell würden die Mitarbeiter daher Fahrzeuge des neuen E-Modells für Messen bauen oder am Standort die Fertigung trainieren. Produziert werden in Köln derzeit noch Fahrzeug-Getriebe und Komponenten für den Ford Transit.
Bereits im Vorfeld teilte die US-Konzernzentrale mit, dass die Hauptentwicklung der E-Auto-Produktion in die USA wandern werde. Die Folge davon ist, dass von 2300 Entwicklern in den Standorten Köln und Aachen 1900 ihren Arbeitsplatz bis Ende 2025 verlieren werden.
Ende September kam zudem eine weitere schlechte Nachricht aus den USA: Der geplante Bau eines großen Batterie-Werkes im US-Staat Michigan wurde vorerst gestoppt.
Autoexperte: Ford ist so nicht wettbewerbsfähig
„Die Lage ist für Ford Europa insgesamt brisant. Aktuell lebt man nur von den Nutzfahrzeugen“, kritisiert Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Bergisch Gladbach. Die Pkw-Sparte laufe bereits seit längerer Zeit bedenklich schlecht. Der späte Einstieg in E-Modelle, die Verschiebung der Produktion des neuen E-Explorers in den Sommer 2024 haben sehr negative Auswirkungen. „Aktuell haben die Mitarbeiter am Kölner Standort wenig bis nichts zu tun“, teilt Bratzel die Sorgen der Belegschaft im Rheinland und an den übrigen europäischen Ford-Standorten.
Es brauche dringend Perspektiven von der Konzernzentrale in den USA zur Einführung weiterer Modelle. Die Sorgen und entsprechende Forderungen der europäischen Betriebsräte seien absolut berechtigt. „Von wichtigen Ford-Zulieferern in Europa höre ich, dass es noch keine Ausschreibungen für neue E-Modelle gibt.“ Die Frage, die sich darüber hinaus stelle: Bekommt Ford diese in der Pkw-Sparte überhaupt noch rechtzeitig, sprich wettbewerbsfähig an den Markt?
Letztlich werde sich die Konzernzentrale die Kosten anschauen und entscheiden. Und die seien gerade an den deutschen Standorten hoch, so Bratzel. Zudem bekomme der deutsche und europäische Automarkt zunehmend Konkurrenz aus Asien und Südamerika. „Vielleicht muss es zu einem großen Schulterschluss der europäischen Standorte von Management und Belegschaft kommen, um sich mit einer Stimme in den USA Gehör zu verschaffen und so für innovative neue Modelle für den europäischen Markt zu kämpfen.“