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Fragen und AntwortenWarum kommt es zur Verspätung des neuen Ford E-Autos?

Lesezeit 5 Minuten
Einige wenige Explorer hat Ford bereits im Juni produziert. Die eigentliche Produktion beginnt jetzt erst 2024.

Einige wenige Explorer hat Ford bereits im Juni produziert. Die eigentliche Produktion beginnt jetzt erst 2024.

Bremst eine alte Norm den neuen E-Ford? Die Testregeln für Batterien waren laut Tüv Süd bereits zum Jahrewechsel 2020/2021 bekannt. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Ford hat letzte Woche überraschend die Markteinführung seines ersten in Köln E-Autos um sechs Monate verschoben. Der Explorer soll jetzt im Sommer 2024 auf den Markt kommen und ab 10. Juni in großen Stückzahlen gebaut werden. Der Kölner Autobauer hatte zur Begründung auf neue Sicherheitsnorm für Elektrofahrzeuge verwiesen. Dabei geht es um Testregeln für Batterien.

Wie werden die Batterien von E-Autos getestet?

Welche Anforderungen die Traktionsbatterien von E-Autos bestehen müssen, regeln eine UN Regulation beziehungsweise die europäische Norm ECE-R100. Es dürfen nur Autos auf den Markt kommen, deren Batterien nach dieser Norm geprüft sind und die eine Typzulassung (Homologation) der nationalen Kraftfahrzeugbehörde, in Deutschland ist das das Kraftfahrtbundesamt, erhalten haben, erläutert Martin Eschler, Geschäftsführer der Tüv Süd Battery Testing. Bislang wurde nach den Regeln der sogenannten Revision 2 geprüft, ab September sind nur noch Neuzulassungen nach der Revision 3 möglich.

Wann wurden die neuen Regeln bekannt gegeben?

Veröffentlicht wurden die Regeln zum Jahreswechsel 2021/2022. „Ein Jahr vorher sind die Entwürfe aber schon bekannt gewesen und breit diskutiert worden“, sagte Robert Hausladen, Batterieexperte und Homologe bei Tüv Süd Battery Testing. Welcher Autobauer wann welche Regelung zur Kenntnis genommen hat, lässt sich nicht sagen. Normänderungen überraschen Autobauer nicht, glaubt der Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach. Dass Testnormen weiterentwickelt werden, sei nichts Ungewöhnliches. Die Autoentwickler hätten das normalerweise im Blick. Überzeugen kann Fords Erklärung kaum.

Was wird eigentlich genau getestet?

Die Testregeln sind ein Dokument von 95 Seiten. Die erforderlichen Prüfungen sind im Anhang der Norm aufgelistet. Ein Technischer Dienst wie der Tüv Süd erstellt auf Basis der Testergebnisse ein Gutachten, das für die Typgenehmigung etwa beim Kraftfahrt-Bundesamt eingereicht wird.

Was sind die Unterschiede zwischen Revision 2 und 3?

Seit Revision 3 wird unter anderem zusätzlich getestet, wie sich die Batterie verhält, wenn sie von der Ladesäule durch eine Fehlfunktion mit einem zu hohen Ladestrom beliefert wird. In einem solchen Fall, muss sich die Batterie schützen, so Florian Amberger, Mitglied der Laborleitung des Tüv Süd Batterietestlabors in Garching bei München Auch seien bei manchen Tests höhere Ladezustände als bei der Revision 2 vorgesehen. Dann sei die Batterie etwa nicht mehr wie vorher zu 50 Prozent geladen, sondern zu mindestens 95 Prozent. Auch wird geprüft, ob das Fahrzeug anzeigt, wann es für die Insassen etwa durch einen Batteriebrand gefährlich wird. Fünf Minuten bevor eine kritische Situation für die Insassen eintritt, muss es eine Warnung der Insassen durch das Fahrzeug geben, so Amberger. Eine geeignete Einhausung der Batterie kann für die Einhaltung der Fünf-Minuten-Frist sorgen.

Welchen Tests werden die Batterien unterzogen?

Batterien für E-Autos werden umfangreichen Test unterzogen. Sie werden gerüttelt, Spritzwasser ausgesetzt, hohen und sehr niedrigen Temperaturen und sie werden gequetscht oder durch Einstich beschädigt, wie dies in einem Unfall geschehen könnte. Sie werden auch Staub oder einem Salzwassernebel ausgesetzt, werden geladen und entladen. Nicht alle diese Tests sind nach ECE-R100 vorgeschrieben. Die Autobauer lassen auch mehr prüfen als vorgeschrieben, um ein hochwertiges Produkt auf den Markt zu bringen. Auch wollen sie Anforderungen der Zulassungsregeln übertreffen. Der Tüv Süd unterhält dazu ein großes Testzentrum in Garching bei München, der Tüv Rheinland zusammen mit dem Aachener Hochschul-Institut PEM im deutsch-niederländischen Industriegebiet Avantis bei Heerlen. Das Ziel ist bei beiden gleich. In wenigen Wochen komprimiert wird simuliert, was in einem Batterieleben alles passieren kann.

Wie begründet Ford die spätere Markteinführung?

Der Autobauer hatte vor einer Woche lediglich mitgeteilt: Ford unterstützt die kommende europäische Norm für Elektrofahrzeuge (UN Regulation 100.3/ ECE-R 100.3), weil sie im Einklang mit unserer internen Philosophie steht, unseren Kunden weltweit qualitativ hochwertige und sichere Fahrzeuge zu liefern. Der Autobauer verwendet jetzt andere Batterien als die ursprünglich vorgesehenen. Auch muss das Auto umkonstruiert werden. Ford verwendet für den Explorer und ein weiteres E-Auto, das im kommenden Jahr auf den Markt kommen soll, die Elektroplattform von Volkswagen, auf die VW etwa den iD 3 oder den iD 4 setzt. 1,2 Millionen dieser Plattform kann Ford in sechs Jahren nutzen.

Was bedeutet die Entscheidung für Ford?

Die Entscheidung für die Verschiebung ist wohl in den USA gefallen. Sie ist ein herber Schlag für Köln. Ford wollte nämlich ursprünglich in diesem Jahr 30 000 Explorer, dem ersten Kölner E-Auto, verkaufen — zu Preisen ab 45 000 Euro. Auch damit sollte, so heißt es in einer Mitteilung des Ford-Konzerns vom Juli des abgelaufenen Jahres, für 2023 die Fertigung von 600 000 E-Autos weltweit erreicht werden. Den Löwenanteil solltn der Mach-E mit 270 000 sowie der Truck F-150 Lightning und der E-Transit mit jeweils 150 000 Einheiten beisteuern. Die Marke von 600 000 E-Autos soll jetzt im Verlauf des kommenden Jahr erreicht werden, wie Ford bei der Präsentation der Halbjahreszahlen Ende Juli gesagt hatte. Im ersten Halbjahr hat Ford weltweit 47 000 E-Autos verkauft und dabei einen operativen Verlust (Ebit) von 1,8 Milliarden Dollar eingefahren.

Was tun die Mitarbeiter bis zum Produktionsstart?

Ford baut wenige Explorer, um sie etwa auf Automessen zu zeigen. Auch werden die Mitarbeitenden weiter trainiert für die anstehenden Aufgaben. Kurzarbeit kann Ford wohl kaum anmelden. Die dient laut dem Sozialgesetzbuch (SGB III) der Überbrückung von erheblichen Arbeitsausfällen im Betrieb, die auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen, sofern sie vorübergehend und nicht vermeidbar sind. Diese Voraussetzungen erfüllt Ford kaum. Außerdem muss bei Kurzarbeit der Betriebsrat zustimmen.


Neue Batterie

In zehn Minuten solle eine neue Batterie E-Autos auf eine Reichweite von 400 Kilometern bringen. Die Zelle, eine Lithium-Eisenphosphat-Batterie (LFP) , stellte der größte chinesische Batteriehersteller CATL vor. Die Massenproduktion soll dieses Jahr beginnen. Ford kann nach einer Vereinbarung mit CATL LFP-Zellen noch in diesem Jahr für den Mach-E und ab 2024 für den F150-Lightning nutzen. Ab 2026 baut Ford Batteriekapazitäten auf LFP-Basis in den USA auf. (dpa/raz)