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1. FC KölnFC-Ausbau am Geißbockheim wackelt

Lesezeit 5 Minuten
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Traditionsstätte: das Geißbockheim. Dort sollen auf einer städtischen Fläche drei neue Kunstrasenplätze kommen.

Köln – Die vom 1. FC Köln geplante Erweiterung des Trainingszentrums am Geißbockheim steht unabhängig von den Klagen der Ausbaugegner vor einer weiteren Hürde. Denn bevor der FC auf der Gleueler Wiese drei neue Kunstrasenplätze und vier Kleinspielfelder errichten dürfte, müsste er zunächst mit der Stadt Köln einen Pachtvertrag für diese zusätzlichen Flächen im Grüngürtel schließen – allerdings gibt es diesen noch gar nicht, obwohl der Stadtrat die Änderung des Flächennutzungsvertrages am 18. Juni abgenickt hat (siehe Info-Text).

Laut Stadtsprecher Alexander Vogel muss ein solcher Vertrag vom Liegenschaftsausschuss sowie Sportausschuss und abschließend vom Stadtrat genehmigt werden. Das bedeutet: Der neue Rat, in dem die Grünen stärkste Kraft sind, kann dem FC-Vorhaben einen Riegel vorschieben – eine spektakuläre Wende. FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle sagte der Rundschau: „Ich gehe davon aus, dass die politisch Verantwortlichen dieser Stadt verlässliche Partner sind und diesen Beschluss auch entsprechend umsetzen. Ich habe noch keine Stimme vernommen, dass es für einen Pachtvertrag keine Mehrheit gibt.“

Keine Mehrheit mehr im Rat

Im Juni hatte der alte Rat in seiner vorletzten Sitzung vor der Wahl mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP der Erweiterung und den planerischen Grundlagen zugestimmt. Nächste Woche soll der Bebauungsplan im Amtsblatt veröffentlicht werden, danach wird die Bürgerinitiative „Grüngürtel für alle“ dagegen klagen.

Die Geschichte des Ausbaus

2014 hat Fußball-Bundesligist 1. FC Köln erstmals seine Pläne zum Ausbau am Geißbockheim präsentiert, ein Jahr später reduzierte er sie. Mittlerweile geht es um den Bau eines zweigeschossigen Nachwuchsleistungszentrums, vier Kleinspielfelder für die Öffentlichkeit und drei Kunstrasenplätze auf der nördlich liegenden Gleueler Wiese. Vor allem daran stören sich Umweltschützer. Der Club will 25 bis 30 Millionen Euro investieren. Bei der zweiten Bürgerbeteiligung 2019 gab es die Rekordbeteiligung von 7147 Eingaben, die Mehrzahl sprach sich dagegen aus, was letztlich aber keine Rolle spielte.

2020 gab der Kölner Stadtrat im Juni mehrheitlich sein Okay für den Ausbau, 52 Ratsmitglieder votierten dafür, 28 dagegen, es gab drei Enthaltungen. Auch die Bezirksregierung genehmigte die Pläne gerade erst. (mhe)

Doch anders als im Juni vereinen SPD, CDU und FDP zusammen keine Mehrheit mehr, haben nur 43 von 46 nötigen Stimmen. Insgesamt hat der Rat mit Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) 91 Sitze. Und weitere Unterstützer mit Ausnahme der AfD und ihren vier Sitzen sind aktuell nicht in Sicht. Das wäre anders gewesen, hätte der „alte“ Stadtrat zwischen 18. Juni und 13. September, dem Tag der Neuwahl, über den Pachtvertrag entschieden.

Die Fraktionschefin der Grünen, Christiane Martin, wollte sich nicht äußern. Es darf jedoch als sicher gelten, dass die Grünen, die mit ihrem strikten Nein zum FC-Ausbau im Grüngürtel im Wahlkampf sehr erfolgreich waren, im Rat auf keinen Fall einer Verpachtung der Gleueler Wiese zustimmen werden. Linke, Gut und Klima Freunde sind ebenfalls gegen den Ausbau, auch Volt hat den Schutz und Erhalt des Grüngürtels als Ziel auf der politischen Agenda.

Geißbockheim ist Knackpunkt bei Sondierungsgesprächen

Das Thema Geißbockheim ist daher auch ein Knackpunkt bei den aktuellen Sondierungsgesprächen der Parteien über ein neues Mehrheitsbündnis. Die Grünen streben ein Dreierbündnis mit Volt und CDU oder mit Volt und SPD an. Doch sowohl CDU als auch SPD wollen unbedingt, dass sich der FC im Grüngürtel erweitern darf – das genaue Gegenteil der grünen Position. Denkbar ist, dass solche strittigen Themen in einer Koalitionsvereinbarung ausgeklammert werden. SPD und CDU wollten sich auf Anfrage am Freitag nicht äußern, was ziemlich logisch erscheint. Eine Aussage pro FC könnte die Grünen ärgern und ein Bündnis mit ihnen erschweren.

Kommentar: Mehrheit ist weg

Alles auf Anfang beim Thema Geißbockheim? Es sieht ganz danach aus. Und es könnte sein, dass der FC nun ein Riesenproblem hat. Denn eine politische Mehrheit zur Bewilligung des Pachtvertrags für die Gleueler Wiesen wird er im neugewählten Rat kaum finden. Auch der Verweis auf „demokratische Gepflogenheiten“ dürfte nicht weiterhelfen. Wer will den Grünen, die von Anfang an gegen die FC-Pläne waren, abverlangen, dass sie nun plötzlich für den Pachtvertrag stimmen? Zumal die Ablehnung des Projektes sicher auch zu ihrem Erfolg bei der Kommunalwahl beigetragen hat. Und die im letzten Rat so breite Unterstützer-Mehrheit von CDU, SPD und FDP ist nach der Wahl nun mal deutlich geschmolzen.

Hätte der FC auf den zügigeren Abschluss eines Pachtvertrags dringen müssen? Hätten Verwaltung und Politik dem Ratsbeschluss eine verbindliche Absichtserklärung beifügen sollen, der das weitere Verfahren regelt? Vieles deutet darauf hin, dass handwerkliche Fehler ein Vorhaben zum Erliegen bringen, dass dem FC doch so wichtig war. Angesichts der politischen Gemengelage und des ja auch noch nicht entschiedenen Klageverfahrens bleibt dem Verein wohl nur, jetzt ernsthaft über Alternativen nachzudenken. (Stefan Sommer)

koeln@kr-redaktion.de

FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite ist davon frei, er sagte: „Bei all den Prüfungen und teuren Gutachten bin ich davon ausgegangen, dass man auch daran denkt.“ Hinter vorgehaltener Hand spricht manch Ratspolitiker von einem Eigentor des FC, „das ist dumm gelaufen“, sagen andere. Selbst hochrangige Verantwortliche im Rathaus zeigten sich überrascht, „da muss doch einer dran gedacht haben“. Breite sagte: „Wie das Thema unter den Mehrheitsverhältnissen im Rat geklärt werden soll? Das ist schwierig.“

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Aber hat der FC tatsächlich etwas vergessen? Oder die Stadt? Eindeutig war das Freitag nicht zu klären, es war aber zu hören, dass es relativ üblich ist, die Pachtverträge separat zu beschließen. Laut Wehrle war es für den Verein klar, dass der Vertrag nach dem Ratsbeschluss folgt. Der Geschäftsführer verwies auf das sechsjährige Bebauungs- und Flächennutzungsplanverfahren. „Der Ratsbeschluss ist ein demokratisch legitimiertes Ergebnis und der Pachtvertrag ein formeller Beschluss, der sich an den Ratsbeschluss anlehnt. Ich gehe davon aus, dass diese demokratischen Gepflogenheiten gültig sind.“