- Alexander Wehrle (45) erlebt seit seinem Amtsantritt im Januar 2013 eine der wohl schwierigsten Phasen beim 1. FC Köln.
- Tobias Carspecken und Martin Sauerborn sprachen vor dem Spiel bei Borussia Dortmund mit dem FC-Finanzgeschäftsführer.
Köln – Herr Wehrle, der 1. FC Köln steht nach acht Spieltagen der neuen Saison mit nur drei Punkten auf Platz 17. Wie besorgt sind Sie über diese Situation?Wir hätten uns natürlich mehr Punkte gewünscht. Ich bin mir aber sicher, dass Horst Heldt und Markus Gisdol die richtigen Maßnahmen ergreifen, damit wir aus der Situation herauskommen. Wir waren bis auf das Derby gegen Gladbach in allen Spielen auf Augenhöhe und die Mannschaft macht auf mich einen intakten Eindruck. Positiv ist zudem, dass noch genügend andere Teams in Reichweite sind. Aber klar ist: Wir befinden uns in einer schwierigen Situation.
Vorstand und Geschäftsführung haben vor der Saison den Vertrag mit Trainer Markus Gisdol bis 2023 verlängert und ihm Rückendeckung zugesichert. Wie belastbar ist diese Rückendeckung aktuell noch?
Wenn man gemeinsam in eine Saison geht, dann tut man das in der Überzeugung, dass man sie auch gemeinsam meistern will. Aktuell sind Vorstand und Geschäftsführung überzeugt, dass die Mannschaft und der Trainer die Probleme richtig angehen.
Kann sich der 1. FC Köln eine Trennung von Markus Gisdol erlauben? Sind Sie für diesen Fall gewappnet?
Es gehört ganz generell zu meinen Aufgaben als Geschäftsführer, immer mit unterschiedlichsten Entwicklungen zu planen.
Normalerweise hätten Sie den Mitgliedern zu diesem Zeitpunkt bereits einen Jahresabschlussbericht vorgelegt. Mit welchem Ergebnis?
Corona stellt uns vor eine sehr große Herausforderung. Es ist eine unfassbar herausfordernde Zeit. Die abgelaufene und auch die aktuelle Saison sind durch die Pandemie erheblich beeinflusst worden. Vielleicht hat sie auch noch Auswirkungen auf die Spielzeit 2021/22. Wir haben in den vergangenen Monaten versucht, an allen Stellen die erheblichen Umsatzverluste zu reduzieren.
Zu den eingeleiteten Sparmaßnahmen gehört ein Gehaltsverzicht der Spieler. Wie sind die Gespräche abgelaufen?
Wir haben die ersten Gespräche bereits im April geführt und uns dabei Zeit für jeden einzelnen Spieler genommen. Die Gespräche verliefen damals sehr positiv, wir haben schnell eine Einigung mit unseren Jungs erzielt. Als sich im Oktober abzeichnete, dass wir bis Jahresende keine Zuschauer im Stadion mehr haben werden, haben wir mit dem Mannschaftsrat nochmals mehrere Gespräche geführt und auch das Thema vor der gesamten Mannschaft erläutert.
Musste sehr gefeilscht werden?
Es war ein sehr offener Diskussionsprozess, an dessen Ende wir eine gute Lösung gefunden haben. Die gilt jetzt erstmal bis Ende Januar. Dann werden wir schauen, wie sich die Situation im Kalenderjahr 2021 darstellt.
Der aktuelle Bund-Länder-Beschluss sieht weiterhin keine Stadionzuschauer vor. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
In der jetzigen Phase ist das absolut nachvollziehbar. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, dass wir möglichst viele Kontakte reduzieren müssen und gleichzeitig über eine Teilöffnung der Stadien nachdenken. Wir müssen jetzt alle Kräfte bündeln, um die Inzidenzwerte nach unten zu bringen. Es ist meine große Hoffnung, dass wir durch die Impfstrategie und Schnelltests im März wieder eine Teilöffnung erreichen können.
Die Hygienekonzepte liegen in der Schublade. Ist eine Neuanpassung nötig?
Die Konzepte, die wir bislang mit unserer lokalen Gesundheitsbehörde diskutiert haben, wurden alle als tragfähig eingestuft. Je nachdem, wie es dann mit der Maskenpflicht aussieht, werden wir an der einen oder anderen Stelle noch mal nachjustieren müssen. 90 Prozent des Konzepts stehen aber.
Sie haben vor der Saison mit 10.000 Zuschauern in den ersten Heimspielen und danach mit Vollauslastung kalkuliert. Diese Planungen sind nun hinfällig. Wie kompensieren Sie das?
Wir haben von der Basisplanung ausgehend insgesamt schon eher konservativ kalkuliert. Wir haben mit vier Geisterspielen, zehn Spielen mit 10.000 Zuschauern und in den restlichen Spielen mit einer Vollauslastung gerechnet. Das haben wir jetzt natürlich korrigieren müssen, indem wir mehr Geisterspiele einplanen. Wir haben intern erhebliche Kosteneinsparungen diskutiert und vorgenommen.
Zur Person
Alexander Wehrle (45) ist seit Januar 2013 Geschäftsführer des 1. FC Köln. Nach seinem Studium zum Diplom-Verwaltungswissenschaftler und Master of Public Policy and Management war er unter anderem als Referent des Vorstands beim VfB Stuttgart (2003 bis 2013) tätig. Seit August 2019 gehört der in Bietigheim-Bissingen geborene Schwabe zudem dem Präsidium der Deutschen Fußball Liga (DFL) an. (cto)
Am Ende geht es darum, zwei wesentliche Zielsetzungen zu erreichen. Zum einen, die Eigenkapitalsituation zum 30.6.2021 zu stärken, und zum anderen, über die Liquidität jederzeit zahlungsfähig zu sein. An diesen beiden Zielsetzungen arbeiten Vorstand und Geschäftsführung unter Hochdruck. Ich bin zuversichtlich, dass wir für beide Zielsetzungen gute Lösungen finden werden.
Sie haben im August auf einem virtuellen Mitgliederstammtisch einen Corona-bedingten Umsatzverlust von 25 Millionen Euro prognostiziert. Von welcher Zahl gehen Sie aktuell aus?
Wir reden in der vergangenen und der aktuellen Saison von einem Corona-bedingten Umsatzverlust von mindestens 40 Millionen Euro. Es gibt aber natürlich auch noch indirekte Effekte. Man weiß zum Beispiel nicht, wie sich Corona auf das Merchandising sowie auf andere Marketingeffekte auswirken wird und inwiefern sich die TV-Einnahmen im internationalen Kontext noch einmal verändern werden. So könnte es am Ende auf beide Spielzeiten gerechnet durchaus auch ein noch größerer Umsatzverlust werden. Und da gilt es eben Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
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In diesem Zusammenhang befinden Sie sich in Gesprächen zur Minderung der Stadionpacht. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir sind seit April in einem ständigen Austausch und haben mit den Verantwortlichen der Sportstätten und der Stadt bislang sehr gute, konstruktive und vertrauensvolle Gespräche geführt. Weitere werden folgen. Es ist ein hohes Maß an beidseitigem Verständnis vorhanden. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier eine gute Lösung für beide Seiten finden werden.
Ist die aktuelle Saison durchfinanziert?
Wir verfügen über entsprechende Kreditlinien und konnten sehr gute und vertrauensvolle Gespräche mit unseren Banken führen. Zudem hat es uns geholfen, dass 30 Prozent der Dauerkarteninhaber auf ihre Rückzahlungsansprüche verzichtet haben. Auch Sponsoren haben verzichtet. Beides war extrem wichtig und wir sind den Fans und den Sponsoren hierfür sehr dankbar.
Wäre der 1. FC Köln in der Lage, einen Abstieg so aufzufangen, dass ein direkter Wiederaufstieg gelingen könnte?
Unsere Planungen laufen immer dual. Das heißt, dass auch unsere Corona-bedingten Planungen für die Spielzeit 2021/22 beide Szenarien – Erste und Zweite Bundesliga – umfassen. Wir hätten in der Zweiten Liga insgesamt weniger Einnahmen, dafür aber natürlich auch genauso weniger Ausgaben. Die Verträge sind so konzipiert, dass sie auf die Einnahmen hin angepasst sind. Deshalb ist nicht der wesentliche Unterschied aus den Corona-Effekten heraus zu sehen. Für den Zweitliga-Fall, von dem ich momentan nicht ausgehe, müssten wir die Zielsetzung verfolgen, eine wettbewerbsfähige Mannschaft beisammen zu haben, mit der eine reelle Chance bestünde, oben mitzuspielen.
Wie weit würde den FC ein Abstieg finanziell zurückwerfen?
Mit einem Abstieg würden erhebliche Umsatzverluste bei Zuschauer-, TV- und Sponsoring-Einnahmen einhergehen. Diese würden uns in der mittelfristigen Planung ein, eher zwei Jahre zurückwerfen. Insbesondere bei den TV-Einnahmen gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen Erster und Zweiter Bundesliga. Deshalb müssen wir versuchen, einen Abstieg mit allen Anstrengungen zu verhindern.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) wird in den kommenden Wochen über den neuen Verteilerschlüssel bei den Medieneinnahmen entscheiden. Was spricht für und was gegen eine in großen Teilen erfolgsorientierte Verteilung?
Im Sport sollte sich Leistung immer auszahlen. Auf der anderen Seite wird bereits im aktuellen Verteilerschlüssel ein gewisses Maß an Solidarität berücksichtigt. Jetzt geht es darum, zu diskutieren, inwiefern der Solidaritätsgedanke aller noch ein Stück weiter ausgebaut wird. Wir haben zahlreiche Runden im DFL-Präsidium hinter uns und werden bei unserer Mitgliederversammlung Anfang Dezember das Resultat vorstellen.
Welchen Spagat gilt es zu schaffen?
Auf der einen Seite sollte die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten werden. Auf der anderen Seite sollte der nationale Wettbewerbsgedanke möglichst ausgeglichen sein. Auf diesem Spagat bewegen wir uns, um am Ende idealerweise für 36 Clubs ein Modell zu finden, mit dem sich jeder identifizieren kann.
Wie sieht die Position des 1. FC Köln aus?
Ich habe als Vertreter des FC immer gesagt, dass ich ein Freund davon bin, auch über neue Verteilermechanismen nachzudenken. Der Solidaritätsgedanke sollte dabei im Vordergrund stehen. Aber man darf das Leistungsprinzip auch nicht völlig außen vor lassen.
Christian Seifert hat als Geschäftsführer der DFL seinen Abschied für 2022 angekündigt. Wie wird die Nachfolge geregelt?
Das ist die Aufgabe des DFL-Aufsichtsrates. Ich freue mich, dass ich als Mitglied des Präsidiums bis 2022 noch mit Christian Seifert zusammenzuarbeiten kann. Ich schätze seine Arbeit sehr. Der deutsche Fußball hat ihm viel zu verdanken.
Wird es einen direkten Nachfolger geben oder werden die Aufgaben verteilt?
Ob aus der aktuellen Struktur der DFL-Geschäftsleitung eine zwei- oder dreiköpfige Geschäftsführung entsteht, gilt es zu diskutieren. Der Aufsichtsratsrat wird hierzu Vorschläge erarbeiten.
Sie haben sich als DFL-Präsidiumsmitglied in der Corona-Krise im Kampf um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in Form von Geisterspielen verdient gemacht. Wie steht es um Ihre Ambitionen, in die DFL-Geschäftsführung einzusteigen?
Ich habe bis 2023 Vertrag beim 1. FC Köln und fühle mich hier in Köln sehr wohl.
Anders gefragt: Wäre es eine reizvolle Aufgabe?
Die DFL ist auf jeden Fall eine interessante Organisation. Aber nochmal: Ich fühle mich beim FC sehr wohl!
Sie haben seit 15 Monaten einen neuen Vorstand. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit?
Wir arbeiten aktuell gut zusammen. In der Vergangenheit gab es bei der einen oder anderen Thematik unterschiedliche Auffassungen. Das würde ich aber nicht negativ sehen. Es ist im Sinne des 1. FC Köln, dass in den Gremien Themen kontrovers diskutiert werden. Hätten wir nur Ja-Sager, wäre das schwierig. Unser Ziel muss es sein, zusammen und immer im Sinne des FC Entscheidungen zu treffen und diese einheitlich nach außen zu vertreten. So wünsche ich mir die Zusammenarbeit.
Die Trennung von Mediendirektor Tobias Kaufmann hat das Verhältnis zwischen Vorstand und Geschäftsführung belastet. Auch, weil sie über die Öffentlichkeit ausgetragen wurde?
Im Nachhinein hätte ich mir gewünscht, dass diese Personalie weniger öffentlich diskutiert worden wäre.
Es gibt Stimmen, die behaupten, dass der Vorstand der Geschäftsführung im Sommer aus strategischen Gründen bei der Kaderplanung finanziell die Daumenschrauben angezogen hat.
Das ist Quatsch. Die Abläufe sind durch die Satzung festgelegt und werden genauso gelebt. Die Geschäftsführung erarbeitet intern ein Budget für die Kaderplanung und diskutiert dieses mit dem Vorstand, bevor es dann gemeinsam verabschiedet wird. Dieses Budget geht dann zur Diskussion in den Gemeinsamen Ausschuss und wird dort beschlossen. Unser Budgetplanungsprozess läuft transparent. Wir haben uns als Geschäftsführung daran zu halten und sollten wir das Budget nicht einhalten können, diskutieren wir mit dem Vorstand gemeinsam darüber und entscheiden gemeinsam.
Wie bewerten Sie die zurückliegende Sommer-Transferperiode aus finanzieller Sicht?
Es gab ein einheitliches Verständnis, dass wir alles dafür tun müssen, einen wettbewerbsfähigen Kader zusammenzustellen, der die Klasse halten kann, und gleichzeitig weiter den eigenen Nachwuchs zu integrieren. Wir waren mit den Neuverpflichtungen so spät dran, weil alles an Jhon Cordoba hing. Einen Spieler, der nur noch neun Monate Vertrag hatte und den wir trotzdem noch für 15 Millionen Euro transferiert haben. Ob wir mit den getätigten Transfers das Ziel erreichen, können wir erst nach 34 Spieltagen beurteilen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass der Kader so zusammengestellt ist, dass wir eine gute Chance haben, den Klassenerhalt zu schaffen.