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Serie „Babylon Köln“Vom blutigen Kampf zwischen Kommunisten und Nazis 1933

Lesezeit 5 Minuten
Machtuebernahme_Rathaus

Einen Tag nach der Kommunalwahl, am 13. März 1933, besetzten die Nationalsozialisten das Rathaus und übernahmen damit auch in Köln die Macht. Oberbürgermeister Konrad Adenauer war tags zuvor aus Köln geflohen.

  1. Auch Köln war in den 20er Jahren und folgenden geprägt von Lebenslust, politischen Unruhen und Kriminalität. In unserer Serie „Babylon Köln“ schildern wir spektakuläre Kriminalfälle der Zeit.
  2. Dieses Mal: die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nazis 1933.

Köln – „In voller Würdigung der Kölner Tradition und der Liebe der Kölner Bevölkerung zu einem wohlgelungenen Karneval habe ich für die Karnevalstage – trotz mancher Warnungen – alle beabsichtigten Veranstaltungen genehmigt“, ließ der Kölner Polizeipräsident Walther Lingens am Karnevalssamstag, 25. Februar 1933, über die Presse verkünden. „Man hat mir versprochen, zu Karneval die politischen Meinungsverschiedenheiten zu vergessen, jedenfalls aber nicht zum Ausgangspunkt blutiger Streitigkeiten zu machen.“

Gewalttätige Streits waren fast Alltag

Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten waren in der Zeit von 1929 bis 1933 fast schon alltäglich – mit Toten auf beiden Seiten. Ein erbitterter Kampf tobte um die Vorherrschaft in den Arbeitervierteln. Die Kommunisten waren aber im Nachteil – besonders nachdem die Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler an die Macht gekommen waren. Während Göring SA und SS am 22. Februar 1933 zur Hilfspolizei ernannt hatte, war die paramilitärische kommunistische Organisation, der Rote Frontkämpferbund (RFB), offiziell verboten.

So konnte sich die RFB-Gruppe Köln-Nord am Freitag, 24. Februar, zehn Tage vor der Reichstagswahl am 5. März 1933, nur in einem Hinterzimmer der Kneipe „Ohm Paul“ am Gereonswall 4 treffen. Was dort am Tag nach Weiberfastnacht besprochen wurde, ist unklar. Josef Engel, der Organisationsleiter der Gruppe, soll gegen 21 Uhr einen „Befehl der Gauleitung Köln“ verlesen haben: Alle uniformierten Nazis sollten nach Waffen durchsucht werden. Aber sollten sie auch bei Widerstand „umgelegt werden“, wie später vor Gericht behauptet wurde?

Machtuebernahme_Rathaus

Einen Tag nach der Kommunalwahl, am 13. März 1933, besetzten die Nationalsozialisten das Rathaus und übernahmen damit auch in Köln die Macht. Oberbürgermeister Konrad Adenauer war tags zuvor aus Köln geflohen.

Um 23 Uhr verließen der 22 Jahre alte Hermann Hamacher und der ein Jahr jüngere Otto Waeser das Lokal, beide bewaffnet. Seit Hamacher vor etwa einer Woche zu Ohren gekommen war, dass er auf der Abschussliste der SA stand, ging er ohnehin nur noch mit einer Armeepistole auf die Straße. Vom Gereonswall gingen sie über die Von-Werth-Straße zum Hansaring auf Streife.

Walter Spangenberg war auf dem Weg von einer NSDAP-Versammlung im „Schweizerhof“ in der Eintrachtstraße, wo der 21 Jahre alte SA-Mann Saalschützer gewesen war, zu seiner Wohnung in der Von-Werth-Straße. Hatte man ihm am Hansaplatz aufgelauert? „Hände hoch!“, schrie Hamacher gegen 23.30 Uhr. Spangenberg rief um Hilfe und rannte auf die Straße, als Schüsse fielen. Eine Kugel von Hamacher traf ihn aus drei bis vier Metern in den Bauch. Ein Zeuge sah ihn noch einige Schritte taumeln, bevor er zusammenbrach.

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Hamacher und Waeser flüchteten über Gereonswall und Weidengasse Richtung Eigelstein, von wo ebenfalls Schüsse zu hören waren. Die RFB-Leute Heinrich Horsch, Mathias Josef Moritz, Bernhard Willms und Josef Mundorf waren gleichfalls in Zweiergruppen und bewaffnet auf Streife gegangen. Im Stavenhof bemerkten sie, wie ihnen die SA-Männer Winand Winterberg und Robert Kessing von einer Parteiversammlung in der Mülheimer Stadthalle kommend über den Eigelstein entgegenliefen. Die Kommunisten zückten ihre Waffen und brachten sich in Position. Gerade überquerten Winterberg und Kessing die Kreuzung, als sie ein lautes „Los!“ hörten. Zwei Schüsse trafen den 27-jährigen Winterberg von hinten. Kessing schaffte es, noch bis zur Mitte des Eigelsteins zu flüchten, wo ihm allerdings Hamacher und Waeser von der Weidengasse her entgegen rannten und aus zwei bis drei Metern Entfernung auf ihn feuerten. Im Knie getroffen, rettete sich Kessing in den Flur eines Kaffeegeschäftes am Eigelstein, wo er liegen blieb und auf Hilfe wartete. Polizeioberwachtmeister Hermann Eggert und seine Kollegen Anton Breitbach und Kurt Häcker hatten die Schüsse von der Dagobertstraße aus gehört und waren sofort losgestürmt. Sie sahen noch Hamacher, der einmal auf Eggert feuerte, bevor er gemeinsam mit Waeser über Eigelstein und Weidengasse bis zu seiner Wohnung, Gereonswall 38, flüchtete.

Spangenberg und Winterberg starben noch in der Nacht an Verblutungen. Hamacher wurde am Morgen des 25. Februar verhaftet, seine Kumpane folgten bald. Während sie im Gefängnis saßen, verschlechterte sich ihre Lage dramatisch. Am 26. Februar stand in Berlin der Reichstag in Flammen, was Göring direkt als „Beginn des kommunistischen Aufstandes“ deutete.

17 Kommunisten auf der Anklagebank

„Jeder kommunistische Funktionär wird erschossen, wo er angetroffen wird“, wetterte Adolf Hitler. Pure Provokation war es, als Kölner SA-Truppen am 3. März, zwei Tage vor der Reichstagswahl, durch die kommunistisch geprägte Elsaßstraße zogen und dort auf erbitterten Widerstand trafen. „Die gesamte Straße wurde sofort abgesperrt und jedes Haus durch ein größeres Aufgebot von Beamten der Schutz- und Kriminalpolizei durchsucht“, verkündete der Polizeipräsident. „Angehörige der SS und SA stellten sich bereitwillig zu der ganzen Handlung zur Verfügung.“

Während es hier neben etlichen verwüsteten Wohnungen zu 70 Festnahmen kam, verfügte Reichspräsident Paul von Hindenburg im März 1933, dass alle, auch Mörder, „die sich im Kampfe für die nationale Erhebung aus vaterländischem Überschwang zu Straftaten haben hinreißen lassen“, straffrei zu bleiben hätten und aus den Gefängnissen zu entlassen seien. Die am 2. März auf Melaten beerdigten Winterberg und Spangenberg waren da längst zu Märtyrern erklärt worden. Bei Prozessbeginn am Montag, 17. Juli 1933, als 17 Kommunisten am Appellhofplatz auf der Anklagebank saßen, hieß der Hansaplatz schon Spangenbergplatz und die Eintrachtstraße Winterbergstraße.

Alle Gnadengesuche wurden abgelehnt

Obwohl auf zehn Prozesstage angesetzt, verkündete Landgerichtsdirektor Oskar Trümper schon am Samstag, 22. Juli, das Urteil. Hamacher, Waeser, Willms, Horsch und Moritz wurden wegen Mordes, Josef Engel wegen Anstiftung zum Mord zum Tode verurteilt. Die übrigen Angeklagten erhielten Gefängnis- und Zuchthausstrafen zwischen neun Monaten und 15 Jahren. Obwohl das Gericht in Analogie zu entsprechenden Fällen in der Vergangenheit ausdrücklich die Umwandlung der Todesurteile in lebenslange Zuchthausstrafen befürwortete, lehnte Ministerpräsident Göring alle Gnadengesuche ab, da „es sich um einen organisierten Überfall der kommunistischen Unterwelt auf harmlose Nationalsozialisten gehandelt“ habe. Auf seine Anordnung wurden die Verurteilten am Donnerstagmorgen, 30. November 1933, im Klingelpütz besonders bestialisch hingerichtet: Nicht, wie damals üblich, mit dem Fallbeil, sondern mit dem Handbeil.