- Wie Berlin war auch Köln in den 20er und 30er Jahren geprägt von einer großen Lust auf das Leben, aber auch politischen Unruhen und Kriminalität.
- Spektakuläre Fälle schildern wir in unserer Serie „Babylon Köln“.
Köln – Als erster Polizeihund Deutschlands gilt die Deutsche Dogge Caesar, die im Oktober 1901 im westfälischen Schwelm mit Kriminalkommissar Franz Friedrich Laufer ihren ersten Einsatz absolvierte. Ihr folgten unter anderem der altdeutsche Schäferhund Harras, der am 7. Juli 1904 bei Braunschweig den Lustmörder Douve stellte, und der Rottweiler Rex, der 1912 bei der Verhaftung von vierzehn randalierenden Matrosen half. Einen Raubmord in Geyen bei Pulheim klärte 1922 der Kölner Polizeihund Nixe auf.
Die Brüder Heinrich und Wienand Faßbender sowie ihr gemeinsamer Freund Peter Ubber benötigten nicht nur Geld, um sich neue Anzüge und Schuhe für das bevorstehende Kriegerfest in Geyen zu beschaffen. Heinrich Faßbender wollte auch von Ehrenfeld in sein neu gekauftes Haus in Geyen ziehen, das es auszustatten und zu renovieren galt. Alle drei aber waren arbeitslos. Somit beschlossen sie, einen reichen Bauern in Geyen zu überfallen. Als sie aber gerade einsteigen wollten, schlug der Hund an. Sie mussten mit leeren Händen fliehen. Also fassten sie einen neuen Plan.
In Geyen wohnte das alleinstehende Fräulein Sophie Schuch. Die 62-Jährige war 30 Jahre Haushälterin bei einem Großbauern gewesen, der ihr bei seinem Tod Haus und Hof vermacht hatte. Außer einem schönen Haus mit großem Garten besaß sie nunmehr 100 Morgen Land, die sie verpachtet hatte. Zu Recht vermuteten die Faßbenders und Ubber also viel Geld und sonstige Wertsachen bei ihr. Es war gegen Mitternacht vom 3. auf den 4. Juli 1922. Wienand Faßbender stand im Nebengarten Schmiere. Heinrich Faßbender hatte sich eine Hand mit einem Tuch umwickelt und drückte behutsam eine Fensterscheibe ein, bevor er, eine geladene Armeepistole bei sich tragend, ins Haus einstieg, gefolgt von Peter Ubber. Zur Vermeidung von Fußspuren standen zur Flucht zwei Fahrräder bereit.
Nachts kamen zwei Männer ins Schlafzimmer
Ein fettes Schwein war Sophie Schuch vor etwa anderthalb Jahren gestohlen worden. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass sie auch im Schlaf hellhörig war. Jedenfalls erwachte sie plötzlich und bemerkte zwei Männer in ihrem Schlafzimmer. Erschrocken richtete sie sich auf und schrie.
Am 4. Juli 1922 fiel auf, dass Sophia Schuch nicht wie üblich zur Kirche gekommen war. Eine Verwandte machte sich auf, um nach dem Rechten zu sehen. Sie fand im Haus alles durchwühlt. Im Schlafzimmer entdeckte sie Sophie Schuch. Tot lag sie in ihrem Bett auf dem Bauch, geknebelt, an den Füßen gefesselt, am Bettpfosten festgebunden. Erbeutet hatten die Einbrecher, wie später festgestellt wurde, eine goldene Uhr, acht bis zehn Taschentücher, einige Laken, ein Kleid und ein Mantel. Ihr Geld, eine beträchtliche Summe, hatte Sophie Schuch in einem Geheimfach versteckt gehabt, das unentdeckt geblieben war.
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Zwar hatte die Kölner Polizei viel zu tun, weil mehrere Gewerkschaften für diesen Dienstagnachmittag zum deutschlandweiten Streik und diversen Umzügen aufgerufen hatten. Schon früh sammelten sich Menschenmassen am Aachener Tor. Später kam es zu vielfältigen Auseinandersetzungen. Trotzdem erschien die Mordkommission umgehend am Tatort in Geyen – darunter auch Kriminal-Betriebsassistent Ludwig Dérouét, der Nixe mitgebracht hatte, seinen Polizeihund.
Nixe beschnupperte die Kordel, mit der das Opfer gefesselt und erdrosselt worden war. Dann ging es über Hecken und Zäune, durch verschiedene Gärten bis zur Straße, die von Pulheim nach Brauweiler führt. So ungeduldig und fest zog der Hund, dass die Polizisten ihn kaum genügend bändigen konnten, um diverse Fußabdrücken und Fahrradspuren auf dem Weg in Augenschein zu nehmen.
Nixe führte sie schließlich zu einem frisch gekalkten, leerstehenden Haus. Dass dieses einem Heinrich Faßbender gehörte, der noch in Ehrenfeld wohnte und erst Mitte Juli einziehen wolle, wusste der örtliche Polizist. Als sich gerade Unsicherheit darüber einstellte, wie es nun weitergehen sollte, zog Nixe schon wieder an der Leine und schleppte die Beamten schließlich zum Haus von Wienand Faßbender. „Dat eß ene Fätz“, sagte der Ortslandjäger sofort: Tatsächlich schreckte Wienand Faßbender sichtlich zusammen, als er die Polizei an seiner Tür sah. Der Hund stellte ihn. Auf Wienand Faßbenders feldgrauem Rock fand sich ein langes, weißliches Frauenhaar, das die Beamten sorgsam sicherten. Konfrontiert mit dem Mord an Fräulein Schuch versicherte Wienand Faßbender: „Wenn ich das getan hätte, würde ich nicht so ruhig hier stehen bleiben, Herr Kriminal!“
Der dritte Mann auf dem Feld verhaftet
Er räumte aber ein, dass er mit seinem Bruder Heinrich und Peter Ubber nachts im Haus der Schuch gewesen sein könnte. Man nahm ihn in Haft, kurz danach in Ehrenfeld auch seinen Bruder. Mit einem Kraftwagen eilten Polizisten nach Stotzheim bei Hürth und verhaftete dort Ubber von der Seite seiner Braut vom Feld weg. Die Ermittlungen erwiesen, dass die Beschuldigten am Tatort gewesen waren und dass die zur Erdrosselung und Knebelung benutzten Tücher und Stricke aus Faßbenders noch leerem Haus stammten. Unter dem Druck des gesammelten Beweismaterials gestanden die Faßbenders und Ubber schließlich Kriminalkommissar Joseph Nitsche die Tat.
Beim Prozess im Dezember 1922 schob einer dem anderen die Hauptschuld und die Anstifterschaft zu. Besonders zwischen den beiden Brüdern konnte ein äußerst gespanntes Verhältnis ausgemacht werden. Die Verteidigung der Angeklagten plädierte auf nur versuchten Raub und fahrlässige Tötung unter Zubilligung mildernder Umstände. Könne, fragte sie, der Tod der Sophie Schuch nicht auf einen Schlaganfall zurückgeführt werden?
Nein, meinte der ärztliche Sachverständige, es handle sich mit größerer Wahrscheinlichkeit um Erstickungstod. Der Staatsanwalt aber ließ die Anklage auf Mord fallen und beantragte auf schuldig des vollendeten schweren Raubes mit Todeserfolg bei Waffenmitnahme und zur Nachtzeit. Mildernde Umstände seien zu versagen. Gerade diese billigten die Geschworenen den Angeklagten aber zu und verurteilte sie zu nur je 12 anstatt der von der Staatsanwaltschaft beantragten 15 Jahre Zuchthaus. Darüber, wo die gestohlenen Sachen verblieben waren, schwebte bis zuletzt Dunkel.