Serie „Babylon Köln“ (6)Von einer Brautschau, die blutig endete
- Auch Köln war in den 20er und 30er Jahren geprägt von Unruhen, aber auch einer starken Lust auf das Leben.
- In unserer Serie „Babylon Köln“ schauen wir auf Kriminalfälle dieser Zeit.
Eigentlich hatte Peter Braun aus Flittard gar nicht genug Geld, um sich im Juni 1919 für 44 000 Mark das ehemalige Haus eines Restaurateurs in der Kaiserstraße in Kalk, der heutigen Eythstraße, zu kaufen. Nicht einmal für eine Anzahlung reichte es. Die Konditionen waren ungünstig, und Braun konnte seinen Verpflichtungen oft nicht nachkommen. Das führte zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen, die noch einmal viel Geld verschlangen. 1921 hatte sich seine Lage zugespitzt. Wie sollte der 33-Jährige Hilfsweichensteller an Geld kommen?
Im April 1921 besuchte er in Roeser in Luxemburg den Bruder seiner Frau, der drei unverheiratete Stieftöchter hatte. Für diese versprach Braun vermögende Männer zu finden – eine herausfordernde Aufgabe. Wegen der Gefallenen des Weltkriegs fehlte rein statistisch für jede 6. Frau ein Mann. „Dazu kommt, dass Tausende heiratsfähige Männer durch die im Kriege erlittene Verletzung nicht mehr die volle Erwerbskraft besitzen und daher für die Ehe ausscheiden, ebenso wie die im Kriege unterernährten zu Männern herangewachsenen Jugendlichen“, klagten die Zeitungen.
„Gutsbesitzerin, von schöner Statur“
Das Inserat, das Braun aufgab, nahm sich kreative Freiheiten: Nicht die Stieftöchter eines Schmelzofenarbeiters, sondern eine reiche Gutsbesitzertochter aus Luxemburg suchte hier einen Gatten. Auch meldete Braun sich seinerseits auf Heiratsannoncen. Die Herren Engels und Weber, einer ein Beamter, der andere ein Kaufmann, lud Braun nacheinander in sein Haus in der Kaiserstraße ein, wo er eine junge kinderlose Witwe anpries. Beide sprangen jedoch wieder ab. Braun hatte auf eine gemeinsame Reise nach Luxemburg bestanden, auf die die Bewerber bitte schön 10 000 Mark mitnehmen sollten.
Ein Heiratsinserat hatte auch der 41 Jahre alte Joseph Bohnen, Inhaber der Minoriten-Drogerie in der Breite Straße 23, aufgegeben, auf das sich am 29. Mai 1921 Peter Braun meldete. Er sei Eisenbahnbeamter, kein Heiratsvermittler, kenne aber in Luxemburg eine seit zwei Jahren verwitwete Gutsbesitzerin, ohne Kinder und von schöner Statur, sehr vermögend. Bohnen würde leben wie ein Prinz, möge aber verschweigen, dass eine Zeitungsbekanntschaft vorliege. Bohnen, der als gutmütig und unselbstständig geschildert wird, zeigte Brauns Brief seinem Schwager, einem Kaufmann aus Oberhausen. Dieser machte erst einige Witze, um dann zu mahnen, man müsse in solchen Sachen vorsichtig sein. Nachdem Bohnen sich drei- bis viermal mit Braun getroffen hatte, erklärte er sich schließlich zur Reise nach Luxemburg bereit.
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Bohnen verschaffte sich luxemburgisches Geld. Braun ließ sich von seinem Vorgesetzten ein Freibillet nach Trier ausstellen. Am 20. Juni, 8.30 Uhr abends, fuhren sie per D-Zug über Euskirchen nach Trier, wo sie gegen Mitternacht ankamen und gemeinsam im Bahnhof übernachteten. Morgens ging es mit dem ersten Zug nach Luxemburg, wobei sie an der Grenze ins Kontrollbuch eingetragen wurden. Die letzte Etappe bis Roeser wollten sie zu Fuß gehen. Braun kannte da einen verlassenen Feldweg, ein kleiner Umweg.
Allein fuhr Braun am gleichen Tag nachmittags ab 2 Uhr nach Köln zurück, wo er zur Überraschung seiner Frau abends gegen 11 Uhr eintraf. Von nun an sei er sehr aufgeregt und verstört gewesen, wird berichtet. Seine Kollegen meinten, er sei verrückt geworden, weil er alle Weichen falsch stellte. Wiederholt fragte er in der Minoritendrogerie nach dem Verbleib ihres Besitzers. Joseph Bohnen aber war spurlos verschwunden.
Eine mehr als acht Meter lange Blutspur entdeckten Bauern am 28. Juni auf einem Feldweg in Luxemburg. An ihrem Ende im Feld lag eine Männerleiche mit gespreizten Beinen auf dem Rücken. Neben 100 Mark deutschem Papiergeld fand man eine Tube Parfüm, einen Rosenkranz, einen Bleistift und eine Uhr bei ihr. Die Inschrift der Uhr wies den Toten als Joseph Bohnen aus. In einem benachbarten Gebüsch sollte man am 2. Juli seinen Regenschirm und Koffer finden.
Die Leiche ins Kornfeld geschleppt
Am 28. Juni fragte Braun seine Verwandten in Roeser per Telegramm, ob Bohnen bei ihnen sei. „Hier alles beunruhigt“, schreibt er. Der luxemburgische Postbeamte, der das Telegramm entgegennahm, hatte da schon von der Leiche Bohnens im Feld gehört. Als Brauns Schwager das Telegramm abholte, sprach er ihn darauf an. Dieser sagte nur überrascht, dass er Bohnen noch nie in seinem Leben gesehen habe. Die luxemburgische Kriminalpolizei schickte umgehend einen Beamten nach Köln.
Er habe Bohnen im Salzrümpchen, An der Rechtschule 24, kennen gelernt, erzählt Braun beim ersten Verhör. Bohnen habe erzählt, dass er eine Frau suche, woraufhin Braun ihm von den Luxemburger Mädchen berichtet habe. Bohnen sei es gewesen, der auf eine sofortige Reise drängte. Er habe ihn bis zur Grenze begleitet. Von hier ab sei Bohnen mit ihm unbekannten Männern weitergefahren. Bei der obligatorischen Hausdurchsuchung aber fand die Polizei Brauns Auslandspass, der die Grenzüberschreitung dokumentierte. Außerdem Briefe, in denen eine luxemburgische Gutsbesitzerin sowie viel Bargeld zentrale Rollen spielten. Vor allem aber fand man auf Brauns Kleidern Blutspritzer. Am 30. Juni wurde er verhaftet.
Beim Prozess am 24. Februar 1922 zeigte sich Peter Braun unsicher, was wohl die optimale Verteidigungsstrategie wäre. Nachdem er den Mord anfänglich leugnete und beteuerte, das gefundene Blut komme vom Hühnerschlachten oder Nasenbluten, gab er ihn zwischenzeitlich zu. Am Bahnhof Trier habe er eine Schraubenmutter, die zum Befestigen der Schienen benutzt wird, gefunden, in eine Latte hineingebohrt und dieses Instrument in seine Tasche gesteckt.
Auf dem Feldwege sei er hinter Bohnen hergegangen und habe dann mehrfach mit der Latte seitwärts auf Bohnens Kopf geschlagen. Dieser sei gleich zusammen gebrochen. Er habe aber weiter zugeschlagen, um ihn vollends zu töten. „Herr Braun, ich habe Ihnen doch alles Vertrauen geschenkt. Ich habe geglaubt, einen lieben Menschen vor mir zu haben, und nun machen Sie so etwas“, habe Bohnen noch sagen können. „Ich war in Not“, habe er geantwortet. Bohnen letzte Worte seien gewesen: „Nur ein Wort von Ihnen und ich hätte Ihnen geholfen.“
Die Leiche habe er dann in das Kornfeld geschleppt, die Taschen des Toten geleert. Die Papiere habe er zerrissen. 700 bis 800 Franken habe Bohnen bei sich gehabt. Auf dem Rückweg habe er angefangen die Blutflecken des Erschlagenen auf seinen Kleidern zu verkratzen.
Das Schuldeingeständnis zog Braun später zurück und gab diverse andere Tathergänge zu Protokoll, bei denen einmal die französische Fremdenlegion vorkam und er Bohnen ein anderes Mal aus Notwehr erschlug. Das Todesurteil, das durch mehrere Instanzen hindurch gegen Braun wegen Raubmordes ausgesprochen wurde, ist nicht vollstreckt worden.