AboAbonnieren

„Babylon Köln“ (4)Falschgeld aus Odenthal – wie die Hyerinflation Kriminellen nutzte

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt (1)

Das Geld konnte nicht so schnell gedruckt werden wie die Preise stiegen: 100-Billionen-Mark-Schein der Stadt Köln von 1923. Auf der Vorderseite ist die Unterschrift des damaligen Oberbürgermeisters Konrad Adenauer abgedruckt, auf der Rückseite eine Stadtansicht aus dem 16. Jahrhundert.

  1. Auch Köln war in den 20er Jahren geprägt von Armut, politischen Unruhen, aber auch Lebenslust.
  2. Angelehnt an die Reihe „Babylon Berlin“ schildern wir in loser Folge spektakuläre Kriminalfälle dieser Zeit.

Köln – Bitterkalt und verschneit war es am Abend des 18. Februar 1924, als ein Polizeiauto mit offenem Verdeck von Odenthal nach Köln fuhr. Drinnen saßen neben den Polizisten drei Personen, die in Verdacht standen, zu einer berüchtigten Falschmünzer-Bande zu gehören. Der Wagen steuerte direkt auf einen blutigen Hinterhalt zu.

48 Millionen Mark verdiente im Herbst 1923 ein städtischer Arbeiter mit Frau und zwei Kindern. Und das in einer einzigen Woche. Kaufen konnte er sich davon aber kaum etwas. Ein Brot kostete allein schon 10 Millionen, ein Kilo Kartoffeln 5 Millionen Mark. Metallgeld gab es schon lange nicht mehr – der Materialwert hätte den darauf geprägten Nominalwert überstiegen.

Geld ist nichts mehr wert

Auf der Straße wurde getuschelt. Pure Absicht sei das von der deutschen Regierung, dass das Geld nichts mehr wert sei. Alle Welt solle sehen, dass die deutsche Wirtschaft nach dem Krieg am Boden liege und die immensen Reparationsforderungen der Siegermächte einfach nicht bewältigen könne.

Weil die Reichsbank mit dem Drucken des Geldes nicht mehr hinterherkam, gaben einige Städte und Regionen immer wieder eigene Scheine heraus – so auch Köln. Das konnte so nicht weiter gehen. Auf dem Höhepunkt der Hyperinflation wurde am 1. November 1923 die Rentenmark als neues Zahlungsmittel eingeführt. Festgesetzter Wechselkurs: 1 zu 1 Billion Mark. Die Bevölkerung hatte da schon fast den Überblick über die verschiedenen teils nur lokal und für eine eingeschränkte Zeit gültigen Geldscheine verloren, die schnell und billig hergestellt wurden. Günstige Zeiten für Falschmünzer.

Notgeld der Stadt Köln

Auf das Notgeld der Stadt Köln hatte sich eine offensichtlich besonders große und geschickte Bande spezialisiert, die die Polizei Anfang 1924 an verschiedenen Stellen der näheren Umgebung aufgespürt hatte. Razzien versetzten dann auch das ruhige Glöbusch bei Odenthal in Aufruhr. Die Polizei nahm zunächst am 16. Februar 1924 Joseph Eck und dessen Schwager Wilhelm Schiefer fest und brachte sie nach Köln ins Gefängnis.

Und am 18. Februar kam die Kriminalpolizei schon wieder, um Wilhelm Schiefers Ehefrau sowie Hubert Eck und Joseph Schmitz, einen Knecht von Joseph Eck, zunächst zum Verhör in der Bürgermeisterei Odenthal und dann für weitere Untersuchungen nach Köln zu bringen.

Mehrere Männer im Straßengraben

Abends um 9.30 Uhr fuhr der offene Polizeikraftwagen durch den Schnee Richtung Gefängnis los. Am Steuer und somit rechten Vordersitz saß Polizeiwachtmeister Johann Eschweiler, neben ihm Kriminalassistent Theodor Dresen. Auf der rechten Rückbank saß Polizeiwachtmeister Peter Stommel neben der verhafteten Frau Schiefer, dahinter Hubert Eck und Joseph Schmitz. Etwa zehn Minuten war das Auto unterwegs und näherte sich der Dhünnbrücke, als Wachtmeister Eschweiler im in Fahrtrichtung rechten Straßengraben mehrere Männer sah, die zweimal „Halt“ riefen.

Etwa 20 bis 15 Schritte waren sie noch entfernt, als ein Pistolenschuss in der linken Stirnseite des Kühlers einschlug. Weitere Schüsse trafen das Auto an der linken Seite und der Rückwand. Eine Schrotgewehrladung schlug knapp unterhalb des Steuerrads ein, verletzte Eschweiler leicht am rechten Auge und an der rechten Hand, um ansonsten in die linke Verschalung der Karosserie zu fahren. Die nächste Schrotgewehrsalve wurde zum Teil durch zwei Streben des zusammengeklappten Verdecks aufgehalten. Die restlichen Schrotkörner aber fanden ihren Weg durch die Zwischenräume und trafen Polizeiwachtmeister Peter Stommel in der Kreuzgegend des Rückens auf einer durch diese Lücke bedingten Fläche von 15 mal 2 Zentimeter.

Körperschlagader getroffen

Sie zerrissen ihm Teile des Herzens, der Lunge und der Leber, vor allem aber die große Körperschlagader. Weitere Kugelschüsse in den Kühler und den Benzinbehälter legten das Auto lahm. Auf das nun stehende Fahrzeug schossen die Angreifer weiterhin ein, bis Johann Eschweiler und Theodor Dresen mit gezückten Pistolen heraussprangen. Bei den Licht- und Witterungsverhältnissen konnten sie kaum feststellen, ob es sich um drei oder vier Angreifer handelte, geschweige denn ihre Gesichter erkennen. Es folgte ein kurzes Feuergefecht, bevor die Wegelagerer in das dicht hinter ihnen gelegene Tannenwäldchen Richtung Glöbusch flohen.

Die Gefangenen im Wagen waren unverletzt geblieben. Der 26 Jahre alte Stommel aber verblutete noch am Tatort. Der Wagen musste abgeschleppt werden. Ein Großaufgebot von zwanzig Kriminalbeamten, zwanzig uniformierten Beamten und zwanzig englischen Polizeibeamten rückte am Morgen in Odenthal und den umliegenden Ortschaften ein. Sicher war man nicht, ob es sich lediglich um einen Racheakt gegen die Polizei gehandelt hatte oder ob der Überfall die festgenommenen Personen hatte befreien sollen. Der Verdacht konzentrierte sich aber auf Verwandte und Freunde der festgenommenen Falschmünzer. Insgesamt wurden elf Personen verhaftet, teils direkt aus dem Bett.

Dunkele Projekte der Kommunisten

Bei den Durchsuchungen fand man jedoch nur eine alte Pistole. Also waren Polizei und Staatsanwaltschaft auf Vermutungen zurückgeworfen. Kommunisten seien das, die mit dem Falschgeld irgendwelche dunklen Projekte finanzieren. Verzweifelt versuchten sie, die Angeklagten und deren Angehörige mittels fingierter Briefe zu Geständnissen zu bewegen oder an belastendes Material zu gelangen. Auch Spitzel, etwa Mitgefangene, setzte man ein. Ohne nennenswertes Ergebnis.

Am 7. Juni 1926 begann am Appellhofplatz der Prozess vor dem Kölner Schwurgericht, bei dem Urban Breidbach, Theodor Strünker, Johann Großbach, Heinrich Eck und Theodor Odenthal wegen des Überfalls auf den Wagen wegen Mordes, Mordversuchs und versuchter Gefangenenbefreiung angeklagt wurden. Inzwischen hatte Großbach, dem eine Haftpsychose diagnostiziert wurde und der mehrmals Sehnsucht nach seiner Verlobten äußerte, gleich 13 Geständnisse zum Überfall abgelegt – die einander allerdings nicht selten widersprachen und mitunter von ihm widerrufen wurden.

Dreiwöchiger Mammutprozess

Er habe geschossen, aber eigentlich Polizeiwachtmeister Bernhard Klein erwischen wollen, weil der ihm kurz zuvor drei Jagdgewehre abgenommen habe. Erst hinterher habe er erfahren, dass Klein gar nicht im Auto gewesen sei. Als man mit der Verhandlung nicht weiterkam, trat als Höhepunkt die Mutter des erschossenen Stommel unangekündigt auf und flehte die Angeklagten an, doch Licht ins Dunkel zu bringen. Ergebnislos.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nach dreiwöchigem Mammutprozess mit über hundert Zeugen rang sich das Gericht am 26. Juni 1926 nach fast achtstündiger Beratung dazu durch, Großbach, Strünker und Odenthal des gemeinsamen Totschlags für schuldig zu erklären, wobei letzterer wohl nur ein Mitläufer gewesen sei. Großbach und Strünker wurden zu je 6 Jahren Zuchthaus, Odenthal zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren verurteilt. Eck und Breidbach wurden freigesprochen.

Nicht, wie das Gericht betonte, weil ihre Unschuld erwiesen sei, denn es sei klar, dass sie in irgend einer, wenn auch noch unklarer, Weise mit der Sache verknüpft seien. So schloss das Gericht die Verhandlung mit der Vermutung, dass sich die wirklichen Drahtzieher noch im schützenden Dunkel befänden.