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Serie „Babylon Köln“Spektakuläre Kriminalfälle der 20er Jahre in Köln

Lesezeit 5 Minuten
Babylon Köln

Blick von der Messe auf den Dom. „Adenauers Pferdeställe“ wurden die Messehallen in den 1920ern genannt.

  1. Die Serie „Babylon Berlin“ der ARD verfolgt den Kölner Kommissar Georg Rath in den 1920er Jahren in Berlin.
  2. Aber auch in seiner Heimatstadt war das Leben geprägt von Unruhen, Armut aber auch Lebenslust.
  3. In unserer neuen Serie schildern wir spektakuläre Kriminalfälle.

Eine Million Mark Belohnung lobte der Regierungspräsident Kölns für die Ermittlung und Ergreifung eines schlanken Mannes aus. Die Merkmale: 1,75 Meter groß und 26 bis 28 Jahre alt, blasses Gesicht, hohe Stirn und gerade Haltung. Dieser war am Samstag, 17. März 1923, abends gegen 7 Uhr zur Wohnungstür des Politikers Joseph Smeets in der Luxemburger Straße 26 gekommen und hatte gebeten, kurz hereinkommen zu können.

Er wolle einige Zeitungen abholen. Glatt rasiert sei er gewesen, bekleidet mit einer dunklen Schirmmütze, einer umgearbeiteten Militärjacke und dunklen Sportstrümpfen. Smeets Schwester begleitete ihn ins Büro, wo der Unbekannte eine Pistole zückte, Kaliber 7,65 Millimeter. Die erste Kugel zersplitterte die Fensterscheibe, vor der Joseph Smeets im Gespräch mit seinem Schwager, dem Friseur Joseph Kaiser, und dem Journalisten Franz Trier stand. Die zweite Kugel jedoch traf ihn, als er versuchte sich wegzubücken, am Hinterkopf, durchschlug den Schädel bis zur Wirbelsäule. Dann feuerte der Attentäter zweimal auf Joseph Kaiser, der rechts von der Tür gestanden hatte. Tödlich getroffen sank Kaiser zu Boden, während der Attentäter die Flucht ergriff.

Sonderbündler wollten souveräne Rheinische Republik

Weil es ihm nicht sofort gelang, die Korridortür zu öffnen, zerschlug er die darin eingelassene Glasscheibe und kletterte durch die Öffnung. Draußen, wo sich schnell eine Menschenmenge versammelt hatte, rief er laut nach einem Schutzmann, um dann schnellen Schritts Richtung Barbarossaplatz zu verschwinden. Joseph Smeets wurde umgehend ins Krankenhaus transportiert und operiert. Er überlebte knapp. Dass er Ziel körperlicher Übergriffe werden könnte, war Smeets klar gewesen. Er hatte sich deshalb zumeist in einem gesonderten, verschlossenen Raum neben dem stark frequentierten Büro aufgehalten.

Smeets war Politiker der sogenannten Sonderbündler, die fragten, warum das Rheinland denn bitte schön unbedingt von Berlin aus regiert werden müsse. Stattdessen wollten sie eine souveräne Rheinische Republik mit guten Beziehung zu Frankreich. Dort war man angetan, hatte man doch schon in den Friedensverhandlungen damit geliebäugelt, die linksrheinischen Gebiete ganz einzugliedern oder zumindest als eigenständigen Pufferstaat zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich zu installieren.

Spekulationen: War Smeets Geheimagent Frankreichs?

Viele Menschen in Köln und dem Rest Deutschlands aber waren empört. Man litt ohnehin unter der britischen Besatzung, die nicht nur mit finanziellen Belastungen einher ging. Unlängst hatte Frankreich sich als Ausgleich für ausgebliebene deutsche Reparationszahlungen einen Teil der Köln-Düsseldorfer Schiffsflotte einverleibt. Zum Eklat kam es dann bei der Ruhrbesetzung im Januar 1923. Die Deutsche Regierung rief zu passivem Widerstand auf. Die Rheinischen Separatisten aber suchten den Schulterschluss mit Frankreich.

Ihre Parteizeitung ermunterte die Besatzungsmächte am 15. Februar 1923 sogar, lauthals protestierende „preußische Elemente“ im Rheinland doch einfach auszuweisen. Resultat waren feindselige Kundgebungen vor Smeets Wohnung. War der ehemalige Sozialdemokrat nicht ein Geheimagent Frankreichs?

Mord wird in der Presse geradezu begrüßt

„Es ist ein offenes Geheimnis, dass Smeets nicht in der Lage ist, auch nur einen einzigen Artikel selbst zu schreiben“, polemisiert die Kölnische Zeitung. „Er wird von seinen Auftraggebern lediglich als Strohmann vorgeschoben.“ Schließlich leiten sogar die Deutschen Behörden ein Verfahren wegen Spionage ein.

Der Anschlag auf Smeets wird dann in der Presse geradezu begrüßt. „Wie jede politische Mordtat zu verdammen ist, so auch diese Tat an Smeets, aber sie ist zu erklären, aus dem Hass, den das französische Vorgehen gegen Deutschland, besonders das Auftreten der Franzosen im Ruhrgebiet, erzeugt hat.“ Der Stadtanzeiger hofft, dass die Schüsse „aller Welt zeigen, wie sehr die Franzosen sich eine Umkehrung der Wahrheit schuldig machen, wenn sie behaupten, die Bewohner des Rheinlands sehnten sich danach, vom 'preußischen Joch' befreit zu werden, um in die weitgeöffneten Arme Mariannens zu sinken.“

Koblenz als Regierungssitz der Rheinischen Republik

Die Lage eskaliert noch einmal, als die Wirtschaft in den besetzten Gebieten fast zusammenbricht. In Berlin überlegt man, das Rheinland einfach „versacken“ zu lassen und den Besatzungsmächten die Verantwortung zu übergeben. Im Oktober 1923 verhandelt auch der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer über Möglichkeiten einer Loslösung des Rheinlands zugunsten der Gründung eines eigenen Westdeutschen Staats, der allerdings dem Deutschen Reich angegliedert bleiben sollte.

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Da aber versuchten einige radikale Separatisten schon die Gründung der Rheinischen Republik mit Waffengewalt. Rathäuser wurden besetzt, Koblenz als Regierungssitz auserkoren. Auch auf dem Haus Neustraße 43 in Eschweiler wurde am 16. Oktober 1923 die grün-weiß-rote Fahne der Rheinischen Republik gehisst. Das Kartenhaus fiel aber schon bald in sich zusammen, weil die Zustimmung in der Bevölkerung gen Null tendierte.

Hannes Miebach, Kölner, bekennt sich zum Attentat

Smeets, gesundheitlich angeschlagen und wegen parteiinterner Streitigkeiten mittlerweile in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht, starb am 25. März 1925 in Metz an den Spätfolgen des Attentats. Und der Attentäter? Als der bekannte sich der 1902 geborene Kölner Hannes Miebach, der nach dem Anschlag nach München geflüchtet war und im Januar 1924 einem Schießtrupp angehörte, der in Speyer den pfälzischen Separatistenführer Franz-Joseph Heinz ermordete. Miebach kam bei einem Flugzeugabsturz um.

Er wurde am Nachmittag des 25. Januar 1934 als Freiheitskämpfer und „einer der ersten, vielleicht der erste Nationalsozialist in Köln“ mit einem Staatsbegräbnis auf Melaten mit Hermann Göring an der Spitze geehrt, beerdigt neben den Kämpfern aus dem Krieg von 1870/1871. „Du wusstest, dass der geradeste Weg zum Herzen von Verrätern noch immer die Pistolenkugel gewesen ist“, hieß es lobend in der Grabrede. 1939 benannte Köln eine Straße nach ihm.

1945 wurde Deutschland neu geordnet. Es kam zur Gründung der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz – in etwa in jenen Grenzen, die 1923 eine Rheinische Republik haben sollte.