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NRW-CheckWas ist das Erfolgsrezept von Hendrik Wüst und seiner CDU, Herr Güllner?

Lesezeit 7 Minuten
Manfred Güllner, Geschäftsführer des Forsa-Instituts, nimmt an einer Gesprächsrunde teil.

Manfred Güllner, Geschäftsführer des Forsa-Instituts.

Die Beliebtheit von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst steigt weiter an- wie schafft er das? Und warum steht die SPD im NRW-Check so schlecht da? Forsa-Chef Manfred Güllner im Interview.

Bei der Frage nach den drängendsten Problemen gibt es im Vergleich zum letzten NRW-Check eine deutliche Verschiebung hin zur wirtschaftlichen Lage. Können Sie die Ursachen dafür skizzieren?

Wir sehen diese Entwicklung auch bundesweit. Die Menschen wissen durch die Berichterstattung über die Automobilindustrie oder über Stahlunternehmen wie ThyssenKrupp, die Stellen einsparen müssen und Arbeitsplätze abbauen, dass die Wirtschaft nicht mehr so gut läuft. Und viele Erwerbstätige machen (vor allem in den mittelständischen Betrieben) ähnliche Erfahrungen.

Und nur weil die Inflationsrate gesunken ist, sind ja die Preise nicht gesunken. Wenn jemand in den Supermarkt geht, sieht er jeden Tag, wie teuer alles geworden ist. Das alles führt dazu, dass die Sorge um die weitere ökonomische Entwicklung sehr groß geworden ist.

Die persönlichen Zustimmungswerte für Ministerpräsident Hendrik Wüst steigen weiterhin kontinuierlich an. Aber für seine schwarz-grüne Regierung insgesamt liegen die Zustimmungswerte immer noch bei unter 50 Prozent. Wie ist das zu erklären?

Der Zustimmungswert für die NRW-Landesregierung ist - gemessen an anderen Landesregierungen - gar nicht so schlecht, wenn auch nicht überschwänglich hoch im Vergleich zu den Werten für Wüst. Die sehr guten Werte für die CDU sind aber im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Wüst während seiner Amtszeit sehr beliebt geworden ist.

Er musste das Ministerpräsidentenamt ja recht plötzlich und ohne große Vorbereitung übernehmen, füllt das Amt aber nach Meinung der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zunehmend gut aus. Aber das strahlt natürlich nicht automatisch auch auf die gesamte Landesregierung ab.

Warum nicht?

Wir sehen das schon allein bei den Bekanntheitswerten der einzelnen Kabinettsmitglieder. Es sind neben Wüst vor allem nur die beiden alten „Schlachtrösser“ Reul und Laumann vielen bekannt und hoch angesehen. Die anderen werden von vielen gar nicht so richtig wahrgenommen. Das sehen wir aber generell auf der Landesebene, dass die entscheidende politische Figur in erster Linie nur der Ministerpräsident ist.

Wüst kommt zupass, dass er Reul und Laumann noch neben sich hat. Außerdem: Manche Politikbereiche, wie die Schulpolitik oder die Kitaversorgung, werden ohnehin nicht positiv bewertet. Aber Wüst überstrahlt solche Defizite durch sein hohes Ansehen.

Sie haben Herbert Reul und Karl-Josef Laumann erwähnt. Die beiden CDU-Minister haben nach Wüst die höchsten Bekanntheits- und Zufriedenheitswerte. Was ist deren Erfolgsrezept?

Einerseits sind Reul und Laumann schon lange im Amt, andererseits sind sie sehr bodenständig. Die Leute haben das Gefühl, dass beide verstehen, was die Menschen bewegt. Und das ist ja das, was man gerade den politischen Akteuren in Berlin vorwirft: Dass sie die Bodenhaftung und die Bürgernähe verloren haben. Dass sie nicht mehr wissen, was die Leute wirklich für Probleme und Interessen haben.

Bei Laumann, Reul und Wüst haben die Wählerinnen und Wähler hingegen das Gefühl, die wissen, was die Menschen umtreibt, und das wird entsprechend honoriert.

Die SPD dagegen steht, wie schon beim letzten NRW-Check, sowohl bei den Bekanntheitswerten der einzelnen Politiker als auch bei der Frage nach der Problemlösungskompetenz ziemlich schlecht da. Warum?

Nordrhein-Westfalen ist insgesamt, anders als es häufig kolportiert wird, gar nicht das Kern- oder Stammland der SPD. Bis 1966 hatte die CDU auf Landesebene meistens die Mehrheit und stellte den Ministerpräsidenten. Dann gab es eine lange Zeit, wo die SPD die dominante Partei war. Sie hat dann aber durch negative innerparteiliche Entwicklungen das einst vorhandene Vertrauen zunehmend verspielt. Heute werden die Repräsentanten der SPD noch nicht einmal mehr wahrgenommen. Viele kennen die aktuelle Führungsspitze der SPD gar nicht.

Wir haben im vorherigen NRW-Check im März offen gefragt, ob die Wählerinnen und Wähler irgendeinen Repräsentanten der SPD kennen. Die meisten konnten keinen nennen. Und das zeigt sehr drastisch, wie schlecht es um die SPD in NRW steht. Wir sehen ein Siechtum, das über lange Jahre durch eigene Schuld eingetreten ist. In ihrer „Herzkammer“, dem Ruhrgebiet, kamen die Kandidaten der SPD früher auf 65 Prozent, jetzt konkurrieren sie mit den Grünen um den ersten Rang.

Könnte es sein, dass die SPD auf die falschen Themen setzt? Zum Beispiel soziale Ungerechtigkeit steht für die Befragten im NRW-Check ziemlich weit unten auf der Liste der drängendsten Probleme.

Ja, das ist einer der Gründe. Zum einen gibt es eine personelle Ausdünnung: die SPD hat keine Personen mehr, die wirklich für die Partei in NRW stehen. Und das andere ist sicherlich, dass der politische Kurs der SPD eben – knapp gesagt - zu linkslastig geworden ist. Und mit dem, was Sie angedeutet haben, haben Sie völlig Recht: Mit dem Thema soziale Gerechtigkeit hat die SPD noch nie Wahlen gewonnen. Aber sie setzt immer wieder darauf. Und das sind fatale Fehler, die die Partei in der programmatischen Weichenstellung gemacht hat.

Was müsste die SPD konkret tun, um sich aus diesem Tief wieder herauszuarbeiten?

Nach den vielen Fehlern, die die SPD gemacht hat, fehlt mir fast die Fantasie, welche Ratschläge man der Partei noch erteilen könnte. Zudem hat sie es jetzt mit Wüst zu tun, der sich als jemand entpuppt, der das Amt des Ministerpräsidenten ausfüllt und in die großen Fußstapfen der früheren, auch der hoch angesehenen SPD-Ministerpräsidenten, passt.

Provokant gefragt: Ist Hendrik Wüst wirklich stark oder sind die anderen im Vergleich einfach nur schwach?

Nein, Wüst ist mit seiner Rolle als Ministerpräsident gewachsen und findet zudem auch den richtigen Ton im Dialog mit den Menschen. Er entwickelt sich zu einem Landesvater, trotz seines noch relativ jungen Alters. Wüst hätte es schwerer gehabt, wenn bei der Landtagswahl 2022 jemand mit größerer Popularität als Thomas Kutschaty Spitzenkandidat der SPD geworden wäre.

So profitierte Wüst davon, dass die SPD schon 2022 keinen Kandidaten hatte, der bei den Wahlberechtigten Akzeptanz hatte. Damals wäre Wüst noch zu schlagen gewesen, aber jetzt dürfte das sehr schwer sein.

Die Wählerinnen und Wähler unterscheiden eben doch zwischen der Merz-CDU im Bund und der NRW-CDU mit Wüst, Reul und Laumann.
Manfred Güllner

Wenn Hendrik Wüst irgendwann einmal sein Amt abgibt oder sagt, er sieht seine Aufgaben nun doch eher in Berlin als in Nordrhein-Westfalen, hat die SPD dann wieder eine Chance?

Das hängt dann davon ab, wen die CDU als Nachfolger für Wüst aufbaut. Sie darf kein Vakuum entstehen lassen, falls er vielleicht doch mal nach Berlin geht. Das ist ja nicht auszuschließen, da er noch jung ist und auch in der Bundes-CDU sicher eine Rolle spielen wird. Auf der anderen Seite muss auch die SPD erstmal jemanden finden. Ich sehe da allerdings zurzeit niemanden, der hier wirklich große Resonanz und Akzeptanz hätte.

Kommen wir zu einer anderen CDU-Größe: Kanzlerkandidat und Parteichef Friedrich Merz. Laut NRW Check würden sich nur 27 Prozent der Befragten für ihn als Bundeskanzler entscheiden. Nun stammt Friedrich Merz ja auch aus NRW. Warum kann er seinen Heimvorteil nicht so recht nutzen?

Merz ist nie als Repräsentant von Nordrhein-Westfalen oder der nordrhein-westfälischen CDU wahrgenommen worden. Das Sauerland, wo er verwurzelt ist, ist ja nicht gleichzusetzen mit NRW. Insgesamt, das sehen wir auch bei den neuesten bundesweiten Zahlen, erhält Merz schwache Werte. Dass die Union im Bund auf über 30 Prozent kommt, liegt vor allem an der CDU in NRW und der CSU in Bayern. Würde man deren Werte herausrechnen, stünde die Merz-CDU recht schlecht da.

Bei einer Landtagswahl würden die Wählerinnen und Wähler ja eher für die CDU stimmen als bei der Bundestagswahl. Wahrscheinlich ist Hendrik Wüst da auch ein ganz großer Faktor - aber gibt es vielleicht noch andere Ursachen?

Auf Landesebene haben wir einmal die schwache SPD, die der CDU derzeit nicht gefährlich wird. Und natürlich ist es in erster Linie tatsächlich Wüst geschuldet, dass die CDU in NRW bei der Frage nach der Landtagswahlabsicht über die 40 Prozent-Marke kommt. Sie hat einen klaren Landesbonus, den wir schon in den letzten Untersuchungen immer wieder festgestellt haben.

Auch bei der Bundestagswahl hebt die CDU in Nordrhein-Westfalen den Umfragewert über das bundesweite Durchschnittsniveau hinaus. Aber die Wählerinnen und Wähler unterscheiden eben doch zwischen der Merz-CDU im Bund und der NRW-CDU mit Wüst, Reul und Laumann.