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Wüst siegt klar in NRW„Das ist der Auftrag, eine Regierung zu bilden und zu führen“

Lesezeit 4 Minuten
Hendrik Wüst trinkt ein Bier

Hendrik Wüst trinkt ein Bier auf den Wahlsieg. 

Düsseldorf – Als der unerwartete Triumph am Sonntagabend schon ab 18.01 Uhr immer schärfere Konturen annahm und immer mehr feierfreudige Menschen in den Garten der CDU-Parteizentrale am Düsseldorfer Schwanenspiegel drängten, gönnte sich Innenminister Herbert Reul in der Abendsonne gleich einen Moment der Offenheit: „Wir haben es gehofft“, sagte der Regierungsroutinier mit Blick auf die Zahlen, „damit gerechnet haben wir nicht.“

Klarer Regierungsauftrag an die CDU und Hendrik Wüst

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Neu-Ministerpräsident Hendrik Wüst und seinem SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty hatten die Meinungsforschungsinstitute vorhergesagt: Am Ende wurde es ein klarer Sieg des CDU-Mannes, der sogar noch über dem umjubelten Ergebnis von 2017 lag. „Das ist der Auftrag, eine Regierung zu bilden und zu führen“, rief Wüst seinen entfesselten Anhängern zu. Dabei schwang zunächst noch die Befürchtung mit, es könnte trotz allem vielleicht doch noch eine Ampel gegen ihn geschmiedet werden.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann stellte ebenfalls umgehend klar, dass man „moralisch und politisch den Regierungsauftrag“ bekommen habe. Zweifellos ist jedenfalls Wüsts Strategie aufgegangen, nach dem Bundestagswahldebakel wieder das bürgerliche Potenzial der Christdemokraten an Rhein und Ruhr zu aktivieren. Wüst hatte als Nachfolger des gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet ja gerade einmal 200 Tage Zeit, um die demoralisierte NRW-CDU wieder aufzurichten.

„Wenn der Spitzenkandidat seine Partei ohne einen Fehler durch den Wahlkampf führt, hat er einen guten Job gemacht“, lobte Laumann. Obwohl Wüst bislang keine besonders guten Persönlichkeitswerte oder gar einen hohen Amtsbonus besaß, steigt er nun in der Union zu den mächtigen Landesfürsten und potenziellen Kanzlerkandidaten auf. Programmatische Weichenstellungen waren in der Kürze seiner Amtszeit nicht zu erwarten, doch er setzte nach innen und außen sehr wohl Signale, die verstanden wurden.

Schon im Vorfeld gab es Annäherungen an die Grünen

Das Bekenntnis zum vorgezogenen Kohleausstieg 2030 gleich in seiner Regierungserklärung im vergangenen Herbst durfte als vorsichtiges Herantasten an den nun umworbenen möglichen Koalitionspartner Grüne gelesen werden. Zumal es beim eigentlich konservativen Wüst, der lange den einflussreichen CDU-Wirtschaftsflügel im Land führte, keineswegs aus vollem Herzen gekommen sein dürfte.

Zeitgleich grenzte sich der Neue vom Koalitionspartner FDP ab. Hatte Laschet den Liberalen noch ewige Freundschaft geschworen und intern stets für ein kollegiales Klima gesorgt, arbeitete Wüst erkennbar „nur noch auf eigene Rechnung“, wie ein liberaler Spitzenmann schon vor Monaten in Bezug auf Wüsts Agieren säuerlich feststellte. Nun kann sich die FDP von den zahlreichen mitfühlenden Kondolenzadressen, die am Sonntag aus der CDU adressiert wurden, nichts mehr kaufen.

Offiziell wurde zwar auch nach Laschets Abgang noch von „echter Liebe“ in der selbsternannten „NRW-Koalition“ gesäuselt, doch mit der Gemeinsamkeit in der Corona-Politik war es seit Oktober vorbei. Wüst ging auf Distanz zum gerade bei älteren Wählergruppen unpopulären FDP-Freiheitskurs und ordnete sich demonstrativ im „Team Vorsicht“ ein. Der Zufall wollte es, dass er als omnipräsenter Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz zeitweilig auch noch eine Art Alleinvertretungsanspruch für den Corona-Kurs geschenkt bekam.

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Bei den Grünen wurden die Absetzbewegungen schon länger mit Interesse registriert. Zumal Wüst auch leise dafür sorgte, dass der massive Ärger über die Schulpolitik seiner Koalition möglichst allein mit FDP-Schulministerin Yvonne Gebauer nach Hause ging. Im TV-Duell brüstete er sich zuletzt dafür sogar mit der Urheberschaft für die „Talentschulen“, die zweifellos zu den wenigen Erfolgsschlagern der FDP-Bildungspolitik gehören. Laschet hatte selbst in größter Wahlkampfnot immer fair darauf hingewiesen, dass sich die CDU mit dem Konzept eine gute Idee der Liberalen für Problemschulen zu eigen gemacht habe.

Wüst ahnte wohl, dass er sich mit solchen Befindlichkeiten nicht aufhalten kann, wenn er die NRW-Wahl für die CDU gewinnen wollte. Auch intern arrangierte er sich mit Leuten wie Reul, Heimatministerin Ina Scharrenbach oder dem bisweilen krawalligen CDU-Landtagsfraktionschef Bodo Löttgen, die ihn bis zuletzt als Laschet-Nachfolger verhindern wollten. Sie wurden so klug eingebunden, dass die lange als „Intrigantenstadl“ berüchtigte NRW-CDU extrem geschlossen in die Schlacht zog.

Vor allem aber hatte der blitzgescheite Wüst den Absturz Laschets in der B-Note genau analysiert. Er musste in seiner kurzen Amtszeit vor allem die älteren Stammwähler wieder an die Urne bringen und bemühte sich deshalb um die Ausstellung berechenbarer Bürgerlichkeit. Der oft fahrig wirkende Laschet hatte gerade die Generation Ü60 vergrault. Mit geradem Kreuz, freundlichen Stakkato-Sätzen und täglich zahlreichen risikolosen Repräsentationsterminen bot Wüst genau die Fehlerfreiheit, die man im CDU-Lager erwartet. Am Ende trug sie ihn zum großen Sieg.