Fünf Monate nach der NRW-WahlDie Stimmung ist schlecht, die Lage stabil
Düsseldorf – Eine vordergründig widersprüchliche Botschaft hielt der „NRW-Trend“, die traditionsreiche Landesumfrage von Infratest Dimap im Auftrag des WDR, am Sonntag für die interessierten Düsseldorfer Politikkreise bereit. Die neue schwarz-grüne Landesregierung tue sich im aktuellen Krisenumfeld schwer, Vertrauen in der Bevölkerung aufzubauen, analysierten die Demoskopen. Mit der Arbeit des Kabinetts von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) seien nur 42 Prozent der Wahlberechtigten zufrieden, womit die Koalition sogar schlechter bewertet werde als die schwarz-gelbe Landesregierung kurz vor ihrer Abwahl im Mai.Zugleich wirkt die politische Stimmung in NRW betoniert. Schwarz-Grün verfügt fünf Monate nach der Landtagswahl weiterhin über eine satte Mehrheit, auch wenn sich die Binnenverhältnisse zwischen CDU (von 35,7 Prozent Wahlergebnis auf jetzt 32) und Grünen (von 18,2 Prozent auf jetzt 22) intern leicht verschoben zu haben scheinen. Wüst erzielt mit 51 Prozent (plus 3) Zufriedenheit zwar keineswegs Landesvater-Traumwerte, bewegt sich aber als noch vergleichsweise neuer Regierungschef in schwieriger Zeit im soliden bundesweiten Mittelfeld.
Die Agenda der Landespolitik hat sich mit den Folgen des Ukraine-Krieges vollkommen verändert. Die Themen Schule und Bildung, die normalerweise jeden Wahlkampf prägen, sind zurzeit in den Hintergrund gerückt. Dafür sehen 37 Prozent der Wahlberechtigten die Energiepolitik als größte Herausforderung für die Politik in NRW an. Kein Wunder, schließlich sorgt die Inflation dafür, dass zwei Drittel der NRW-Bürger (65 Prozent) inzwischen die eigene wirtschaftliche Lage kritisch einschätzen – ein deprimierender Wert.
CDU: Regierung weiterhin sicher – Wüst überzeugt
Wie im Sport gilt auch in der Politik: Die Tabelle lügt nicht. Die schwarz-grüne Landesregierung wird nach fünf Monaten zwar in der Gesamtbevölkerung eher kritisch beurteilt, verfügt aber bei den eigenen Anhängern (CDU: 68 Prozent, Grüne: 63 Prozent) über Rückhalt. In der Sonntagsfrage kommt an Schwarz-Grün keiner vorbei. Und Ministerpräsident Wüst überzeugt immerhin jeden zweiten NRW-Bürger und ist – struktureller Vorteil für den Amtsinhaber – populärster Landespolitiker.
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Wüst setzt seine erfolgreiche Strategie aus dem Wahlkampf auch im Amt fort: wenig anecken, kaum Fehler machen und simple Botschaften setzen („Der Bund muss handeln“, „Das normale Leben muss für normale Menschen bezahlbar bleiben“). Der Regierungschef ist weniger bundesweiter Debattentreiber, sondern vielmehr freundlicher „Mr. Meet & Greet“ – mit bemerkenswerter Ausdauer bei Grußworten und Fototerminen. Das vermittelt in aufgeregten Zeiten offenbar Unaufgeregtheit.
Grüne: Positiver Umfragetrend – Mona Neubaur gewinnt Ansehen
Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur ist zwar einem Großteil der NRW-Bürger völlig unbekannt, konnte aber seit Mai bei jenen, denen sie ein Begriff ist, an Ansehen gewinnen. Die Grüne stößt inzwischen bei gut einem Viertel auf ein positives Urteil (27 Prozent). Auch ihre Partei ist in der Sonntagsfrage seit dem Rekordergebnis bei der Landtagswahl noch einmal geklettert. Das ist nach dem umstrittenen Kohle-Deal mit RWE, der Laufzeitverlängerung für die letzten Atomkraftwerke und der medialen Habeck-Entzauberung durchaus bemerkenswert.
Die NRW-Grünen scheinen in jenem Maß, in dem sie in ihren Vorfeldorganisationen aus der Klimabewegung an Rückhalt verlieren, Respekt in der Mitte zu gewinnen. Immerhin wirken die Grünen eindeutig als Aktivposten der schwarz-grünen Landesregierung und ducken sich bei schwierigen Debatten nicht weg.
SPD: Weiterhin schwach – Kutschaty konnte es nicht retten
Nach dem historisch schlechten Landtagswahlergebnis im Mai hatte sich die SPD Ruhe als oberste Genossenpflicht verordnet. Die personelle und programmatische Kontinuität zahlt sich offenbar nicht aus. In der Sonntagsfrage steht man sogar nur noch bei 23 Prozent – die Zeiten, als die NRW-SPD das Kraftzentrum der Gesamtpartei war und stets sicher bis zu sieben, acht Prozentpunkte über dem Bundestrend lag, sind vorbei.
SPD-Chef Thomas Kutschaty, der sich trotz der schlimmen Wahlniederlage an der Spitze von Landtagsfraktion und Landespartei halten konnte, hat seit Mai noch einmal an Zustimmung verloren. Nur 26 Prozent fällen ein positives Urteil über den Anwalt aus Essen. Weder sein anfänglicher Linkskurs, noch das spätere Unterhaken bei Kanzler Olaf Scholz oder auch die angriffslustige Oppositionsarbeit brachten der NRW-SPD wieder Boden unter die Füße.
FDP: Keinen Aufrieb – Ist die Ampel Schuld?
Die Liberalen erleben gerade das, was der frühere Landeschef Christian Lindner gerne „Strömungsabriss“ nannte: Die FDP in NRW bekommt einfach keinen Auftrieb mehr. Das Unwohlsein ihres Stammpublikums mit der Ampel-Koalition im Bund, das permanente Berliner Gezänk und die schwierige Neuaufstellung in einer Düsseldorfer Mini-Fraktion nach dem Absturz bei der Landtagswahl fordern ihren Tribut. Nach Jahren der „echten Liebe“ in der schwarz-gelben Koalition droht den Liberalen nun die Bedeutungslosigkeit. Die FDP müsste aktuell sogar um den Wiedereinzug ins NRW-Parlament zittern. Der neue FDP-Fraktionsvorsitzende Henning Höne ist mehr als drei Vierteln der Bevölkerung unbekannt (79 Prozent).
AfD: Profiteure von der Krise
Wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt irgendwo eine Krise her. Nach Euro-Krise, Flüchtlingskrise und Corona-Krise bietet sich die AfD auch in der Energiekrise als Projektionsfläche des Bürgerzorns an. Sie klettert in NRW wieder auf neun Prozent, auch wenn die Landtagsfraktion gerade den Abgeordneten Christian Blex wegen Reiseplänen in den Donbass ausgeschlossen hat.