Rundschau-Debatte des TagesWie kann NRW den Lehrermangel abwenden?
- Fachhochschulen könnten im Kampf gegen den Pädagogen-Mangel eine wichtige Rolle spielen, stoßen aber auf den Widerstand der Universitäten.
Essen/Düsseldorf – In den Hörsälen in NRW ist der Lehrermangel der Zukunft bereits abzusehen. Immer weniger Abiturienten entscheiden sich für einen Lehramtsstudiengang, obwohl an den Schulen in NRW mehr als 4000 Stellen nicht besetzt sind. Warum ist interessieren sich so wenige für den Beruf?
Bernd Kriegesmann schüttelt den Kopf. Der Präsident der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen kann nicht verstehen, dass die Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen nicht stärker in die Ausbildung von Lehrern einbezogen werden, um den Mangel an Lehrkräften zu mildern. Die Hochschulen stünden „Gewehr bei Fuß“ und könnten schnell eigene Studiengänge aufbauen, versichert Kriegesmann.
„Die Fachhochschulen, heute Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), könnten bei der Bewältigung des Lehrkräftemangels eine wichtigere Rolle spielen als bisher“, sagte der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen unserer Redaktion. „Wir wollen eine eigenständige Lehramtsausbildung für berufsbildende Schulen anbieten, etwa im gewerblich-technischen sowie im sozial-pflegerischen Bereich. Denn gerade in den berufsbildenden Schulen fehlen Lehrkräfte.“
Versprechen der Landesregierung
Bisher ist diese Ausbildung an einer HAW nur in Kooperation mit einer Universität möglich. Die Studierenden absolvieren ihren fachlichen Bachelor an einer Hochschule und wechseln anschließend für den „Master of Education“ insbesondere für Didaktik und Pädagogik an eine Universität. Kriegesmann: „Ich bin überzeugt, dass mehr Menschen dieses Studium wählen und ins Lehramt gehen würden, wenn sie den Bachelor und den Master an einer Hochschule machen könnten und nicht wechseln müssten.“
Land will Kooperation stärken
Die Landesregierung in NRW deutet zumindest an, dass die Beteiligung der Fachhochschulen an der Lehrerausbildung Teil des „Maßnahmenbündels“ zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung ist. Offiziell ist aber erstmal vor allem von „Fortbildung“ die Rede. „Der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen sieht vor, dass die Kooperationen im Rahmen der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zwischen HAW und Universitäten gestärkt werden sollen. Die HAW sollen dabei eine eigenständigere Rolle bekommen und zudem stärker in die Fortbildung der Lehrkräfte einbezogen werden, die bereits im Landesdienst stehen“, hieß es aus dem Schulministerium. Mit dem Wissenschaftsministerium stehe man dazu im engen Austausch.
Dass dafür zuvor das NRW-Schulgesetz geändert werden müsse, sieht Kriegesmann nicht als großes Hemmnis. Im Koalitionsvertrag habe die Landesregierung bereits angekündigt, die HAW in die Lehrausbildung im beruflichen Bereich mit einer eigenständigen Ausbildung einzubinden. „Ich nehme die neue Landesregierung beim Wort, das muss jetzt umgesetzt werden“, fordert Kriegesmann.
Widerstand bei Universitäten
Auf Widerstand stößt der Vorstoß indes bei den Universitäten. Sie sehen dadurch die Qualität der Lehrerausbildung bedroht. „Unsere Position ist ganz klar“, sagt Johannes Wessels, Rektor der Uni Münster und Vorsitzender der Landesrektorenkonferenz der Unis in NRW. „Die Lehrerausbildung muss qualitativ sehr hohen Standards genügen.
Es ist schon seit Längerem schwer, in der Didaktik, also in der Wissenschaft des Lehrens und Lernens, gute Hochschullehrer zu gewinnen, und eine ordentliche Didaktik-Ausbildung ist für angehende Lehrkräfte unverzichtbar“, so Wessels. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaft gelingen kann.“ Das bisherige Kooperations-Modell funktioniere gut, und es bestehe kein Änderungsbedarf.
Unterstützung findet Kriegesmanns Vorschlag aber bei der SPD-Opposition im Landtag: „Der Lehrkräftemangel ist bei den naturwissenschaftlichen Fächern und an den berufsbildenden Schulen besonders hoch“, sagte Bastian Hartmann, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, dieser Zeitung. „Gerade hier können die HAW schnell Fachkräfte für die Schulen ausbilden.“ Um den spezifischen Stärken der praxisnahen Hochschulen Rechnung zu tragen, sollte der Ausbau der Lehramtsausbildung für berufliche Schulen zukünftig „vor allem auch in eigenständigen Ausbildungsgängen an den HAW erfolgen“, betont Hartmann.
Zwar könnten die HAW dazu beitragen, den Mangel an Lehrkräften für die Berufskollegs zu mildern. Um aber insgesamt mehr Fachkräfte an die Schulen zu bringen, müssten die entsprechenden Studienplätze auch an den Universitäten ausgebaut werden, mahnt Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). „Ohne Zweifel müssen die Studienplatzkapazitäten erhöht werden. Gerade im Bereich der Primarstufe und der Sonderpädagogik sind erste Schritte gemacht worden“, räumt Behlau ein.
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„Doch es kann nicht sein, dass Universitäten sich der Lehrerausbildung in ihrer Gesamtheit verweigern – wie dies beispielsweise in Aachen der Fall ist.“ An dieser Uni ist derzeit nur das Studium für die Lehrämter Berufskolleg und Gymnasien/Gesamtschulen (Sek. II) möglich. Universitäten sollten das gesamte Spektrum der Lehramtsstudiengänge anbieten, fordert Behlau.