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Interview zur Bildungsstudie„Schwache Schüler in Köln intensiver fördern“

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Schule Symbolbild dpa

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  1. Alarmierender Bildungstrend: Der Direktor des Kölner Mercator-Instituts fordert eine Gesamtstrategie
  2. Martina Windrath hat mit ihm gesprochen

KölnBereiten Ihnen die großen Defizite der Viertklässler im Fach Deutsch große Sorge? Wie beurteilen Sie die schlechten Ergebnisse des IQB-Bildungstrends 2021 für Grundschulen (s.Infotext)?

Die nun vorgelegten Länderergebnisse bestätigen die erschreckenden bundesweiten Befunde aus dem Sommer. In den vergangenen Jahren haben sich die Kompetenzen der Viertklässlerinnen und Viertklässler weiter deutlich verschlechtert, insgesamt verfehlen 18 bis 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards im Bereich Lesen, Zuhören und Orthografie. Der Kompetenzrückgang im Lesen entspricht etwa einem Drittel Schuljahr, im Zuhören sogar ein halbes Schuljahr.

Das ist in NRW sehr ausgeprägt. Woran liegt’s? Wurde nicht genug gegengesteuert?

Man muss leider feststellen, dass in NRW die Kompetenzrückgänge besonders groß sind. Die Verschlechterung ist bundesweit zu einem Teil mit den pandemiebedingten Einschränkungen zu erklären. Schulschließungen hatten sicher großen Einfluss auf die Zuhörkompetenz, die direkte Kommunikation nahm ab, in der Kinder lernen, zuzuhören. Das sind alarmierende Ergebnisse.

Denn wie sollen Kinder, die nicht gut lesen, schreiben und zuhören können, die weitere Schullaufbahn meistern können? Festzustellen ist darüber hinaus, dass vor allem die Kompetenzen sozial benachteiligter Kinder leiden, häufig diejenigen mit Zuwanderungsgeschichte. Es ist besorgniserregend, dass der Lernerfolg trotz der Bemühungen immer noch zu eng mit der sozialen Herkunft verbunden ist.

Erschreckend ist auch, dass die Verschlechterung seit Jahren erkennbar ist und es Förderprogramme gibt, die aber offenbar nicht gut greifen?

Wir haben in Köln Programme, von denen wir wissen, dass sie wirken. Es gibt zum Beispiel Maßnahmen der Bund-Länder-Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“. Aber im Vergleich zur Gesamtzahl der Schulen ist das nur eine relativ kleine Gruppe. Es gibt zwei Probleme: Zum einen, die Programme großflächig an die Schulen zu bringen und sie richtig umzusetzen. Zum anderen muss man sich gezielt auf die Kompetenzbereiche Lesen und Schreiben an Grundschulen fokussieren, man muss sich darum intensiver als bisher kümmern.

Was kann getan werden?

Man kann Kinder dazu bringen, Regelstandards zu erreichen. Das erfordert eine konsequente Unterrichtsentwicklung, wie zum Beispiel in Hamburg. Die Stadt hat in fast allen Grundschulen als Lese-Training Förderbänder von täglich 20 Minuten eingerichtet. Wir haben auch in Köln wirksame Sprachförderprogramme, aber immer nur an einzelnen Schulen, etwa die zweisprachige Alphabetisierung, Europaschulen, Ferienschulen. Diese müssen aber auch über verstärkte Fortbildung und Unterstützung der Lehrkräfte in die Fläche gebracht werden. Hier sind NRW-Schulministerium und Bezirksregierung gefordert.

Es gibt allerdings einen eklatanten Lehrkräftemangel, besonders an Grundschulen.

Das ist richtig. NRW hat mit der gleichen Besoldung jetzt einen wichtigen Schritt getan. Das macht den Beruf auch im Primarbereich attraktiver. Aber man wird sehr konsequent darüber nachdenken müssen, wie man weitere qualifizierte Personen für den Seiteneinstieg findet.

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Kurzfristig müssen Maßnahmen im regulären Unterricht zum Lesen und Schreiben ergriffen werden, aber es braucht vor allem langfristige Strategien. Die Mindeststandards in Deutsch und Mathe zu erreichen, ist nicht nice to have, sondern eine zentrale Aufgabe der Grundschule. Das wird die wesentliche Aufgabe der nächsten Jahre sein, damit besonders auch die schwächsten Lernerinnen und Lerner nicht noch weiter abgehängt werden. Dafür braucht es das nötige Material, Fortbildung – und Zeit.