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Interview

Kölns OB Henriette Reker
„Wir können uns nicht mehr alles leisten“

Lesezeit 8 Minuten
„Ich bin immer noch dabei, Strukturen zu ändern“: In Ihrem Büro im Historischen Rathaus beantwortete Henriette Reker die Fragen der Kölnischen Rundschau.

„Ich bin immer noch dabei, Strukturen zu ändern“: In Ihrem Büro im Historischen Rathaus beantwortete Henriette Reker die Fragen der Rundschau.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht im Rundschau-Interview über Sparzwänge, Tempo 30 auf der Luxemburger Straße und schottische Zuneigung.

Mitten im EM-Trubel spricht die Oberbürgermeisterin über ihre Pläne fürs letzte Amtsjahr. Michael Fuchs, Jens Meifert und Ingo Schmitz stellten die Fragen.

Köln ist im EM-Fieber. Wie erleben Sie diese Tage?

Es ist eine unglaublich gute Stimmung in der Stadt. Köln präsentiert sich mit seinen Stärken, wie ich es nicht anders erwartet habe: Wir sind herzliche, gute Gastgeber und sorgen dafür, dass die Menschen sich sicher und freundlich aufgenommen fühlen. Und ich kann nur sagen, mit den Schotten, das war einfach unglaublich… Ich war zum Spiel im Stadion und hatte einen neutralen Schal um. Dann kam mit vielen Kusshänden ein schottischer Schal geflogen schon hatten mich die schottischen Fans auf ihrer Seite.

Die Entscheidung zur Ost-West-Achse soll voraussichtlich im Oktober fallen. Sie wollen den Stadtbahntunnel anstatt des oberirdischen Ausbaus. Ist es für Sie auch die Frage, ob Köln eine wirkliche Metropole sein will?

Ja. Ich kann ja die Argumente derer verstehen, die ein oberirdische Ertüchtigung der Achse anstreben: Die Tunnellösung ist teurer, dauert länger und belastet die Anwohnenden mehr. Stimmt alles wenn man kurzfristig denkt. Aber so kann sich eine Stadt nicht entwickeln. Wir sind jetzt entscheidungsreif. Da mag es auf ein paar Monate nicht mehr ankommen. Aber wir können die Entscheidung nicht um Jahre verschieben, denn wir müssen die Verkehrswende hinbekommen. Das kann nur gelingen, wenn wir den öffentlichen Personennahverkehr leistungsfähiger machen.

Interview mit OB Henriette Reker

OB Henriette Reker

Sie wollen den Tunnel auch dann, wenn es für ihn nur eine knappe Mehrheit geben wird?

Mehrheit ist Mehrheit. Auch wenn es schön wäre, so eine Entscheidung stünde auf einer breiten Basis.

Viele Projekte der Verkehrswende werden wohl dem Sparzwang zum Opfer fallen müssen. Welche sollten neben der Ost-West-Achse trotzdem verwirklicht werden?

Ich wünsche mir sehr, dass wir wenigstens die Linie 13 bis zum Rhein verlängern und die Stadtbahnlinie über die Bonner Straße nach Süden führen können.

Verkehrsprojekte in Köln werden intensiv diskutiert. Nun ist bekannt geworden, dass der Mobilitätsdezernent, Ascan Egerer, im Eilverfahren Tempo 30 auf der Luxemburger Straße einführen will. Müssen solche Entscheidungen nicht besser kommuniziert werden?

Es ist doch normal, dass in der Verwaltung Projekte erarbeitet werden. Wenn das dann noch in der Projektphase durchgestochen wird… Also mich wundert es jedenfalls nicht mehr, dass ich so etwas dann morgens aus der Zeitung erfahre.

Das heißt: Sie haben von dem Vorhaben aus der Kölnischen Rundschau erfahren?

Ich wusste, dass Anwohner Klagen auf Tempo 30 beim Verwaltungsgericht eingereicht haben.

Hätte Herr Egerer das nicht mit Ihnen abstimmen müssen?

Nein, muss er nicht. Nicht bei einem laufenden Geschäft der Verwaltung, selbst dann nicht, wenn es sich um einen Ausschuss-Beschluss handeln würde. Aber es hätte den verkehrspolitischen Sprechern und dem Verkehrsausschuss mitgeteilt werden müssen, bevor das Vorhaben gegenüber dem Verwaltungsgericht kommuniziert wird in dem Moment ist es nämlich öffentlich.

Wie bewerten Sie das Vorhaben denn inhaltlich: Ist Tempo 30 auf der Luxemburger richtig?

Ich glaube, der Verkehr muss fließen. Wenn er mit Tempo 30 fließt und weniger Lärm produziert, dann ist die Maßnahme richtig.Denn die Gesundheit der Kölnerinnen und Kölner hat für uns höchste Priorität.

Wir haben den Sparzwang angesprochen. Es wird wohl auch nicht ohne höhere Abgaben gehen. Was würden Sie eher erhöhen: Grund- oder Gewerbesteuer?

Wenn wir nicht ohne Steuererhöhungen auskommen sollten, dann eher die Grundsteuer.

Was würden Sie streichen?

Ich habe schon im vergangenen Jahr gesagt, dass wir uns nicht mehr alles leisten können. Mich macht das betroffen. Aber durch die Corona-Krise und nun durch die aktuellen Steuerschätzungen dürfte doch allen klar sein: Wir müssen den Gürtel enger schnallen und sollten darum ein paar große Projekte sehr ausgewogen verschieben. Und das muss in allen Bereichen als schmerzhafter Einschnitt empfunden werden. Anders geht es auch gar nicht bei der Größe der Summe, die wir einsparen müssen.

Können Sie Projekte konkret benennen?

Ich bin nicht bekannt dafür, dass ich reflexhaft bei denen spare, denen es am schlechtesten geht. Ich bin dafür bekannt, dass ich Bildung ganz oben auf die Prioritätenliste setze. Darum haben wir gerade auch rund zwei Dutzend Schulbaustellen gleichzeitig. Und was wir bereits angefangen haben, müssen wir auch zu Ende bringen.

Aber welche Projekte wollen Sie schieben?

Das kann ich seriös erst beantworten, wenn ich ein Tableau aller Projekte vor mir habe, durch das wir auch die Zusammenhänge beurteilen können. Aber eins ist klar: Es darf da keine Denkverbote geben.

Es gibt auch Projekte von denen wir jetzt schon wissen, es wäre gut, sie zu realisieren, aber sie sind nicht zwingend notwendig. Wie zum Beispiel bei der geplanten Erweiterung der Hohenzollernbrücke, damit dort der Fahrradverkehr besser fließt.

Zumal es einfacher ist, auf eine solche Radspurerweiterung zu verzichten, wenn die Anschlüsse für die Spuren an den Brückenenden sowieso nicht vorhanden sind. Oder nehmen Sie das Depot für die Museen. Auch ich finde ein Zentraldepot wie in Rotterdam wirklich toll, aber wir können uns so etwas überhaupt nicht leisten. Vielleicht sollten wir darum auch mal Schenkungen in Einzelfällen ablehnen. Um so etwas jedoch übergreifend einzuschätzen, brauche ich eben das Tableau.

Die Hohe Domkirche ist aus dem Projekt Historische Mitte am Roncalliplatz ausgestiegen. Wie geht es nun dort weiter?

So, wie wir es dort vorhatten, können wir es ohne die Hohe Domkirche jedenfalls nicht mehr umsetzen. Aber ich gehe davon aus, dass die Hohe Domkirche zu einem von ihr gewählten Zeitpunkt Pläne für ihr Kurienhaus vorstellen wird. Unsere Pläne haben wir voraussichtlich nach der Sommerpause fertig. Wir müssen also warten. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass am Roncalliplatz ein einmaliges Ambiente entstehen wird, wenn das Dom-Hotel eröffnet. Dafür wünsche ich mir eine entsprechende Nachbarschaft. Darum bin ich froh, dass ein Investor für das Laurenz Carŕe gefunden wurde und wir dort keine ewige Baustelle haben.

Sie stehen vor dem letzten Jahr Ihrer Amtszeit. Welche Ziele wollen sie noch erreichen?

Im Moment geht es darum, das bereits vorhandene Arbeitsprogramm abzuarbeiten. Da ist uns schon vieles gelungen, wie beispielsweise der Brunnen am Neumarkt. Ich finde es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger dort nun auch mal was Fertiges sehen. Der Brunnen ist der wichtigste Punkt aus unserem Plan für diesen wichtigen Platz. Ein Gastronomieangebot und eine Platzmöblierung werden noch folgen. Ich verspreche mir auch viel von dem Zehn-Punkte-Programm fürs Domumfeld. Aber zur Wahrheit gehört auch, es müssen mittlerweile immer mehr Arbeitsschritte gemacht werden, bis wir zum Erfolg kommen. Das ist nicht nur in Köln so, in allen Städten sind die Prozesse langwieriger geworden. Und dann wird der Ruf nach Entbürokratisierung laut. Dabei machen nicht wir als Stadt die Gesetze, wir haben sie nur zu beachten. Wenn ich alleine sehe, wie viele Einzelentscheidungen mittlerweile für eine Baugenehmigung nötig sind.

Da klingt der Wunsch durch, dass Sie in Ihrer Amtszeit mehr Projekte hätten abschließen können?

Natürlich. Es ist für mich wirklich nicht schön, immer wieder sagen zu müssen, wir denken in Szenarien, ich kann kein Datum nennen.

Also doch eine dritte Amtszeit, um Großprojekte noch zum Ende führen zu können?

Ich plane keine weitere Amtszeit. Ich wünsche der Stadt einen jungen, leistungsstarken Menschen. Jemanden mit einem guten Kompass, bei dem Köln in guten Händen ist. Ich hoffe darauf, dass die Parteien im Herbst solche Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren werden.

Ein langwieriger Prozess ist auch die von Ihnen angestoßene Verwaltungsreform.

Ich bin immer noch dabei, in der Verwaltung Strukturen zu ändern. Es gab eine ziemliche Aufregung um die Verwaltungsreform, aber ich bin von ihr nach wie vor überzeugt. Die Menschen bedanken sich bei mir, weil sie nun sehen, wie gut die Abläufe beispielsweise im Straßenverkehrsamt geworden sind und wie leicht es nun ist, einen Pass zu beantragen.

Aber es gibt auch viel Kritik an den Kosten der Verwaltungsreform im Verhältnis zu ihrem Nutzen, nicht zuletzt vom Rechnungsprüfungsamt.

Weil nicht verstanden wird, dass solche Reformen nicht sofort in Euro und Cent abzubilden sind. Prozesse zu verändern, kostet Geld. Aber wenn man sie nicht verändert, wird man als Stadt auch nicht leistungsfähig. Diese Reform ist ein immer weitergehender Prozess, das zahlt sich langfristig aus. Der Rechnungsprüfungsausschuss hat jedenfalls keine Beanstandungen festgestellt.

Wie weit ist denn dieser Prozess mittlerweile fortgeschritten?

Mehr als die Hälfte haben wir geschafft.

Die AfD hat auch in Köln in einigen Bezirken verhältnismäßig hohe Ergebnisse bekommen. Es gibt Demonstrationen an Schulen, in denen AfD-Veranstaltungen stattfinden sollen. Besorgt Sie diese Entwicklung?

Sehr. Ich habe großes Verständnis für die Schulgemeinden, denen es widerstrebt, Parteitage oder Sitzung der AfD zulassen zu müssen. Aber das hat der Rat so entschieden. Da bin ich an Recht und Gesetz gebunden, ich kann nicht einfach sagen, das gilt für diese Partei nicht. Die AfD ist immerhin gewählt.

Warum sprechen Sie sich gegen höhere Strafen bei Angriffen auf Politiker aus?

Höhere Strafen allein nutzen nichts, die Straftat muss verhindert werden. Es braucht also eine bessere Prävention. Dabei halte ich vor allem Polizeipräsenz für sehr wichtig.