Kölns einziger Profigolfer im Interview„Mir war immer klar, dass Golf mein Leben ist“
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Nick Bachem ist Kölns einziger Profigolfer. Mit Bernd Imgrund sprach er über seinen Weg dorthin, seine Zeit bei der Bundeswehr und das Image seines Sports
In England ist ein Turnier ausgefallen – der Platz war zu trocken. Deshalb ist Nick Bachem schon etwas früher nach Portugal aufgebrochen. Vor dem Turnier dort will er eine Woche surfen.
Wenn es ein Surf-Handicap gäbe, wie hoch wäre Ihres?
Ich surfe zu wenig, um wirklich ambitioniert zu sein. Aber an guten Tagen wäre sicher eine Null drin, also ich könnte eine Paarrunde surfen. Meine höchste Welle dürfte so vier Meter hoch gewesen sein. Für mich sah die aus wie eine Hauswand, sehr respekteinflößend!
Sie sind sechs Wochen am Stück unterwegs. Zu welchem Zweck?
Ich spiele die Challenge Tour, so etwas wie die 2. Liga der PGA European Tour für Profis. Leider schaffe ich es zwischendurch nicht nach Hause.
Zur Person
Nick Bachem wurde 1999 geboren und wuchs in Neunkirchen-Seelscheid auf. Schon mit zehn Jahren fuhr er zum Kadertraining beim Marienburger GC, wo man das außergewöhnliche Talent ausbildete. Mit 16 verließ er nach der Mittleren Reife das Gymnasium, um sich ganz dem Sport zu widmen. In der Folge wurde er dreimal deutscher Amateurmeister, 2020 Europameister mit der Mannschaft und Vize-Europameister im Einzel.
2021 wechselte er zu den Profis, wo er in diesem Jahr die Challenge Tour bestreitet – so etwas wie die zweite Liga im europäischen Golf. Kölns einziger Golfprofi ist Sportsoldat bei der Bundeswehr, stationiert in Longerich. Der 1,86 m große Athlet liebt außerdem das Surfen und Skifahren. Nick Bachem wohnt, wenn er nicht auf Turnier-Tournee ist, bei seinen Eltern in Seelscheid.
Wieso „leider“?
Kleine Breaks zuhause tun mir sehr gut. Meine Freundin, die Familie und die Kumpels bringen mich auf andere Gedanken, da tanke ich auf.
Sind Freunde wichtiger, wenn man verloren hat?
Auf jeden Fall! Klar freuen sie sich über meine Siege. Aber sie helfen mir auch aus meiner Bubble und machen mir klar: Es gibt Wichtigeres auf der Welt als Golf.
Der größte Coup des Golfsports ist das Hole in One. Gehört dazu mehr Glück oder Können?
Aus großer Distanz so nah an die Fahne zu kommen, ist Können. Dass der Ball dann auch reingeht, ist Glück.
Sprechen Sie aus Erfahrung?
Mir sind schon einige Holes in One gelungen. Bei meinem ersten, mit 7, musste ich über eine Hecke schlagen, die höher war als ich selbst. Mein Partner hat mich hochgehoben, damit ich sehen konnte, der Ball ist auf dem Grün gelandet. Ich bin gelaufen, dann war er tatsächlich im Loch, sehr cool!
Sie wollten schon als kleiner Junge Profi werden. Wie haben Sie sich das damals gedacht?
Eigentlich hatte ich nie das Gefühl, mich für Golf entscheiden zu müssen. Mir war immer vollkommen klar, dass Golf mein Leben ist. Ins Freundschaftsalbum eines Grundschulkameraden habe ich als Zukunftswusch geschrieben: Ryder-Cup spielen.
Martin Kaymer oder Bernhard Langer?
Bernhard Langer! Weil er einer der beeindruckendsten Sportler aller Zeiten ist. Sein Lebensstil, diese Disziplin und mentale Stärke, das unglaubliche Niveau, das er auch im Alter noch hält – einfach phänomenal.
Sind Sie ein guter Minigolfer?
Überhaupt nicht. Viele Freunde denken leider, ich fände das cool, und laden mich zum Minigolfen ein. Aber diese kreuz und quer springenden Bälle, die laufen, wie sie wollen, das ist nichts für mich. Sagen wir so: Nach dem dritten Kölsch werde ich besser.
Noch letztes Jahr haben Sie gesagt: Ich produziere mehr Kosten als Einnahmen.
Das hat sich seitdem zum Glück geändert. Auf der Challenge Tour kann man nicht viel Geld verdienen, aber ich habe einige gute Turniere gespielt und bin im Plus. Zuhause in Seelscheid wohne ich bei Mama und Papa, das spart auch Geld.
Golf als Sport, und dann auch noch in Marienburg: Das klingt für viele Menschen schnöselig.
Der Marienburger Club mit seinen neun Löchern ist total entspannt. Die machen tolle Jugendarbeit und sind überhaupt nicht snobistisch. Aber das Elitäre ist in Deutschland tatsächlich noch sehr verbreitet. Die konservativen Leute in den Clubs wehren sich gegen eine breite Öffnung, Jugendliche in Jeans und T-Shirt werden weggeschickt. Da kann ich dann sehr gut verstehen, wenn die keine Lust mehr haben. In Ländern wie Irland oder Schottland ist das ganz anders.
In welcher Preislage buchen Sie Ihre Hotelzimmer?
Ich gehe nie in Hotels. Das ist nur Bett und Fernseher, leben wie im Labor. Mit Freunden, die auch an der Tour teilnehmen, mieten wir lieber ein billiges Apartment. Da können wir selber kochen, auch mal zusammen grillen, und wenn wir Glück haben, steht noch irgendwo eine Tischtennisplatte rum.
Haben Sie einen Ernährungsplan?
Nein, will ich auch nicht. Aber gut, ab und zu machen wir uns auch einen großen Salat.
Sie sind erst seit einem Jahr Profi. Was lernt man von den erfahrenen Spielern?
Anfangs hatte ich das Gefühl, als Profi müsste ich nun alles ändern: mein Leben umstellen, noch mehr trainieren. Aber die Jungs haben mir geraten, einfach weiter mein Ding zu machen. Wer seine Balance finden will, muss tun, was sich für ihn richtig anfühlt.
Ihre größte Schwäche, so ist es zu lesen, sei die mangelnde Geduld.
Das ist deutlich besser geworden. Außerdem muss das keine Schwäche sein, wenn man in der Lage ist, seine Emotionen zu filtern. Wenn das Feuer brennt, hilft mir das.
Wie wichtig ist beim Golf die Psyche?
Ich denke, die macht 75, 80 Prozent aus. Natürlich muss man die Grundlagen beherrschen. Aber man agiert unter so vielen verschiedenen Bedingungen, dass man nie die perfekte Runde spielen wird. Man kann nur immer wieder versuchen, sich ihr anzunähern. Hinzu kommt, dass man beim Golf keinen direkten Gegner hat, sondern im Grunde gegen sich selbst spielt.
Woran merken Sie, dass Sie in Form sind?
Ein weites Feld! Es gibt Wochen, die sich sehr gut anfühlen. Aber andererseits: Wenn man ein schlechtes Gefühl hat, ist man mental angeknipster. Man passt viel besser auf und ist dann im Endeffekt nicht unbedingt schlechter als sonst.
Was denken Sie vor einem wichtigen Putt?
Man ist extrem aufgeregt, das Herz scheint durch den ganzen Körper zu schlagen. Ich mache eine kleine Atemübung, kurz die Augen zu, und dann versuche ich meine Routine durchzuziehen und ran an den Schlag. So absurd es klingt: Was danach geschieht, habe ich nicht mehr selbst in der Hand.
Ich bin ein Wettkampftyp. Egal, welche Sportart ich betreibe, ich will gewinnen. Ich spiele nicht einfach nur eine Runde Golf – es muss dabei schon um die Punkte gehen. Auch wenn ich allein spiele, setze ich mir Ziele. Wenn ich sie erreiche, gibt es vielleicht ein Eis. Wenn nicht, wird weiter trainiert.
Sie sind Sportsoldat bei der Bundeswehr.
Das war für mich in Deutschland die einzige Möglichkeit, um Profi zu werden. Ansonsten hätte ich zum Studieren in die USA gehen müssen. Bei der Bundeswehr habe ich viele andere Spitzensportler kennengelernt, etwa Sam Rainger, den Kapitän Rugby Nationalmannschaft. Das sind schon tolle Kontakte!
Wie hat Ihnen die Grundausbildung gefallen?
Man muss sich daran gewöhnen, morgens um halb fünf aus dem Bett geschrien zu werden. Und wenn du eine Minute später nicht aufgestanden bist, kriegst du direkt den nächsten Einlauf. Auch voll bepackt durchs Gelände zu rennen, war neu für mich.
Haben Sie sich damit auseinandergesetzt, dass man Sie auch in einen Krieg schicken könnte?
Bis vor einem Jahr nicht – das war damals noch alles zu surreal. Inzwischen ist der Gedanke präsenter, dass das im schlimmsten Notfall passieren könnte. Ich denke, die Sportkompanie wäre aber wohl nicht als erste dran.
Sind Sie bereit für einen Einsatz?
Nein. Ich glaube, keiner ist dafür bereit.
Am 27. September haben Sie Geburtstag. Wie werden Sie ihn verbringen?
Ich werde unterwegs auf der Tour mit meinen Golfkumpels feiern. Weil sich bei mir alles um den Sport dreht, fällt leider manches unter den Tisch. Ich habe schon so manche Party, so manche Hochzeit im Freundeskreis verpasst. Aber dafür hole ich nach der Saison alles nach!
Sie haben den Ryder-Cup erwähnt, das größte aller Golfturniere. Dort treten die Teams aus Europa und die USA gegeneinander an. Wann sind Sie dabei?
Nächstes Jahr noch nicht, aber sicher 2025. (lacht)