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Kölner Theaterchef im Interview„Der Kölner ist schneller zum Lachen zu bringen“

Lesezeit 7 Minuten
Rene Heinersdorff (1)

René Heinersdorff 

  1. Das Theater am Dom ist eins von fünf Häusern, die René Heinersdorff führt.
  2. Mit Bernd Imgrund spricht er über seine vielfältigen Erfahrungen und regionale Unterschiede.

Köln – Das Theater am Dom ist an diesem Morgen noch geschlossen. René Heinersdorff fährt mit dem E-Roller in den Opern-Passagen vor. Dann braucht er erstmal einen Kaffee und ein Brötchen.

Was löst das Wort „Puffelchen“ bei Ihnen aus?

(lacht) Erinnerungen an „Die Camper“! (Die Serie lief von 1997 bis 2006 auf RTL, d. Red.) „Puffelchen“ habe ich als Camper Lothar meine Filmpartnerin Dana Golombek genannt.

Sehr hübsche Frau!

Allerdings. Wir haben ein paar heiße Bettszenen gedreht, hatten aber nie was miteinander. Bis heute sind wir eng befreundet, und sie hat ja auch schon bei mir Theater gespielt.

Die Serie ist von vielen europäischen Sendern übernommen worden.

Interessanterweise eher im Norden als im Süden. Ein Italiener oder Spanier kann mit dem deutschen Konzept des Dauercampens nichts anfangen. Widerspricht sich ja auch eigentlich, ein an sich mobiles Teil fest auf einem Platz zu installieren.

Zur Person

1963 wurde René Heinersdorff in Düsseldorf geboren. Von Kindheit an schnupperte er Theaterluft: Seine Mutter hatte 1976 das Kölner Theater am Dom übernommen. Er studierte Germanistik und Philosophie in Düsseldorf und absolvierte bei Harald Leipnitz eine Ausbildung zum Schauspieler und Regisseur. 1994 gründete er die Boulevardbühne Theater an der Kö, drei Jahre später wurde er bekannt durch seine Rolle als Lothar in der Serie „Die Camper“. 2012

übernahm er gemeinsam mit Oliver Durek das Theaterhaus seiner Mutter, danach auch noch die Leitung des Essener Theaters im Rathaus sowie die Komödie im Bayerischen Hof in München. Ab 2023 führt er zudem als Intendant die Landesbühne Rheinland-Pfalz am Schloss Neuwied. Heinersdorff schrieb zahlreiche Theaterstücke und ist weiterhin im TV zu sehen. Der vierfache Vater spricht mehrere Sprachen und Dialekte fließend. (img)

Ist es seltsam, sich in einer anderen Sprache mit fremder Stimme zu hören?

Den größten Spaß hatten wir bei den Übersetzungen von „Puffelchen“. Im Schwedischen hieß es so ähnlich wie „Höppinössi“. Wie der schwedische Synchronkollege das auf meinen Text legte, war ein echtes Highlight. (lacht)

Was bedeuteten „Die Camper“ für Ihre Karriere?

Zum einen natürlich einen Popularitätsschub – obwohl ich mich weiß Gott nicht als Prominenten sehe. Zum anderen bekam ich danach allerdings merklich weniger Fernsehanfragen. Man wird durch so eine Serienrolle festgelegt, das haben mir auch Dana und Antje (Lewald, ebenfalls „Die Camper“, d. Red.) erzählt.

Wie würden Sie einem Marsmännchen das Theater am Dom beschreiben?

Ich würde das Männchen zunächst fragen, ob man auf dem Mars Humor und Lachen kennt. Im Theater am Dom treffen sich Menschen in der Hoffnung, etwas zu lachen zu bekommen. Manchmal erfüllen wir die Hoffnung, manchmal auch nicht.

Was bedeutet für Sie „Unterhaltung mit Haltung“?

Das ist eine oft bemühte Floskel. Ich habe auch Schwierigkeiten mit dem Wort „Tiefgang“. Entweder man lacht, oder man lacht nicht. Eine Botschaft ist immer okay, aber Stücke, die sich nur auf ihre Botschaft fokussieren, sind schlechtes Theater.

Sind Brechts Lehrstücke schlecht?

Die sind viel lustiger, als man denkt. Mein kürzlich gestorbener Schwiegervater Klaus Schleiff war der „Baal“ der DDR. Das Stück strotzt vor Komik, aber die wird immer weginszeniert, weil man ja „Haltung“ zeigen will, statt billige Lacher zu bekommen. Halte ich für sehr deutsch und völlig falsch.

Rene Heinersdorff Köln

René Heinersdorff 

Inwiefern?

Das Gegenteil von „lustig“ ist nicht „ernst“, sondern „traurig“. Und Trauriges kann sehr lustig sein − aber auch unernst.

Sie führen Theater quer durch die Republik. Lacht man in Köln anders als anderswo?

Ich finde es erstaunlich, wie kompatibel Humor europaweit ist. Aber natürlich gibt es Unterschiede. Du kannst dir zum Beispiel sicher sein, dass Witze über Geld in Baden-Württemberg besser ankommen als im Rheinland.

Und welche Unterschiede findet man innerhalb des Rheinlands, zwischen Köln und Düsseldorf?

Der Kölner ist schneller zum Lachen zu bringen. Er lacht ungezwungener und einfacher, vielleicht, weil er nicht diese Niveauschere im Kopf hat: Darf ich darüber lachen, ist das womöglich zu albern? Der Düsseldorfer ist da meinem Eindruck nach nicht ganz so locker.

Millowitsch oder Ohnsorg?

Millowitsch natürlich.

Weil die Familie wie Sie ursprünglich aus Düsseldorf kam?

Genau! (lacht) In Düsseldorf gibt es deshalb ja auch die Initiative „Willy-Millowitsch-Sein-Vatter-Platz“.

Was unterschied die beiden Theater?

Im Ohnsorg hat man das Norddeutsche für meinen Geschmack zu sehr vor sich hergetragen. Millowitsch hingegen war einfach kölsch. Und er hat seine Witze ohne jede moralischen oder sonstigen Skrupel gemacht. Ich habe ihn ja noch kennengelernt, wie er nach der Vorstellung das Kölschglas immer im Uhrentäschchen seiner Weste parkte.

Ihr Großvater, ebenfalls ein René, führte zu Anfang des 20. Jahrhunderts den seinerzeit berühmten Düsseldorfer Ibach-Saal, ein Konzerthaus.

Im Düsseldorfer Stadtmuseum ist dieser Saal rekonstruiert worden. Ibach war zunächst eine Klavierbauerfamilie, mit der wir Heinersdorffs verschwägert waren. Der Werkstatt wurde dann ein Konzertsaal angegliedert. Unter anderem ist Grock dort aufgetreten, der berühmte russische Clown.

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Im Ibach-Saal trafen sich in den 1930er Jahren auch jüdische Gruppen, um ihre Auswanderung zu planen. Ist „Heinersdorff“ ein ursprünglich jüdischer Name?

Mein Ur-Ur-Ur-Urgroßvater war Rabbiner. Er ist konvertiert, weil er den Job als Gefängnispfarrer in Elberfeld angeboten bekam. Seitdem sind wir evangelisch. Weil die jüdischen Wurzeln jedoch bekannt waren, musste mein Großvater René den Ibach-Saal unter der Nazi-Herrschaft schließen.

1976 hat Ihre Mutter das Theater am Dom übernommen und saniert. 2012 übernahmen Sie das Ruder – aus familiärer Verpflichtung oder aus Leidenschaft?

Ich bin ab meinem 12. Lebensjahr in diesem Theater aufgewachsen. Ich weiß, welche Holzdielen knarzen, und kann im Dunkeln durch den Zuschauerraum gehen, ohne mich zu stoßen. Dieses Theater ist so Teil von mir selbst geworden, dass ich gar nicht anders konnte, als es zu übernehmen.

Sie haben wie ich Germanistik und Philosophie studiert. Warum nicht TheFiFe, also Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften?

Das hatte mir Jürgen Flimm empfohlen, der ja lange Intendant in Köln war. Er meinte, als Regisseur muss man vor allem das Interpretieren lernen. Außerdem waren Schauspielschulen in den 1980ern verrufen, da studierten die Diskutierer und politischen Laberer. Es gab Intendanten, die haben junge Schauspieler abgelehnt, weil sie eben aus diesen Schulen kamen.

Sie leiten fünf Theater als Geschäftsführer, Regisseur und Schauspieler. Sie haben 17 Stücke geschrieben und treten im Fernsehen auf. Man fragt sich: Warum macht der Mann das?

Tja, dazu gibt es durchaus kritische Stimmen.

Aus Ihrer Familie?

Auch. (lacht) Willi Thomczyk (der „Benno Ewermann“ aus „Die Camper“, d. Red.) hat mal zu mir gesagt: „Googel die Namen deiner Kinder, weil ich frag dich gleich danach.“

Warum fünf Theater statt eines?

Wir werden nicht subventioniert, sondern verdienen unser Geld an der Kasse. Die Zeit der vollen Häuser ist vorbei, spätestens seit Corona. Angesichts dieser diversen Schwierigkeiten habe ich mir ein Netzwerk von Theatern aufgebaut, so dass ich jedem Künstler, jedem Autor gleich mehrere Bühnen anbieten kann, damit sich die Sache für ihn lohnt.

Und für Sie auch?

Mein Geld verdiene ich durch die Aufführungen meiner Stücke an anderen Theatern. Im Theater am Dom genauso wie in Düsseldorf, Essen und München sind wir froh, wenn wir auf eine Schwarze Null kommen.

„Ich bemerke eine nachlassende Neugier beim Publikum“, sagen Sie.

Viele heutige Zuschauer kategorisieren schon in den ersten fünf Minuten: Gefällt mir/gefällt mir nicht. Entweder hast du einen Renner, oder ein Stück läuft gar nicht – dazwischen gibt es keine Mitte mehr. Das macht es für uns auch schwieriger, mal neue Themen, neue Darstellungsformen und Experimente einzubringen.

Auch die Zeiten fürs Theater werden anscheinend härter.

Geht eines Ihrer vier Kinder in diese Richtung?

Ich bin dagegen! Die nicht-subventionierte Theaterleitung ist immer Selbstausbeutung. Aber gut, wenn sich eines der Kinder darum prügelt, zum Theater zu gehen, werde ich das nicht verhindern. (lacht)

Sie haben nicht nur viele Theater und Kinder, sondern beherrschen auch diverse Sprachen und Dialekte. Was heißt „Im Theater am Dom werden immer sehr lustige Stücke aufgeführt“ auf Italienisch?

Nel Teatro al Domo si recita sempre delle comedie molto comico.

Und wie klingt im Sächsischen dies: „Die Rundschau ist bekannt für ihre sachliche Berichterstattung.“

De Ründschau ös begannd för ihre sachlische Börischderstaddung.

(Beide Übersetzungen wurden nicht auf ihre Richtigkeit geprüft, klangen aber im Original ausgesprochen überzeugend.)