- Der Landtagsabgeordnete Andreas Kossiski (61) tritt bei der Oberbürgermeisterwahl im September für die SPD an.
- Beim Besuch im Rundschau-Haus sprach er über seine Pläne für Köln.
- Und es gibt so einiges, was er in Köln vermisst.
Wie bewerten Sie den bisherigen Umgang der Stadtspitze mit der Coronavirus-Krise?Ich habe nicht verstanden, warum bei der ersten Pressekonferenz weder die Oberbürgermeisterin noch jemand vom Stadtvorstand Gesicht gezeigt haben. In solchen unklaren Situationen ist es für die Menschen unheimlich wichtig, dass jemand Verantwortung übernimmt. Wie man das macht, hat der Landrat in Heinsberg vorgemacht. In Köln habe ich das vermisst.
Wie kann man es besser machen?
Ich bin von Hause aus Polizeibeamter. Wir als Polizei haben aus dem Gladbeck-Drama von 1988 gelernt und danach ständige Stäbe eingerichtet. Das heißt, man entscheidet nicht erst, wenn eine Krisensituation auftritt, was zu tun ist, sondern man bereitet sich mit Fachleuten in Ruhe auf mögliche Szenarien vor. So einen ständigen Stab braucht Köln. Als Oberbürgermeister werde ich diese Erfahrung einbringen und das gemeinsam mit den Ordnungs- und Gesundheitsbehörden in Angriff nehmen.
Hat man Sie zur OB-Kandidatur überreden müssen oder war das ein Wunsch, den Sie schon immer hatten?
Ich habe die Ratspolitik in den letzten drei, vier Jahren intensiv beobachtet. Es ärgert mich sehr, dass in Köln nichts richtig vorangeht. Meine Entscheidung zu kandidieren habe ich im Herbst getroffen. Als politischer Mensch, dem diese Stadt sehr am Herzen liegt, habe ich meinen Hut in den Ring geworfen, weil ich Dinge verändern will.
Sie wurden mit nur 71 Prozent Zustimmung gewählt, nachdem Mike Homann seine Kandidatur in letzter Sekunde zurückgezogen hatte. Stört Sie dieses Ergebnis?
Für mich ist die Sache abgehakt, ich schaue nach vorn. Mike Homann unterstützt meine Kandidatur uneingeschränkt. Wir gehen als Partei in engem Schulterschluss in den Wahlkampf.
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Einigkeit war zuletzt keine Stärke der Kölner SPD...
Wir haben eine ausgeprägte Diskussionskultur, und das ist auch gut so. Die SPD ist eine lebendige Partei. Wir debattieren leidenschaftlich über Inhalte, aber am Ende treffen wir immer eine Entscheidung und vertreten sie gemeinsam. Die SPD geht gestärkt in diesen Wahlkampf und wird alle Kräfte dafür mobilisieren, dass wir im September einen sozialdemokratischen Oberbürgermeister bekommen. Dafür werde ich alles tun.
Was treibt Sie an?
Ich will es mal norddeutsch sagen: Das Maß ist voll. In Köln bleibt zu vieles unerledigt. Ich bin viel unterwegs in der Stadt. Was ich dabei an Rückmeldungen bekomme, zeigt mir: Viele Menschen sind frustriert und sehr enttäuscht über all das, was nicht passiert in Köln. Das muss sich ändern. Ich habe immer gezeigt: Wo Stillstand herrscht, sorge ich für Bewegung.
Worum geht es Ihnen konkret?
Nehmen Sie zum Beispiel junge Familien oder Alleinerziehende. Die finden in Köln keine bezahlbare Wohnung, keinen Kitaplatz. Die Stadt hat erst diese Woche erklärt, dass 54 Schulen fehlen. Das sorgt für Stress und Unsicherheit. Diese Probleme werde ich zügig lösen, das steht ganz oben auf meiner Agenda. Als DGB-Vorsitzender habe ich mich sehr intensiv um neue Arbeitsplätze gekümmert, das Bündnis für Arbeit neu auf den Weg gebracht und gemeinsam mit OB Jürgen Roters viel bewegt. Das alles findet unter Frau Reker nicht mehr statt – und das in einer Situation, in der sich zum Beispiel 17 000 Mitarbeiter bei Ford um ihre Jobs sorgen. Industrie ist für die Stadt lebenswichtig. Für die Wertschöpfung, die Steuereinnahmen, den Erhalt des Lebensstandards, den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der Stadt.
Die Stichwahl bleibt erhalten. Somit könnten Sie in einem zweiten Wahlgang Verbündete gewinnen, etwa die Linke. Hat es da schon erste Gespräche geben?
Ich trete für die SPD an und kämpfe dafür, die Wahl im ersten Wahlgang zu gewinnen.
Beim Katerfrühstück der Arbeitgeber haben Sie Signale in Richtung CDU ausgesandt und betont, man müsse gemeinsame Entscheidungen für die Stadt treffen. Zielen Sie bewusst auch auf die bürgerliche Mitte?
Als Oberbürgermeister ist es meine Aufgabe, die Stadt zusammenzubringen und nicht zu spalten. Mein Ziel ist ein breites Bündnis der „sozialen Demokraten“ in Köln, egal, welcher Partei sie angehören oder nahe stehen. Eines meiner wichtigsten Anliegen ist: Wohnen bezahlbar machen. Das geht alle an. Ich will gute Ideen umsetzen und auch Kompromisse schließen. Für mich ist Kompromiss kein Schimpfwort.
Bei Themen wie FC-Ausbau im Grüngürtel oder Ford haben Sie sich klar als Gegenentwurf zu Oberbürgermeisterin Reker positioniert. Aber gegenüber möglichen Partnern halten Sie sich Optionen offen?
Ich sage es noch einmal klar: Der FC kann sich auf meine Unterstützung verlassen. Es geht bei dieser Frage aber nicht nur um den Verein, sondern insgesamt um das Thema Verlässlichkeit. Nehmen Sie zum Beispiel den Häuslebauer in Köln oder Gewerbe- und Industriebetriebe. Wenn Sie als Investor in einem ordnungsgemäßen Verfahren alle geforderten Schritte korrekt abarbeiten, dann darf es nicht sein, dass man Ihnen irgendwann – weil es politischen Gegenwind gibt – sagt, nein, das wollen wir jetzt nicht mehr.
War es falsch, dass der Stadtrat den Klimanotstand beschlossen hat?
Der Klimanotstand ist ein wichtiges Signal. Wir brauchen solche Symbole, aber sie müssen mit sinnvollen Maßnahmen hinterlegt sein, die von einer breiten Mehrheit getragen werden. Ich halte zum Beispiel den Klimaplan der Stadt Hamburg für einen guten Weg. Dort hat man ein breites Bündnis geschmiedet. So kann der Klimanotstand eine Chance für Köln werden.
Verkehrsdezernentin Blome hat in der Rundschau mehr U-Bahn-Tunnel in Köln gefordert. Wie stehen Sie dazu?
Ich bin für eine Tunnellösung auf der Ost-West-Achse. Da hätte längst eine Entscheidung getroffen werden müssen, damit Köln sich um Fördermittel von Bund und Land bewerben kann. Köln braucht ein Mobilitätskonzept, in dem die KVB eine wichtige Rolle spielt. Hier werde ich die ganze Stadt im Blick haben und auch den Ausbau von Bus und Bahn in den Veedeln vorantreiben.
Was halten Sie von der Forderung nach einer autofreien Innenstadt?
Die autofreie Altstadt ist auf Initiative der SPD schon beschlossen worden, aber noch nicht umgesetzt. Das muss endlich passieren, damit die Erfahrungen aus diesem Modell für darüber hinaus gehende Bürgerbeteiligungen genutzt werden können. Eine autofreie Innenstadt funktioniert in anderen Städten hervorragend. Nehmen Sie Mailand oder Turin, das sind alte Städte wie Köln. Dort sind große Teile des Innenstadtkerns autofrei, aber man hat Wege gefunden, dass dort auch Handel und Wirtschaft stattfinden.
Oberbürgermeisterin Henriette Reker betont gerne, in ihrer Amtszeit habe sich viel für den Radverkehr getan. Wie sehen Sie das?
Fakt ist: Wesentlich mehr Menschen steigen heute aufs Fahrrad. Das ist eine gute Entwicklung. Aber die Situation ist noch lange nicht so, dass man in Köln gefahrlos Fahrrad fahren kann. Da ist noch viel zu tun. Wir brauchen sichere Radwege und mehr Platz für Radfahrer. Wir müssen den Straßenraum neu denken. Es muss einen guten Mix geben aus Fußgängerverkehr, Radverkehr und Autoverkehr.
Beim Kampf gegen die Wohnungsnot spricht die OB von einer Trendwende. Stimmen Sie ihr zu?
Nein. Köln braucht jedes Jahr mindestens 6000 neue Wohnungen. Dieses Ziel wurde in den letzten fünf Jahren stets deutlich verfehlt. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen in der ganzen Stadt. Durch die langwierigen, umständlichen Verfahren in Köln werden viele Investoren abgeschreckt. Ich habe von einem Fall gehört, da wartet jemand seit acht Jahren auf eine Baugenehmigung. Das ist nicht vertretbar. Diese Stadt hat Riesenprobleme, wie man das Thema Bauen anpackt. Dass die Bauaufsicht jetzt zwei Wochen nicht ans Telefon geht, um ihre Rückstände abzuarbeiten, spricht Bände. Als Oberbürgermeister werde ich das in Angriff nehmen. Wie wollen Sie das konkret verbessern?
Ich werde die wichtigen Themen Bauen und Wohnen zur Chefsache machen. Vor allem Baugenehmigungen müssen schneller kommen. Dafür braucht das Amt das nötige Personal. Zudem brauchen wir kreative Ideen wie das Wohnen über Parkplätzen und Supermärkten. Und Köln braucht ein kluges Flächenmanagement und günstiges Bauland. Die Flächen in Köln sind begrenzt, deshalb müssen wir uns genau überlegen, wie wir sie nutzen.
Brauchen wir auch ein anderes Regelwerk, um die Prozesse zu beschleunigen?
Dabei ist auch das Land gefragt. Die wachsende Millionenstadt Köln hat andere Bedürfnisse als eine kleine Gemeinde. Wir müssen dafür sorgen, dass Köln im Land wieder eine Stimme bekommt. Köln hat früher mit verschiedenen Modellen und Konzepten in NRW eine Vorreiterrolle gespielt, da möchte ich wieder hin.
Die Sanierung der Bühnen und das Jüdische Museum „MiQua“ verzögern sich enorm. Sollte sich die Stadt in dieser Situation die Historische Mitte als weiteres Großprojekt zumuten?
Es tut mir weh, dass das Jüdische Museum nächstes Jahr zum Jubiläum 1700 Jahre jüdisches Leben in Köln nicht fertig wird. Es ist ein weiteres Projekt, das teurer wird und länger dauert. Das zeigt, dass in dieser Stadt die Dinge nicht entschlossen genug vorangebracht werden. Trotzdem: Die Historische Mitte ist eine Jahrhundertchance, die Geschichte der 2000 Jahre alten Stadt Köln in unmittelbarere Nähe des Doms zusammenzubringen. Das sind Visionen, die die Stadt braucht. Die Partnerschaft mit der Kirche als erfahrenem Bauherrn gibt hier Sicherheit für einen besseren Verlauf des Projekts.
Ein zentrales Projekt von OB Reker ist die Verwaltungsreform. Wie bewerten Sie die?
Da gibt es keine Ergebnisse, die das Leben der Menschen besser machen. Im Gegenteil, ich höre viel von Frustration bei den Mitarbeitern der Verwaltung. Das ist ein Prozess, der von oben aufgedrückt wurde und zwangsläufig scheitern muss. Ich habe als Führungskraft bei der Polizei Köln selbst Change-Management-Prozesse mitgestaltet. Da haben wir alle Mitarbeiter mitgenommen, in Entscheidungen eingebunden, ihnen Verantwortung gegeben, und waren deshalb erfolgreich. Das alles findet bei diesem Projekt nicht statt.