Köln – Der Überfall Russlands auf die Ukraine hält die Welt in Atem. Bomben fallen, Menschen sterben, werden schwer verletzt, verlieren ihr Hab und Gut. Trotz alledem werden die Roten Funken am heutigen Samstag ihr traditionelles Biwak auf dem Neumarkt abhalten. 4000 Gäste haben Karten gekauft, vor der Pandemie waren doppelt so viele Teilnehmer erlaubt. Es ist nach der Absage des Rosenmontagszuges eine der größten und symbolträchtigsten Veranstaltungen, die es im diesjährigen Straßenkarneval geben wird. Sie abzusagen, dafür gebe es keinen Grund, ist Rote-Funken-Präsident Heinz-Günther Hunold überzeugt: „Der Karneval ist die größte Friedensbewegung der Welt.“ Er habe „nicht eine Sekunde gezögert“, das Biwak stattfinden zu lassen, „denn gerade in der momentanen Situation ist es wichtig, ein Zeichen für Frieden und Freiheit zu setzen“.
Die Tradition, das Militär „zu verhohnepiepeln“
Für diese Werte habe der Karneval schon immer gestanden, seit die Roten Funken 1823, also vor 199 Jahren, begonnen hätten, das preußische Militär mit Stippeföttche und Holzgewehren, in denen Blumen stecken, „zu verhohnepiepeln“.
Hunold verweist auf die besondere Bedeutung der Zahl elf im kölschen Fastelovend. „Darin stecken die Anfangsbuchstaben E, L und F.“ Sie stünden für die Ideale der französischen Revolution: Liberté, Egalité, Fraternité, zu deutsch Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. „Die DNA des Narren ist auf diesem Fundament gebaut“, unterstreicht der Funken-Präsident. Diese Werte gelte es jetzt auch mit den Mitteln des Karnevals zu verteidigen. „Gerade wenn die Zeiten schwierig werden, hat der Karneval die Aufgabe, sich zu zeigen.“ Das sei etwa während der Inflation in den 1920er-Jahren der Fall gewesen oder nach 1945, als die Funken trotz Verbots durch die Trümmer ihrer zerstörten Heimatstadt zogen. Und das gelte auch jetzt, wo Europa einen neuen Krieg erlebe.
Friedensbanner und Friedenstauben
Jeck noh Fridde – Jeck auf Frieden heißt das Motto der Roten Funken beim Biwak auf dem Neumarkt. Sie werden Banner aufhängen, auf denen ein Roter Funk diesen Spruch zeigt (Foto). Laut Präsident Heinz-Günther Hunold lassen auch die anderen Traditionskorps solche Banner herstellen, auf denen ein Gardist in den Farben der jeweiligen Gesellschaft zu sehen ist. Diese Banner sollen bei der Friedensdemo am Rosenmontag gezeigt werden. Am Samstag verteilen die Roten Funken auch an alle 4000 Gäste Fähnchen mit einer blau-weißen Friedenstaube , dem Symbol der Friedensbewegung der 80er-Jahre. Hunold betont: „Der Karneval hat eine ungeheure Kraft, und jetzt ist es an der Zeit, sie zu zeigen.“ (fu)
Außerhalb des Rheinlands würden viele die Ernsthaftigkeit und Bedeutung des Karnevals nicht verstehen, der ja „ein lachendes und ein weinendes Auge hat und dazu da ist, den Mächtigen den Spiegel vorzuhalten“, sagt Hunold. Er kritisiert NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), der sich gegen Karnevalsfeiern ausgesprochen hatte. „Er wäre gut beraten, zu uns zu kommen.“ Mit dem Funkenbiwak sende man eine klare und deutliche Botschaft für Frieden und Verständigung. „Wir müssen die Bühne des Karnevals nutzen, um zu zeigen, dass Despoten in unserer Welt keinen Platz haben dürfen.“ Für ihn sei das selbstverständlich, und deshalb setze er sich auch gerne mit jedem auseinander, der mit ihm darüber debattieren wolle. „Das ist für mich eine Herzensangelegenheit“, so der Funken-Chef.
Im Golfkrieg 1991 war das Biwak ausgefallen. „Alle Karnevalsveranstaltungen draußen waren abgesagt, aber in den Sälen wurde gefeiert“, so Hunold.
Alle Kölner Traditionskorps und namhafte Künstler des Kölner Karnevals sind heute beim Funkenbiwak dabei, es spielen unter anderem die Bläck Fööss, Kasalla und Cat Ballou. Natürlich werde man der besonderen Situation Rechnung tragen, so Hunold. Das Biwak stehe unter dem Motto „Jeck noh Fridde“ – „Jeck nach Frieden“. Entsprechende Banner lasse man gerade herstellen (siehe Infotext). Im Musikprogramm setze man verstärkt auf Balladen wie „Stammbaum“ und „Veedelslied“. „Der Karneval besitzt ja auch eine gewisse Melancholie. Das macht ihn ja so kraftvoll.“
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Hunold sieht das Funkenbiwak auch als ein Licht in einer dunklen Zeit. „Wir sind doch alle durch die Pandemie ausgetrocknet und dürsten nach Fröhlichkeit und Nähe.“ In der Duplizität der Ereignisse – Corona und Krieg – sei es jetzt um so wichtiger zusammenzustehen. Bei allen Veranstaltungen habe man gemerkt, wie glücklich die Menschen seien, wieder zusammenkommen zu können.